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Formel 1 im Chaos Piraten gegen die Fia

Es ist schon erstaunlich, was sich gerade in der Formel 1 abspielt. Da droht mit Ferrari das F1-Team schlechthin mit einem Ausstieg aus der Königsklasse, wenig später zieht Renault nach.

Die Front gegen den Motorsportverband Fia ergänzen Toyota und Red Bull, das zwei Teams am Start hat. McLaren-Mercedes signalisiert ebenfalls Unterstützung, scheut sich aber, das Kind beim Namen zu nennen.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass sich die Verlierer der bisherigen Saison zu einem Bund aus Trotz und Starrsinn zusammengeschlossen haben. Jetzt gewinnen sie nicht mehr - und schon werden sie bockig. Geld zu sparen ist doch eine gute Sache. Und mehr Spannung schadet dem Rennsport auch nicht. Aber so einfach ist die Lage nicht. Hinter den zornigen Drohungen steckt wesentlich mehr.

Die Formel 1 im Würgegriff

Es ist ein Konflikt, der schon lange schwebt. Da sind viele alte Rechnungen offen. Im Mittelpunkt stehen zwei Protagonisten, die eine bisher nicht gekannte Machtfülle über die Rennserie ausüben: Der ehemalige Gebrauchtwagenhändler und F1-Guru Bernie Ecclestone sowie der mächtige Fia-Boss Max Mosley. Beide haben bisher immer von der Zerstrittenheit der Teams profitiert. Mit der Gründung der Fota, der Vereinigung aller F1-Teams, im September 2008 haben die beiden erstmals einen mächtigen Gegner bekommen.

Ecclestone hat die Rennstrecken dieser Welt, auf denen die Formel 1 gastiert, mittlerweile bis auf den letzten Cent ausgepresst. Mit Knebelverträgen, die den Strecken fast keine Refinanzierungsmöglichkeiten lassen, werden die Events auf den Klassiker-Strecken wie Magny-Cours oder wohl auch Hockenheim langfristig aus dem F1-Kalender verschwinden. Ecclestone bevorzugt zahlungskräftige Kundschaft aus Asien und den Wüstenstaaten oder Stadtkurse, die mehr Geld einbringen. Erst kürzlich ließ er verlauten, dass es auf lange Sicht möglicherweise gar keine Rennen mehr in Europa geben könne.

Jahrelang aufgebauter Erfolg

Auf der anderen Seite steht Fia-Präsident Max Mosley. Er hält die Teams auf der technischen Seite im Würgegriff. Die Regeländerungen der aktuellen Saison gehen auf seine Kappe. Und für kommende Saison plant er mit der Budgetobergrenze von 40 Millionen Pfund (45 Millionen Euro) und der Zulassung von kleinen Teams, die für den Start auch finanzielle Unterstützung bekommen, eine weitere Revolution, die das Establishment nach hinten werfen dürfte. Denn die Kleinen sind es gewohnt, mit dem Minimum zu operieren. Warum nicht, denkt man erst mal.

Doch kaum ein Sport ist so sehr kommerzialisiert wie die Formel 1. Autokonzerne wie Renault, Toyota, Fiat oder die deutschen Teilnehmer Mercedes und BMW lassen sich ihren Auftritt in der Königsklasse gigantische Budgets kosten. Damit tragen sie den Sport, kaufen sich aber natürlich auch ein Stück Erfolg. Mit 270 Millionen Euro hat sich das Budget von McLaren im Vergleich zu früheren Jahren bereits um 30 Prozent verringert. Ferrari tritt mit einem Haushalt von 255 Millionen Euro an. Und das sind nur die direkten Kosten. Das ist viel Geld, aber nicht ungerecht. Diese Teams haben sich mit vielen Jahren Zugehörigkeit und Erfolgen ihre Vorteile erarbeitet. Die Windkanäle, die Teststrecken oder die Entwicklungsabteilungen - das alles sollen sie jetzt nicht mehr nutzen dürfen?

