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DBB-Coach Fleming über NBA-Rentner "Nowitzki am Rollator? Erstmal mithalten"

Nowitzki (re.) beim Freundschaftsspiel gegen Kroatien. Das Spiel ging aus Sicht der deutschen Mannschaft mit 72:74 (64:64, 28:36) nach Verlängerung verloren.

Nowitzki (re.) beim Freundschaftsspiel gegen Kroatien. Das Spiel ging aus Sicht der deutschen Mannschaft mit 72:74 (64:64, 28:36) nach Verlängerung verloren.

(Foto: dpa)

Es ist vielleicht das letzte Mal, dass sich Dirk Nowitzki für die deutsche Basketball-Nationalmannschaft aufopfert. 37 Jahre zählt der NBA-Star mittlerweile, so manch einer fragt sich, ob er noch immer Topleistungen bringen kann – dabei ist er noch immer aktueller NBA-All-Star und hat in den Playoffs 21 Punkte und zehn Punkte im Schnitt geholt. Nationaltrainer Chris Fleming lobt Nowitzkis Hingabe: "Er tut unserer Generation sehr viel Gutes." Beim Hype um die Heim-EM wittert er aber auch Gefahren: "Wir müssen Dirk schützen."

Chris Fleming ist seit Dezember 2014 Cheftrainer der deutschen Basketball-Nationalmannschaft. Vorher war er vierzehn Jahre als Coach in der Basketball-Bundesliga aktiv und führte Bamberg zu drei Doubles und vier Meistertiteln in Folge. Ziel bei der Heim-EM ist für Fleming und das DBB-Team, die Chance auf die Olympia-Qualifikation zu wahren.

Chris Fleming ist seit Dezember 2014 Cheftrainer der deutschen Basketball-Nationalmannschaft. Vorher war er vierzehn Jahre als Coach in der Basketball-Bundesliga aktiv und führte Bamberg zu drei Doubles und vier Meistertiteln in Folge. Ziel bei der Heim-EM ist für Fleming und das DBB-Team, die Chance auf die Olympia-Qualifikation zu wahren.

(Foto: picture alliance / dpa)

Noch nie war Dirk Nowitzki so früh bei der Nationalmannschaft wie in diesem Sommer. Nun steigt er auch noch früher als geplant in die Testspiele ein. Müssten Sie den Mann nicht bremsen?

Dirk weiß, dass er zu diesem Zeitpunkt in seiner Karriere mehr Anlaufzeit braucht. Er war vier Jahre weg von der Nationalmannschaft und muss sich im Team integrieren, die Jungs kennenlernen. Dirks Ehrgeiz ist ja überall bekannt, er will auch bei dieser EM was erreichen. Die Erkenntnis, dass er frühzeitig anfangen muss, kam von ihm. Für uns war das natürlich sehr gut. Dirk kam mit enormer Energie und positiver Ausstrahlung, das hat der gesamten Truppe geholfen. 

Die Jüngeren haben ein paar Witze über sein Alter gerissen, Nowitzki selber spielt oft darauf an – aber mal im Ernst: Wo steht er körperlich? Wird er in der Defensive zum Problem, weil er nicht mehr schnell genug ist?

Dirk kann sich selber sehr gut einschätzen. Die schnellen, wendigen Gegenspieler sind nicht sehr angenehm für ihn, für uns insgesamt nicht. Das können wir aber durch gute Kommunikation und seine Erfahrung kompensieren. Und eines muss ich noch sagen: Die Sprüche sind schön und gut. Aber die Jungs müssen mit ihm mithalten und sein Tempo angehen, was den Arbeitsumfang angeht. Es ist witzig, über Dirk am Rollator zu sprechen, aber der Kerl steht um sieben Uhr morgens im Kraftraum und schiebt Zusatzschichten, um sich auf Stand zu bringen. Das darf man bei all den Witzen nicht aus den Augen verlieren.

Hinter Dirk Nowitzki haben Sie auf der Position des Power Forwards mit Verletzungssorgen zu kämpfen, Maxi Kleber und Daniel Theis mussten für die EM absagen. Muss Nowitzki mehr spielen, als sie und Nowitzki es wollen? 

