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Federer entthront Nadal gewinnt Wimbledon

Eiskalt und entschlossen hat Rafael Nadal die Wimbledon-Regentschaft des fünfmaligen Champions Roger Federer brutal beendet. Wie ein Wirbelwind im stürmischen London fegte der Spanier zweieinhalb Sätze über den "Heiligen Rasen", musste dann aber erst einen verrückten Fünfsatz-Krimi überstehen, ehe er den Schweizer nach zwei Regenpausen und erbittertem Kampf mit 6:4, 6:4, 6:7 (5:7), 6:7 (8:10), 9:7 niedergerungen hatte. Überwältigt sank der 22-Jährige rücklings ins Gras, rannte dann mit Tränen in den Augen zu seiner Familie und bedankte sich auch bei Kronprinz Felipe und dessen Frau Letizia.

"Es ist nicht zu glauben. Das ist ein Traum, hier zu gewinnen", sagte Nadal, nachdem er die Sprache wiedergefunden und den Pokal in Empfang genommen hatte. "Roger hat unglaublich gekämpft. Er ist die Nummer eins und bleibt für mich auch der Beste", meinte der erste spanische Wimbledonsieger nach Manuel Santana 1966. "Ich habe alles versucht", sagte Roger Federer, der gleichfalls Tränen in den Augen hatte und sich nur langsam vom Schock der Niederlage erholte.

Noch Weltranglistenerster

Mit grimmiger Miene, aber der Größe eines Gentleman ertrug der entthronte Champion nach dem finalen Aus bei den French Open nun auch die erste Pleite nach 65 Rasen-Siegen in Serie gegen seinen Dauerrivalen und musste den Traum begraben, als erster Tennisprofi sechsmal in Serie die All England Championships zu gewinnen. Weltranglisten-Erster bleibt er aber auch in der an diesem Montag beginnenden 232. Woche nacheinander.

Fünf Siege wie der entthronte Schweizer hat auch Venus Williams auf dem Konto, nachdem sie am Samstag den "Sister Act" gegen ihre Schwester Serena mit 7:5, 6:4 gewonnen und dasselbe Preisgeld wie die Herren kassiert hatte. Mit wehendem Tenniskleid und wild entschlossen verteidigte die 28-Jährige ihren Titel und siegte im dritten finalen Familientreffen in Wimbledon erstmals gegen ihre zwei Jahre jüngere Schwester, die sich 2002 und 2003 durchgesetzt hatte. Gemeinsam holte sie sich Stunden später den dritten Doppel-Titel durch ein 6:2, 6:2 gegen Lisa Raymond aus den USA und die Australierin Samantha Stosur.

Nadal der Bessere

Die Rekorde stellte diesmal der 22-jährige Nadal auf, der für den zwölften Sieg im achtzehnten Duell auch das mit umgerechnet 947 000 Euro doppelt so hohe Preisgeld wie Federer einstrich. Vollkommen zu Recht. Mit der peitschenden Vorhand, dem stark verbesserten Aufschlag und der Gabe, unmögliche Bälle zu kontrollieren, machte er Federers Dominanz ein Ende. Als erster Profi überhaupt schaffte er damit nach seinem vierten Erfolg bei den French Open und dem ersten Rasen-Titel in Queens auch den Sieg in Wimbledon. Das ist außer ihm nur dem legendären Rod Laver gelungen - aber nicht im selben Jahr. In den beiden Vorjahren hat Nadal im Endspiel gegen Federer verloren.

Diesmal nutzte Nadal alle Möglichkeiten - gute wie schlechte. In den wichtigen und kniffligen Momenten verzögerte er, zupfte mehr als sonst an seiner Hose, richtete die Haare und prellte den Ball vor dem Aufschlag so oft, als wolle er für ein Basketballspiel üben. "Das hat er früher immer gemacht, das ist vorbei", hatte Federer noch tags zuvor gehofft und wurde eines Besseren belehrt. Was hinter Nadals Knieblessur steckte, die ihn mitte des dritten Satzes zu einer Behandlungspause zwang, blieb sein Geheimnis. Die wie üblich weiß bandagierten Patellasehnen waren kein Problem, wie das Muskelpaket aus Mallorca erklärte. "Das ist nur zur Vorsicht."

Langes Match

Nach 40 Siegen am Stück in Wimbledon schaffte es Federer nicht, seine Chancen zu nutzen. Dabei kämpfte er nach der ersten Regenpause bei eigener 5:4-Führung im dritten Satz wie ein Löwe. Mühsam holte er sich den Tiebreak und machte es im vierten Satz noch einmal genauso spannend. Nach zwei abgewehrten Matchbällen ballte der 26-Jährige die Faust und hüpfte nach dem Satzausgleich erleichtert in die Luft. Nadal war geschockt und mobilisierte seine letzten Kräfte - körperlich und geistig. Mit Erfolg, denn nach einer neuerlichen Regenpause beim Stand von 2:2 im entscheidenden Durchgang hatte er die stärkeren Nerven und brachte seinen ersten Triumph in Federers Regierungsbezirk glücklich unter Dach und Fach.

In der ersten Reihe der königlichen Loge sah der grauhaarige Björn Borg, wie sich "Geschichte auf dem Heiligen Rasen wiederholte". So wie bei dem Schweden, der nach seinen fünf Siegen zwischen 1976 und 1980 im folgenden Finale dem Amerikaner John McEnroe unterlag. Auch der war 22 Jahre alt und die Nummer zwei der Tennis-Welt. Wie Nadal.

Quelle: ntv.de, Von Andreas Bellinger, dpa

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