Planungssicherheit als Ziel

Die bisherigen Favoriten haben jetzt schon ein Problem. Wenn ihnen die Newcomer mit Unterstützung der Fia in der kommenden Saison um die Ohren fahren, dann werden es die Rennsportchefs in ihren Konzernzentralen schwer haben, auch nur eine Million Euro Budget zu rechtfertigen. Das Renommee, das sie sich in den vergangenen Jahrzehnten erfahren haben, wäre innerhalb eines Jahres dahin. Warum sollte ein großer Hersteller weiter mit viel Geld den berühmtesten Rennzirkus der Welt unterstützen, wenn es ein Unternehmen mit äußerst ungewissem Ausgang wird?

Was die Formel-1-Teams wollen ist weder verwerflich noch vermessen. Sie wollen Planungssicherheit für ihre Millionen-Investments. Sie wollen klare Regeln, die nicht jedes Jahr in ihren Grundsätzen verändert werden. Schließlich läuft die Entwicklung der Boliden für die kommende Saison bereits gut ein Jahr vorher. Diese Ansprüche sind mit den aktuellen Plänen der Fia nicht mehr umsetzbar. Und schließlich wollen sie sich nicht von Mosley und Ecclestone jedes Jahr erneut vorführen lassen wie ein Tanzbär.

Piratenserie wird wahrscheinlicher

Deshalb nimmt ein Plan Gestalt an, der noch bis vor kurzem als leere Drohung galt: Die Gründung einer eigenen Rennserie durch die Formel-1-Teams, einer Piratenserie. Spätestens mit der Ausstiegs-Drohung durch Ferrari ist dieses Szenario ganz real. Die Italiener scherzen nicht, da ist sich auch Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug sicher. Der ehemalige Teamchef Eddie Jordan kann die Reaktion aus Maranello ebenfalls verstehen.

Spielen wir das Szenario mal durch. Ferrari unterstützt seit Jahren die hoch defizitäre Rennserie A1GP. Diese hat Verträge mit Rennstrecken auf der ganzen Welt, die für die Veranstalter deutlich billiger sind als die Knebelverträge von Ecclestone. Sie hat die Logistik, funktionierende HD-TV-Verträge in 160 Ländern und mit Michelin einen renommierten Reifenpartner, der sich über eine erneute Zusammenarbeit sicher freuen würde. Wie "Motorsport-Total" erfahren haben will, arbeitet Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo mit Hochdruck daran, diese Idee Wirklichkeit werden zu lassen.

Pläne sind realistisch

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die anderen Rennställe mitmachen würden. Renault hat ebenfalls einen Ausstieg beschlossen, wenn die Regeln für die kommende Saison umgesetzt werden. Renault-Teamchef Flavio Briatore ist sich sicher, dass auch BMW dabei wäre. Toyota lässt ebenfalls keinen Zweifel daran aussteigen zu wollen wie Red Bull mit seinen zwei Teams. McLaren-Mercedes wäre sicherlich auch dabei. Blieben BrawnGP, Williams und Force India. Diese bekommen aber ihre Motoren von Mercedes und Toyota. Wenn diese gehen, dann sicherlich komplett. Was dann von der Formel 1 übrig bliebe, wäre ein Scherbenhaufen.

Es wird spannend in den nächsten Tagen. Die Zukunft der Königsklasse stand noch nie so sehr auf der Kippe wie jetzt. Selbst Bernie Ecclestone scheint die Gefahr zu erkennen. "Der Schlüssel zur Formel 1 ist Ferrari", sagt der Brite und dringt auf einen Kompromiss. Bis zum 29. Mai müssen sich die Teams für die kommende Saison einschreiben. Am 24. Mai wird in Monte Carlo gefahren. Bis dahin müssten sich die Kampfhähne schon zusammenraufen. Noch hofft Toyota-Teamchef Howett auf die "Rückkehr der Vernunft". In den nächsten Tagen wird sich zeigen ob diese zurückkehrt oder die Piraten die Formel 1 kapern.

Quelle: ntv.de

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