Erstbesetzung und Backup: Nowitzki im Training mit Robin Benzing.

Erstbesetzung und Backup: Nowitzki im Training mit Robin Benzing.

(Foto: imago/Camera 4)

Robin Benzing übernimmt die Rolle als Backup und macht das momentan sehr gut. Alex King ist gerade von seiner Verletzung zurückgekommen. Ich hatte eigentlich vor, Dirk in einer kleinen Aufstellung als Center zu benutzen, das wird nun schwer. Und es ist so: Wenn Dirk schonmal da ist, spielt er eh. Nicht die ganzen 40 Minuten, auch nicht 30. Aber er wird viel spielen. Das hätte er auch gemacht, wenn Kleber und Theis dabei gewesen wären – weil er die Qualität hat.

Dirk Nowitzki kann Spiele nicht mehr im Alleingang entscheiden, wie vor zehn Jahren mit seiner legendären Leistung bei der EM 2005. Die Führungsrolle gibt er an Dennis Schröder weiter, hat er angekündigt. Wollen Sie das überhaupt? 

Da wurde Dirk falsch verstanden, glaube ich. Er hat nicht gesagt, dass er nicht mehr führen will. Nur: Es wird Zeit, die Last in der Offensive auf mehrere Schultern zu verteilen. Dennis hat er damit in die Verantwortung gezogen. Das ist richtig. Die besten Spieler tragen die meiste Verantwortung, das ist so. Allein, im Eins gegen Eins, kann Dirk einfach nicht mehr das machen, was er mit 27 Jahren konnte. Das muss jeder verstehen. 

Mit Jungstar Dennis Schröder steht ein zweiter etablierter NBA-Profi im deutschen Kader.

Mit Jungstar Dennis Schröder steht ein zweiter etablierter NBA-Profi im deutschen Kader.

(Foto: dpa)

Bleiben wir gleich bei Dennis Schröder. Der ist erst 21 Jahre alt, hat aber schon große Erwartungen geweckt. Den Durchbruch in der NBA hat er geschafft, was erwarten Sie bei der EM von ihm? 

Dennis Schröder soll seine Mitspieler besser machen. Daran wird er gemessen, nicht an seinen Punkten und Assists. Wie gut wird ein Heiko Schaffartzik an seiner Seite, wie viel besser wird Robin Benzing sein? Macht er die Arbeit leichter für Dirk, weil er durch seinen schnellen Zug zum Korb Platz und freie Würfe verschafft? Wie kann er uns in kritischen Situationen helfen?  

Es steht unentschieden kurz vor Schluss. Wem geben Sie den Ball? Dennis Schröder oder Dirk Nowitzki? 

So läuft das nicht. Du kannst nicht wählen, wer wirft. Wenn du das festlegst, kriegst du einen schlechten Wurf. Du kannst wählen, wer gemeinsam die letzte Aktion läuft. Dirk und Dennis wären eine gute Option – und dann hat Dennis auf jeden Fall den Ball in der Hand. Ob er wirft oder jemanden freispielt, muss sich zeigen. Diese Entscheidung muss gut sein. Das ist letzten Endes der wichtigste Punkt im Sommer. 

Ein dritter Mann in ihrem Kader beginnt nach der EM seine Karriere in der NBA: Tibor Pleiß, ihr 2,18-Meter-Hüne unter dem Korb. Sie haben ihn selber in Bamberg trainiert. Was macht ihn nun so gut, dass er reif ist für diesen Schritt?

Tibor steckt Problemphasen viel besser weg, er ist menschlich weiter gekommen. Gerade bei seinem letzten Verein in Barcelona hat er viel gelernt, weil er mit großen Spielern zusammengearbeitet hat. Er wird seinen Weg machen in der NBA. 

Bisher hat er sich in den Testspielen aber im Angriff zurückgehalten.

Alles was er macht, muss in der Defense anfangen. Er verankert unsere Defense und gibt damit den anderen Selbstvertrauen.

