Boarderin zähmt ihren Freigeist Mittermüller wird für Olympia spießig
15.03.2017, 18:39 Uhr
Olympia 2018: Die Snowboarderin Silvia Mittermüller träumt vom perfekten Karriereende in Pyeongchang.
(Foto: imago sportfotodienst)
Die deutsche Snowboarderin Silvia Mittermüller steht vor dem Ende ihrer Profi-Karriere. Zum Abschluss will sie sich mit ihrer ersten Olympiateilnahme aber noch einen letzten Wunsch erfüllen. Dafür rückt die 33-Jährige sogar von ihren Prinzipien ab.
Es ist noch keine sechs Wochen her, da befürchtete Silvia Mittermüller das Ende ihrer Karriere. Sie war beim Training in Colorado mit einem anderen Snowboarder zusammengeprallt und auf ihr erst im Oktober operiertes rechtes Knie gefallen. "Ich erinnere mich nur, dass ich vor Schmerzen schrie", berichtet die 33-Jährige. Tatsächlich aber fallen ihr nach und nach auch die anderen Gedanken wieder ein. Als sie im Rettungsschlitten lag und sich fragte: "War es das? Mit der Saison? Mit Olympia? Mit dem Snowboarden?" War es nicht.
Vergangenen Donnerstag hat Mittermüller bei der WM in der spanischen Sierra Nevada versucht, das Finale im Slopestyle zu erreichen - ohne Erfolg. Mittermüller, ein Münchner Kindl, das in der Welt zu Hause ist, hat in dieser Disziplin 2016 als erste Deutsche einen Weltcup-Sieg gefeiert. Aber nach der Verletzungspause war diesmal nicht mehr als Platz 15 drin. "Kein super Ergebnis", sagte sie, "aber ich bin positiv überrascht, dass ich das überhaupt geschafft habe." Der Parcours war derart heftig, dass Mittermüller mit dem Gedanken gespielt hatte garnicht anzutreten.
Die Münchnerin hört viel auf ihr Bauchgefühl, wenn das nicht stimmt, startet sie lieber nicht. Aber sie kann auch kämpfen und hat sich dann doch durchgebissen, denn sie braucht dringend Punkte für die Weltrangliste. Und schließlich sind da ja auch noch die Olympischen Winterspiele im kommenden Jahr im südkoreanischen Pyeongchang. Bisher hat sie alle Weltcup-Wettbewerbe die zur Qualifikation zählen verpasst. Morgen steht die Qualifikation für das Big-Air-Finale am Freitag an.
"Snowboarden als Lebensinhalt"
Mittermüller ist seit Jahren die beste deutsche Freestyle-Snowboarderin. Lange war sie eine, wie sie es nennt, "professionelle Nomadin" und lebte mehr oder weniger in den Tag hinein. Nach ihrem glänzenden Abitur trat sie das ursprünglich geplante Medizinstudium erst gar nicht an. Mittermüller fuhr und fährt Snowboard, weil es ihr "unfassbar" Spaß macht, wie sie immer wieder betont. Das ist ihr Leben, etwas Spirituelles, mehr Berufung als Beruf.
Dass ein Freigeist wie Mittermüller zu Olympia will, überrascht dann aber doch. Die Teilnahme 2014 in Sotschi verpasste sie wegen eines Achillessehnenrisses. Diesmal soll es klappen, dafür hat sich Mittermüller sogar ein wenig angepasst: Mitglied in einem Leistungskader, Förderung durch den Verband, ein fester Trainer, dazu eine Stelle bei der Bundeswehr - das klingt erst mal ein bisschen spießig. "Das Unkonventionelle geht mir schon ab", gesteht sie mit einem Augenzwinkern. Der Vorteil liegt aber klar auf der Hand: Sie muss sich keine Gedanken mehr über finanzielle und organisatorische Dinge machen.
Warum also Olympia? Warum will da eine hin, die mit solchen Wettkämpfen irgendwie fremdelt, "weil Snowboarden mehr ist als Wettkämpfe", weil bei den Winterspielen alles so "nationengetrieben ist". Weil sie, gibt Mittermüller zu verstehen, einfach Lust drauf hat. "Es ist die letzte Möglichkeit, das letzte Puzzlestück im globalen Snowboarden noch mitzunehmen", erklärt sie. Dass sie sich dafür in ein Team einbinden muss, "ist wie eine Art Frieden zu finden nach vielen langen Jahren als wilde Einzelnomadin". Olympia, sagt sie, die sich zum Entspannen gerne an ein Klavier setzt, das wäre schon ein "schöner Endakkord".
Quelle: ntv.de, ans/sid