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Dauer-Doping über Jahre Landis gesteht, UCI zweifelt

Gemeinsam mit dem siebenmaligen Tour-SiegerLandis Lance Armstrong  will Landis Blutdoping betrieben haben.

Gemeinsam mit dem siebenmaligen Tour-SiegerLandis Lance Armstrong will Landis Blutdoping betrieben haben.

(Foto: dpa)

Lange hat Floyd Landis beharrlich geleugnet, jemals gedopt zu haben - auch noch, nachdem ihm der Sieg bei der Tour de France 2006 wegen eines positiven Tests auf Testosteron aberkannt worden war. Nun räumt Landis ein, praktisch mit allen verfügbaren Mitteln manipuliert zu haben, und das seit Beginn seiner Karriere und gemeinsam mit Lance Armstrong. Der Radsport-Weltverband UCI glaubt ihm nicht. Dort bleibt Imagepflege wichtiger als der Kampf gegen Doping.

Notorischer Doper: Floyd Landis hat doch noch eingestanden, was nur Verbohrte nicht schon lange wahrhaben wollten.

Notorischer Doper: Floyd Landis hat doch noch eingestanden, was nur Verbohrte nicht schon lange wahrhaben wollten.

(Foto: dpa)

Floyd Landis hat mit seinem Doping-Geständnis den angeschlagenen Radsport in eine neue Glaubwürdigkeitskrise gestürzt und dabei auch Superstar Lance Armstrong schwer belastet. Landis gab gegenüber ESPN zu, über die längste Zeit seiner Karriere verbotene Mittel genommen zu haben - auch bei seinem Tour de France-Sieg 2006, der ihm aufgrund eines positiven Testosteron-Tests aberkannt wurde. "Ich will ein reines Gewissen", sagte der 34- Jährige, der seine Enthüllungen in den vergangenen Wochen dem US- Radsportverband und dem Weltverband UCI mitgeteilt hat. Im Laufe seiner Karriere habe er unter anderem auf EPO, Testosteron, Wachstumshormone und Blut-Transfusionen zurückgegriffen.

Mit detaillierten Schilderungen über die geheime Lagerung von Blut-Konserven in seinem Ex-Team US Postal brachte Landis dem "Wall Street Journal" zufolge auch seine früheren Mannschaftskollegen Armstrong, George Hincapie und Teamchef Johan Bruyneel in große Bedrängnis. Zudem bezichtigte er Levi Leipheimer und Dave Zabriskie des EPO-Dopings. Hincapie wies die Anschuldigungen ebenso zurück wie der siebenmalige Tour-de-France-Gewinner Armstrong, der lapidar mitteilte: "Diese Anschuldigungen  sind es nicht wert, kommentiert zu werden. Ich verschwende nicht meine Zeit." Landis hatte erklärt, Armstrong habe ihn beim Doping beraten. "Wir haben lange Unterhaltungen während der Trainingsfahrten geführt. Er hat mir erklärt, dass Transfusionen notwendig seien, weil es einen neuen Test für Epo gebe", so Landis.

"Er will Rache üben"

Ebenso wie die von Landis Beschuldigten war auch der Radsport-Weltverband UCI bemüht, die Vorwürfe zu relativieren. "Was will er denn damit erreichen? Seine Glaubwürdigkeit ist gleich Null. Er will Rache üben, das ist doch offensichtlich", sagte UCI-Präsident Patrick McQuaid im offensichtlichen Bemühen, einen neuen Imageverlust für seinen Verband zu vermeiden. Entlarvend und bezeichnend war jedoch, was MacQuaid noch anfügte: "Das ist sehr traurig für den Radsport. Der Sport hatte sich wieder erholt und jetzt das?"

Notorischer Schönredner: Pat McQuaid, Präsident des Radsport-Weltverbandes.

Notorischer Schönredner: Pat McQuaid, Präsident des Radsport-Weltverbandes.

(Foto: REUTERS)

Sämtliche Unterlagen lägen bei der UCI-Rechtsabteilung, ein Gespräch mit Landis sei aber nicht geplant: "Er hat so oft gelogen, sogar ein Buch geschrieben, wie er sauber die Tour gewonnen hat." Die Anschuldigungen gegen Armstrong seien "nichts Neues". "Es ist nicht das erste Mal, dass Armstrong angeklagt wurde, aber bis jetzt gibt es noch keine Beweise", so McQuaid. Kritiker sehen das anders: So sind durch den von der UCI als Allheilmittel gepriesenen Blutpass mit Danilo Di Luca und Franco Pellizotti bislang erst zwei prominente Fahrer überführt worden. Das darf auf der Grundlage von Landis' Aussagen zumindest als merkwürdig angesehen werden.

