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IOC: "Handele als Vorbild" Verurteilter Vergewaltiger tritt bei Olympischen Spielen an

Steve van de Velde wird vor den Olympischen Spielen von seiner Vergangenheit eingeholt.

Steve van de Velde wird vor den Olympischen Spielen von seiner Vergangenheit eingeholt.

(Foto: IMAGO/CTK Photo)

Bei den Olympischen Spielen tritt Steven van de Velde im Beachvolleyball an. Das sorgt für harsche Kritik, denn der Niederländer hat vor zehn Jahren eine Zwölfjährige vergewaltigt und wurde dafür verurteilt. Seine Nominierung widerspricht den Leitlinien des IOC und sei moralisch nicht vertretbar, so die Vorwürfe.

Wenn bei den Olympischen Spielen die Beachvolleyballer vor dem Eiffelturm um die Medaillen spielen, wird für die Niederlande das Team Matthew Immers und Steven van de Velde antreten. Und das sorgt für einen riesigen Aufschrei - denn van de Velde ist ein verurteilter Sexualstraftäter.

Vor zehn Jahren reiste er als damals 19-Jähriger ins englische Milton Keynes. Er hatte ein Mädchen bei Facebook kennengelernt, das er besuchte. Sie hatte sich zunächst als 16-Jährige ausgegeben. Dann gab sie zu, gerade einmal zwölf Jahre alt zu sein. Nach einem Kontaktabbruch suchte van de Velde später doch wieder die Freundschaft. Als die Mutter des Mädchens nicht zu Hause war, besuchte er die Engländerin. Er gab ihr Alkohol und vergewaltigte sie dreifach. Im August 2014 gab er die Vergewaltigung zu, 2016 wurde er durch ein englisches Gericht schuldig gesprochen. Verurteilt zu vier Jahren Haft.

Bei der Verkündung des Urteils sagte der britische Richter: "Bevor Sie in dieses Land kamen, trainierten Sie als potenzieller Olympionike. Ihre Hoffnungen, Ihr Land zu vertreten, sind nun ein geplatzter Traum." Doch es wird wohl anders kommen.

Ein Jahr saß van de Velde in England ein, ehe er in die Niederlande überführt wurde - und dort noch einen weiteren Monat im Gefängnis verbrachte. Weil in den Niederlanden der Geschlechtsverkehr mit einer zwölfjährigen Person, anders als in England, nicht automatisch als Vergewaltigung gewertet wird, wurde van de Veldes Haftzeit an die dortige Rechtsprechung angepasst. So war er nach 13 Monaten wieder ein freier Mann.

Van de Velde hatte im Juli 2018 nach seiner Haftentlassung der niederländischen Rundfunkanstalt NOS gesagt: "Ich kann es nicht rückgängig machen, also werde ich die Konsequenzen tragen müssen. Es war der größte Fehler meines Lebens." Er sei ein Teenager gewesen und "versuchte immer noch, die Dinge zu verstehen". Er habe Schwierigkeiten in der damaligen Zeit gehabt.

Strafe verbüßt, er ist frei

Ein wichtiger Bestandteil der Rechtsprechung ist das Recht auf Resozialisierung und Vergessen. Wer seine Strafe verbüßt hat, ist ein freier Mensch und soll so behandelt werden, wie jeder andere auch. Grundsätzlich spricht also nichts dagegen, dass van de Velde an den Olympischen Spielen teilnimmt. Allerdings ist er als Sportler auf internationaler Bühne eine Person der Öffentlichkeit und Berichte über seine Vergangenheit sind legitim.

Und so fegt ein Sturm der Empörung über ihn und den niederländischen Volleyballverband Nevobo hinweg. "Kein Pädophiler oder Kindervergewaltiger sollte eine Nation bei den Olympischen Spielen vertreten. Für die Überlebenden ist es ein Schlag ins Gesicht, wenn einem Vergewaltiger applaudiert wird, als wäre nie etwas passiert", schreibt die Anwältin Charlotte Proudman bei X.

Und dann gibt es ja auch noch die "Erklärung der Rechte und Pflichten von Athleten" des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Diese muss von den Athleten vor der Teilnahme an Olympischen Spielen unterschrieben werden. In dieser steht unter Punkt sieben: "Handele als Vorbild, auch indem du sauberen Sport förderst." Die amerikanisch-britische Rechtsanwältin Ann Olivarius schreibt Bezug nehmend darauf: "Ich würde gerne wissen, wie der niederländische Verband glauben kann, dass Steven van de Velde die siebte Anforderung an Olympiateilnehmer erfüllt."

In England startete eine Frau eine Online-Petition, die den Ausschluss des 29-Jährigen von den Spielen in Paris fordert. Der Survivors Trust, eine britische Dachorganisation, die Hilfe für Opfer von sexuellen Verbrechen koordiniert und fördert, sagte bei Sky News UK: "Die Vergewaltigung eines Kindes war geplant, kalkuliert und beinhaltete internationale Reisen und wird zweifellos ein lebenslanges Trauma bei seinem Opfer hervorrufen und den Verlauf seines Lebens irreversibel verändern." Und weiter: "Die Erlaubnis seiner Kollegen und des Olympischen Komitees, ihn einem jungen Publikum als einen Sportler vorzustellen, zu dem man aufschauen kann, ist zutiefst beunruhigend."

Verband verteidigt van de Velde

Vom Verband und van de Velde gibt es eine Stellungnahme mit dem Titel: "Unterstützung für Steven van de Velde, der erkennt, dass die Vergangenheit nicht ausgelöscht werden kann." Darin teilt der Beachvolleyballer mit: "Ich denke auch zurück an den Teenager, der ich war, der unsicher war, nicht bereit für ein Leben als Spitzensportler und innerlich unglücklich, weil ich nicht wusste, wer ich war und was ich wollte."

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Nevobo-Generaldirektor Michel Everaert verteidigte die Nominierung: "Wir kennen Stevens Geschichte." Man habe sich intensiv mit dem internationalen Volleyballverband und dem niederländischen olympischen Komitee ausgetauscht. "Seit seiner Rückkehr hat er sich als Musterprofi und vorbildlicher Mensch ausgezeichnet." Und auch das Niederländische Olympische Komitee reagierte auf die Kritik und sagte zu BBC Sport: "Nach seiner Freilassung suchte und erhielt van de Velde professionelle Beratung. Er demonstrierte seinen Mitmenschen - privat und beruflich - Selbsterkenntnis und Reflexion."

Privat hat van de Velde sein Glück gefunden, seit 2022 ist er mit der ehemaligen deutschen Beachvolleyballerin Kim Behrens verheiratet, die beiden haben ein Kind. Auch sportlich hat sich van de Velde - anders als vom britischen Richter eingeschätzt - zurückgekämpft, sich das Ticket für Paris verdient. Mit Immers spielt er erst seit 2023 zusammen, die beiden haben schnell als Team zusammengefunden und feiern mit der Olympia-Qualifikation ihren größten Erfolg. Moralisch stellen viele die Teilnahme des Duos wegen van de Veldes Vergangenheit dennoch infrage.

Quelle: ntv.de, ara

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