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Lückenkemper kreischt nach Titel Mihambo-Schock überschattet Hartmanns Rekordsprint

Mihambo musste noch während des laufenden Wettkampfs medizinisch versorgt werden.

Mihambo musste noch während des laufenden Wettkampfs medizinisch versorgt werden.

(Foto: IMAGO/Chai v.d. Laage)

Malaika Mihambo findet bei den Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften zurück zu alter Stärke, muss den Wettkampf dann aber vorzeitig abbrechen. Joshua Hartmann läuft deutschen Rekord über 200 Meter, Gina Lückenkemper gewinnt auch im Team Titel - und auf der Stadionrunde wird es ziemlich schnell.

Plötzlich wurden die Leichtathletik-Fans im Kasseler Auestadion ganz still und schauten mit bangen Blicken zur Gegengeraden auf die verletzte Malaika Mihambo. Dort saß die Olympiasiegerin und zweimalige Weltmeisterin am Boden, hielt sich einen Eisbeutel an den lädierten Oberschenkel. Der siebte deutsche Meistertitel mit 6,93 Metern, die Mihambo der nationalen Konkurrenz im ersten Versuch vorgesetzt hatte, war daraufhin nebensächlich.

"Meine Oberschenkelrückseite ist verkrampft, seitdem habe ich Schmerzen", sagte Mihambo nach dem Wettkampf. Für eine erste Diagnose sei es noch zu früh: "Wenn ich Glück habe, ist es nichts. Wenn ich Pech habe, ist es eine Zerrung oder ein Muskelfaserriss." Wie der Deutsche Leichtathletik-Verband am Abend nach einer ersten Ultraschall-Untersuchung mitteilte, hat Mihambo eine Verhärtung im Oberschenkel erlitten, aber keinen Riss. Genauen Aufschluss sollen weitere Untersuchungen in den kommenden Tagen ergeben.

Die große Sorge setzte ein, als die einzige deutsche Weltmeisterin von 2021 sechs Wochen vor dem WM-Start in Budapest ihren Anlauf zum vierten Versuch mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht abbrach. Wenig später war der Wettkampf für sie vorzeitig beendet und die gute Stimmung an der Weitsprunggrube und vermutlich auch bei der deutschen Verbandsspitze wie weggeblasen. Mihambo hatte sich um gleich 27 Zentimeter in diesem Jahr gesteigert und für eine deutsche Jahresbestleistung gesorgt.

Die deutsche Nummer 1 siegte vor der 20 Jahre alten Mikaelle Assani, die nach 6,50 Metern landete und zuvor mit 6,91 Melde- und deutsche Jahresbestenliste gleichermaßen angeführt hatte. Maryse Luzolo wurde mit 6,47 Metern Dritte. Mihambo dürfte nun alles daran setzen, rechtzeitig wieder fit zu werden, um in sechs Wochen bei der WM ihre Titel von 2019 und 2022 verteidigen zu können.

Hartmann ärgert sich nach Rekordlauf sogar noch

Fast gleichzeitig konnte Joshua Hartmann kaum fassen, welche Zeit er über die 200 Meter auf die rote Bahn gezaubert hatte. Der 24-Jährige pulverisierte in 20,02 Sekunden Ungers nationalen Rekord von 2005 (20,20). "Das lässt sich sehen. Das bedeutet mir viel", sagte Hartmann am ARD-Mikrofon.

Eine Zeit unter 20 Sekunden wäre sogar möglich gewesen, hätte Hartmann bei seinem souveränen Sieg nicht frühzeitig den Arm zum Jubeln erhoben. "Hätte ich das gewusst, hätte ich den Arm nicht rausgetan. Ich weiß noch nicht, wie ich feiern werde, aber bestimmt ein bisschen", sagte Hartmann. Im internationalen Vergleich bedeutet die neue Bestzeit den zweiten Rang in Europa und den 18. Platz in der Weltjahresbestenliste.

Wenn Sprinten so leicht aussieht wie bei Joshua Hartmann, wird es meist ziemlich schnell.

Wenn Sprinten so leicht aussieht wie bei Joshua Hartmann, wird es meist ziemlich schnell.