Landis ist zudem nicht der erste Radprofi, der seine Dopingvergangenheit und die über Jahre erfolgreichen Tricks gegen positive Tests detailliert beschreibt. Erst kürzlich berichtete der Schweizer Thomas Frei, dass Epo nicht nachweisbar sei, wenn man es in kleinen Dosen spritze. Er selbst sei nur durch einen Anfängerfehler aufgeflogen, er hatte nicht genügend getrunken. Bernhard Kohl wurde zwar spektakulär mit einem neuen Nachweisverfahren für Cera überführt, überstand zuvor aber über 200 Kontrollen problemlos - Kontrollen, die nach Kohls Angaben hätten positiv sein müssen. Wie damals Kohl hat nun auch Landis seine Kooperation mit den Agenturen angeboten. Doch bringt es wirklich etwas? Es scheint, als würden die Kontrolleure den Geständigen zwar interessiert zuhören, das gewonnene Wissen allerdings aus diversen Gründen nicht anwenden können - oder, wie man aus MacQuaids Worten folgern könnte, nicht anwenden dürfen. In diesem Zusammenhang sei nur an den Streit darüber erinnert, wer die Dopingkontrollen bei der Tour de France durchführen darf. Die französische Anti-Doping-Agentur AFLD darf es nach dem erfolgreichen Jahr 2008 nicht mehr.

Wenn nicht jetzt, dann nie

Nach eigenen Angaben hat Landis erstmals 2002 bei US Postal gedopt. "Wenn ich jetzt nicht etwas sage, dann ist es sinnlos, überhaupt jemals etwas zu sagen", sagte der US-Amerikaner mit Blick auf die Regeln der Welt-Anti-Doping-Agentur, nach denen der Missbrauch verbotener Substanzen nach acht Jahren verjährt. Bruyneel soll Landis damals unter anderem Blut-Doping und den Gebrauch von Wachstumshormonen erklärt haben. Mit Armstrong habe er über die Notwendigkeit von Blut-Transfusionen gesprochen, wurde Landis im "Wall Street Journal" zitiert.

Notorisch verdächtigt: Lance Armstrong. Er streitet natürlich notorisch alles ab.

Notorisch verdächtigt: Lance Armstrong. Er streitet natürlich notorisch alles ab.

(Foto: AP)

2003 sei Landis im Trainingslager von US Postal in Spanien zweimal ein halber Liter Blut entnommen worden. Dieses Blut sollte ihm während der Frankreich-Rundfahrt wieder zugeführt werden. Dem Zeitungsbericht zufolge soll die Blutentnahme in Armstrongs Wohnung stattgefunden haben. Dort seien auch Blut-Behälter von Armstrong und Hincapie in einem versteckten Kühlschrank aufbewahrt worden. Landis habe täglich die Temperatur des entnommenen Blutes kontrollieren müssen.

Phonak weiß von nichts

Bei seinem Wechsel von US Postal zu Phonak 2006 hatte Landis dann nach eigenen Angaben mit seinem neuen Schweizer Teammanager Andy Rihs ausgehandelt, dass Phonak die Kosten für das Blut-Doping übernehme. Rihs wies diese Behauptung "entschieden" zurück. "Weder ich noch die Führung des Teams wussten, dass Floyd Landis dopte", sagte der Ex-Teamchef in einer Mitteilung. "Bei seinem Eintritt in unsere damalige Rennsportgruppe hat Floyd Landis persönlich unterschrieben, dass er sich an unseren Code hält und keine illegalen Praktiken anwendet", stellte Rihs klar.

Am 20. September 2007 war Landis der Tour-Sieg 2006 durch die UCI aberkannt und er rückwirkend für zwei Jahre bis zum 20. Januar 2009 gesperrt worden. Über Jahre hinweg hatte er Millionen Dollar investiert, um vor Gericht seine vermeintliche Unschuld zu beweisen. Mit seiner Klage gegen die zweijährige Sperre war er aber vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne gescheitert. Im Februar 2009 hatte er sein Comeback gegeben, ein Jahr später wurde bekannt, dass Frankreich sogar einen nationalen Haftbefehl gegen Landis erlassen hatte. Nach Ansicht der Behörden soll sich der Radprofi in das Computersystem des französischen Anti-Dopinglabors gehackt haben, das ihn überführt hatte. Dabei wurden Daten geändert oder gelöscht.

Landis erklärte nun, reinen Tisch machen zu wollen, weil ihn die Jahre der Täuschung psychisch belastet hätten. Als Geächteter im Radsport habe er ohnehin kaum noch eine Chance, jemals wieder für ein hochkarätiges Team zu fahren. Der schwerste Schritt, teilte er mit dem nötigen Pathos mit, sei in diesen Tagen allerdings das Telefonat gewesen, in dem er seiner Mutter die ganze Wahrheit berichtet hat.

Quelle: ntv.de, cwo/dpa/sid

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