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Zeitfahrdebakel bei WM Martin radelt ratlos immer weiter in die Krise

Angstfahrt statt Angriff: Tony Martin beim WM-Zeitfahren in Bergen.

Angstfahrt statt Angriff: Tony Martin beim WM-Zeitfahren in Bergen.

(Foto: dpa)

Es ist kein Angriff, sondern eine Angstfahrt, mit der Tony Martin die größte Zeitfahrenttäuschung seiner Karriere erlebt. Die jahrelange Dominanz ist längst vergangen. Doch der entthronte Weltmeister will kämpfen - für sein letztes großes Ziel.

Tony Martin suchte nach der deprimierenden Pleite von Bergen erst einmal Zuflucht in trauter Umgebung. Bei Lebensgefährtin Nina und Töchterchen Mia brachte sich der auf Rang neun überdeutlich entthronte Weltmeister nach der schlechtesten Zeitfahr-Platzierung seiner WM-Laufbahn auf andere Gedanken. Den Weg aus der quälenden Negativspirale will der 32-Jährige dann im Winter finden. "Ich werde in alle Richtungen die Fühler ausstrecken, dafür habe ich die Pause, und ich werde da sicher einiges ausprobieren", sagte Martin, der mit Ausnahme der Vorjahres-WM in Katar schon länger vergeblich nach seiner einstigen Dominanz sucht.

Fit, aber nicht erfolgreich: Tony Martin.

Fit, aber nicht erfolgreich: Tony Martin.

(Foto: imago/Digitalsport)

Auch die Hilfe eines Mentaltrainers zieht der Wahl-Schweizer in Erwägung: "Es ist vielleicht eher eine Kopfsache als eine physische." Im Grunde war die Saison 2014 die bisher letzte, in der er durchweg überzeugende Ergebnisse in seiner Spezialdisziplin ablieferte. Danach tüftelte Martin hier und da ohne durchschlagenden Erfolg. In Katar schienen die Krise und vor allem das Olympia-Trauma von Rio de Janeiro überwunden. Danach aber kam der Rückfall, Martin bringt seine Leistung nicht mehr auf die Straße.

Einst wusste der gebürtige Lausitzer sich und seine Fähigkeiten immer gut einzuschätzen, wenn er sich großen Erwartungsdruck auferlegte, hielt er dem in der Regel auch stand - aber all das gelingt nicht mehr. "Es war mehr eine Angstfahrt als wirklich Angriff", sagte Martin nach der Zieldurchfahrt am Fløyen, der sich in eine tosende Freiluftarena verwandelt hatte. "Die Unterstützung war genial", fand er. Dass der Norwegen-Fan ausgerechnet in seinem Lieblingsland die nächste bittere Enttäuschung verkraften musste, tat gewiss zusätzlich weh.

"Er hat es durchgezogen, so wie ich früher"

Den WM-Thron, den Martin viermal bestiegen hatte, eroberte nun der Niederländer Tom Dumoulin in beeindruckender Manier. "Chapeau, mit dem Druck des großen Favoriten muss man erst mal umgehen können. Er ist ein würdiger Weltmeister", sagte Martin: "Er hat es durchgezogen, so wie ich es früher gemacht habe." Und wie er es nur zu gerne wieder tun würde. Comeback-Qualitäten zeichneten Martin immer aus, jetzt geht es um die Rezeptur.

Gerade für die WM 2018 in Innsbruck müssen die Zutaten perfekt abgestimmt sein, denn der am Mittwochabend in Norwegen vorgestellte Kurs ist wieder kompliziert. Zwar stimmt für Martin die Länge mit 54,2 Kilometern, aber fünf davon geht es eingangs des letzten Streckendrittels bergauf. "Körperlich fühle ich mich weiterhin stark genug", sagte Martin, "ich muss bloß meine Linie wiederfinden." Risikofreudigkeit, Selbstvertrauen, die richtige mentale Einstellung, all das gehört dazu - und all das fehlte in Bergen.

Martin wünscht sich nun einen versöhnlichen WM-Abschluss im fast 280 km langen Straßenrennen. Die deutsche Mannschaft ist nach dem Ausfall John Degenkolbs in der Außenseiterrolle und ohne festen Kapitän, was Freiräume eröffnet. "Ich will am Sonntag nochmal aufziehen", kündigte Martin an. Danach schließt er seine Saison beim Münsterland Giro ab - und beginnt die Suche nach der alten Stärke. Ein ganz großes Karriereziel hat Martin schließlich noch: Olympia in Tokio 2020.

Quelle: ntv.de, Ruben Stark, sid

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