(Foto: IMAGO/Beautiful Sports)

Hartmann kann dank seiner Steigerung außerdem mit seinem ersten WM-Einzelstart planen. Mit seinem Rekord knackte er deutlich die Direkt-Norm (20,16) für die WM in Budapest (19. bis 27. August) und die Olympischen Spiele im kommenden Jahr in Paris.

Sprinterin Gina Lückenkemper hat derweil 20 Stunden nach ihrem Triumph über die 100 Meter auch mit der Staffel den deutschen Meistertitel gewonnen. Die Europameisterin setzte sich zusammen mit Leonie Kluwig, Michelle Janiak und Nadine Reetz vom SCC Berlin in 43,91 Sekunden vor den Quartetts des VfL Sindelfingen (44,37) und der LG Stadtwerke München (44,44) durch.

"Es war eine unfassbar geile Leistung von allen Mädels. Da darf man auch mal gemeinsam kreischen", sagte Schlussläuferin Lückenkemper in der ARD. Die Berlinerinnen, die durch Lückenkempers Training in den USA selten zusammen auf der Bahn stehen, waren nicht als Top-Favoritinnen an den Start gegangen. "Mein Plan war, voll durchzuziehen, also wenn schon, denn schon."

Schnelle Zeiten auf der Stadionrunde - Tränen nach den 5000 Metern

Auch die EM-Zweite Lea Meyer wurde Doppelmeisterin, erst über 5000 Meter und dann über ihre Spezialdisziplin 3000 Meter Hindernis. Diskuswerfer Christoph Harting verbuchte sieben Jahre nach Olympia-Gold in Rio einen Achtungserfolg und belegte mit 62,87 Metern Rang drei. Harting hatte zuletzt Depressionen öffentlich gemacht. Für einen WM-Start dürfte der 33-jährige Berliner indes nicht infrage kommen. Der Sieg im Ring ging mit 63,93 Meter an Henrik Janssen, Silber gewann Steven Richter mit 63,57 Meter.

Ein weiteres Ausrufezeichen setzte derweil Carolina Krafzik über 400 Meter Hürden. Die EM-Achte des Vorjahres dominierte nach Meisterschaftsrekord (54,47 Sekunden) auch das Finale über die Stadionrunde und lief in 54,87 Sekunden erneut eine Klasse-Zeit. Auf Platz zwei und drei der ewigen deutschen Bestenliste katapultierten sich Krafziks männliche Disziplinkollegen Joshua Abuaku und Constantin Preis. Beide kamen nach 48,45 Sekunden, das Zielfoto gab den Ausschlag zugunsten von Abuaku. Einzig Harald Schmid, Olympia-Bronzemedaillengewinner von 1984, war je schneller.

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Eine neue persönliche Bestzeit, die sich im internationalen Vergleich sehen lassen kann, gelang in der Hitze von Kassel auch Manuel Sanders. Im Finale über 400 Meter verbesserte der hoch aufgeschossene Dortmunder in 45,07 Sekunden zum wiederholten Mal in dieser Saison seinen Hausrekord. In seinem Sog blieb auch Jean-Paul Bredau (45,67) erstmals unter der begehrten 46-Sekunden-Marke, während sich Patrick Schneider (46,19) und Fabian Dammermann (46,31) auf den weiteren Plätzen für die deutsche 4x400-Meter-Staffel bei der WM empfahlen.

Sensationell zum Titel liefen derweil Alina Ammann und Florian Bremm. Die 800-Meter-Läuferin pulverisierte ihre mehrere Jahre alte Bestzeit über die zwei Stadionrunden um mehr als zwei Sekunden - und düpierte in 2:01,42 Minuten die Favoritinnen Christina Hering (2:01,46) und Majtie Kolberg (2:01,52) mit einem starken Spurt. Den zeigte auch Bremm über die 5000 Meter und rang auf den letzten Metern in 13:35,65 Minuten den heranstürmenden Max Thorwirth (13:35,70) gerade so nieder. Im Interview danach war Bremm zu Tränen gerührt, mit dem Titelgewinn schien er überhaupt nicht gerechnet zu haben.

Quelle: ntv.de, tsi/dpa/sid

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