Die alles überragende Rolle des NBA-Stars Nowitzki hatte in der Vergangenheit auch schlechte Seiten: Die anderen würden sich verstecken, hieß es. Wie können Sie darauf hinwirken, dass so etwas nicht wieder passiert? 

Also in den ersten Trainingseinheiten hatten wir eher das andere Problem: Wir haben ihm den Ball gar nicht gegeben. Ich sehe das Thema ohnehin nicht so problematisch. Damals spielten zwei Dinge eine Rolle: Erstens hatten wir nicht die Qualität auf den anderen Positionen und zweitens war Dirk war viel jünger. Heute haben wir eine komplett andere Situation.  

EM-Todesgruppe in Berlin

Die deutsche Nationalmannschaft hat in der EM-Vorrunde die schwerste Gruppe erwischt. In Berlin trifft die DBB-Auswahl auf Vizeweltmeister Serbien, den Olympia-Zweiten Spanien, Italien, die Türkei und Island. Die ersten vier Teams überstehen die Vorrunde. Aber auch Platz vier wäre ein schlechtes Ergebnis - dann würde im Achtelfinale wohl Titelverteidiger Frankreich warten. Um sich für ein Ausscheidungsturnier für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro zu qualifizieren, muss das DBB-Team mindestens Platz 7 belegen.

Sie behaupten, die Qualität sei größer. Das muss sie aber auch sein, wenn man auf die deutsche Todesgruppe B in Berlin schaut. Was kann das Team erreichen? 

Wir haben uns null mit den anderen Teams beschäftigt bisher. Vielleicht fangen wir vor dem Supercup in Hamburg [21.-23.8.] damit an. In der Gruppe wäre es einfach ein Vorteil, wenn wir gut aus den Startlöchern kommen. 

Sie haben im Mai gesagt, die Vorbereitung könne ein Vorteil gegenüber den anderen Teams sein. Aber die machen doch auch keinen Urlaub gerade?

Ich glaube, auch das ist falsch verstanden worden. Wir haben jetzt alle unsere Jungs zusammen. Mit Dirk und Anton Gavel, der seine Spielerlaubnis bekommen hat, Tibor und Dennis haben wir jetzt alle Leute beisammen. Jetzt geht es um Chemie. Wie kompakt spielen wir gleich am Anfang, wie fokussiert sind wir?

Ab wann ist dieser Sommer für Sie ein Erfolg?

Die Frage jetzt zu beantworten, das geht zu weit in die Zukunft. Aber klar, wir wollen das Qualifikationsturnier für Rio schaffen.

Dafür müssten sie auf jeden Fall die Vorrunde überstehen. Und dann könnte nach der neuesten Volte des Weltverbands, der drei Qualifikationsturniere angesetzt hat, Rang sieben reichen.

Darüber hinaus geht es aber auch um die Spielkultur, die wir erreichen müssen, um diese Spielergeneration nach vorn zu bringen.

Das große Thema dieses Sommers ist natürlich: Das erste große Turnier für Dirk Nowitzki zuhause. Das soll eine möglichst breite Euphorie entfachen. Kann das eine Rolle spielen? 

Ich hoffe es. Das macht die Situation ja so schön: Ein Turnier vor unseren Leuten – nicht nur in der Halle, ganz Deutschland schaut sich das an. Da wäre es gut, wenn wir Dirk in seinem womöglich letzten Turnier helfen könnten.

Euphorie kann aber auch zur Bürde werden. Gerade für Nowitzki, der dafür bekannt ist, jeden Rummel mitzumachen.  

Das liegt an uns. Wir müssen ihn schützen.  

Vor wem?

Es muss auch Spaß sein für ihn. Er ist ja keine Interview- und Autogramm-Maschine. Er ist ein Basketball-Spieler, der sich entschieden hat für uns zu spielen - zu einem Zeitpunkt seiner Karriere, an dem er es selber nicht braucht. Er tut unserer Generation und unserem Verband sehr viel Gutes damit. Und deswegen müssen wir ihn auch vor euch Medien schützen.

Mit Chris Fleming sprach Christian Bartlau

Quelle: ntv.de

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