Rekord-Rookie verblüfft NFL Quarterback-Sensation Stroud entkommt der Hölle
22.11.2023, 20:51 Uhr
(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)
C.J. Stroud ist eine der großen Entdeckungen dieser NFL-Saison und der Grund für den Aufschwung der Houston Texans. Doch neben seiner sportlichen Glanz-Seite hat der Quarterback viele dunkle, private Jahre erlebt - ohne Vater und in Armut.
Es gibt in dieser Saison nur einen Quarterback, der in einem Spiel 470 Passing Yards geworfen hat. Und als wäre das nicht schon herausragend genug, ist dieser Quarterback auch der Einzige, der in dieser Saison in einem Spiel - und zwar im selben - fünf Touchdowns erzielt hat. Dabei ist dieser Quarterback ein Neuling und hat gerade mal zehn NFL-Partien absolviert. Sein Name: C.J. Stroud.
Der Spielmacher der Houston Texans ist eine der Entdeckungen der bisherigen Saison - und mit seinen Leistungen wiederum der Grund dafür, dass die Texans so überraschend stark sind. Vergangenes Jahr hatte Houston nur drei seiner 17 Spiele gewonnen. Jetzt stecken die Texaner mit einer Bilanz von 6:4-Siegen nach zehn Partien mitten im Playoff-Rennen.
Bereits drei Quarterback-Rookie-Rekorde
Dieser Coleridge Bernard "C. J." Stroud IV ist zwar erst seit knapp zweieinhalb Monaten in der Liga, doch Stroud hat bereits erste, deutliche Spuren hinterlassen. Seine 192 Pass-Versuche ohne Interception zu Saisonbeginn beispielsweise sind ebenso ein NFL-Rookie-Rekord, wie die erwähnten 470 Passing-Yards und fünf Touchdowns am 5. November beim 39:37-Sieg gegen die Tampa Bay Buccaneers. "Machst du Witze, C.J. Stroud?", fragte anschließend "NBC Sports".
In einer packenden Partie hatte der Playmaker sechs Sekunden vor Spielende Wide Receiver Tank Dell mit einem Pass über 15 Yards zum Sieg bringenden Touchdown bedient. Kurz zuvor hatten die Gäste noch gejubelt, als ihnen in der Schlussminute ein Touchdown zur 37:33-Führung gelungen war und nur noch 46 Sekunden auf der Spieluhr standen. Doch Stroud brauchte nur 40 Sekunden, um sein Team mit fünf akkuraten Pässen 75 Yards übers Feld zu führen, sowie den Angriff - und somit auch das Spiel - erfolgreich abzuschließen.
Zeitweise als möglicher MVP-Kandidat gehandelt
Er sei "wohl die erfreulichste Story dieser NFL-Saison", schrieb anschließend "sports.yahoo.com". Nach seiner historischen Leistung fiel sein Name sogar - allerdings auch in Ermangelung eines klaren Favoriten - als möglicher Saison-MVP. Allerdings, so schnell geht das mitunter in dieser Liga, ist nichts so alt wie die Statistik des vergangenen Spiels, oder im Fall von Stroud, des Spiels von vor zwei Wochen.
Denn beim 21:16-Heimsieg am Sonntag gegen die Arizona Cardinals warf der 22-Jährige zwar seine Touchdowns Nummer 16 und 17 - allerdings auch drei Interceptions. Es lag diesmal nicht an seinen starken Pässen, dass Houston das dritte Spiel nacheinander gewann, sondern an der guten Abwehr. Denn keine der Interceptions resultierte in Punkte für die Gäste.
Vergleich mit NBA-Superstar Steph Curry
Andere Quarterback-Rookies wären nach solch einer Leistung womöglich etwas verunsichert gewesen. Stroud hingegen griff ins höchste Regal und verglich sich mit dem wohl besten Distanz-Schützen der Basketball-Liga NBA. "Steph Curry hört niemals auf, zu werfen. Und ich werde es genauso wenig machen", meinte er auf der Vereinshomepage.
Ende April hatten die Texans den 1,91 Meter großen und 99 Kilogramm schweren Kalifornier bei der Draft an zweiter Stelle gezogen. Neu-Trainer DeMeco Ryans wollte im zunächst Sommer lange warten, bis er seinen Starting Quarterback bekannt geben würde. Stroud und die Nummer eins der Vorsaison, Davis Mills, sollten um den Posten kämpfen. Doch schon bald merkte Ryans, wie die älteren Spieler Neuling Stroud folgten. Da war die Entscheidung gefallen - und niemand in Houston hat sie bereut.
Kein Rookie, sondern "ein glänzender Quarterback"
In den bisherigen zehn Spielen hat Stroud Pässe für einen Raumgewinn von 2962 Yards geworfen. Bessere Werte hatten in der NFL-Geschichte in ihrem ersten Jahr nur Andrew Luck (2965), Justin Herbert (3015) und Patrick Mahomes (3185). "C.J. Stroud sieht meiner Meinung nach nicht wie ein Rookie aus, sondern wie ein glänzender Quarterback. Hut ab, sehr beeindruckend", sagt Tampa Bay-Quarterback Baker Mayfield.
Als die Texans mit zwei Niederlagen in die Saison gestartet waren, störte das in der Ölmetropole am Golf von Mexiko niemanden so recht. Denn die Erwartungen waren ohnehin äußerst gering. Vier Trainer hatte Houston in den vorangegangenen drei Spielzeiten verschlissen - und trotzdem nur elf von 50 Spielen gewonnen.
Erster Sieg und erster Wow-Moment
Am dritten Spieltag gelang dann der erste Sieg. Es war ein ziemlich überraschender 37:17-Erfolg bei den Jacksonville Jaguars - und es war der erste Wow-Moment von Stroud. Er warf den Football 53 Yards Richtung Jaguars-Endzone. Der einzige Mitspieler dort war Wide Receiver Tank Dell, allerdings umgeben von drei Verteidigern. Doch Strouds Pass war so präzise, dass die Abwehrspieler keine Chance hatten, an den Ball heranzukommen und Dell wiederum mit seinen fangbereiten Händen nur zupacken musste.
"Ich kann das immer noch nicht glauben", sagt Dell selbst heute noch. Alle Wide Receiver der Texans hätten mittlerweile gelernt, betont Dell, dass sie bei Strouds Würfen die Flugkurve des Footballs nicht verfolgen müssten, da dieser nahezu immer genau in ihre Arme falle.
Lebenslange Haft für den Vater
Selbst wenn die Pass Rusher auf ihn zustürmen und die Räume, in die er den Football werfen kann, nur wenige Zentimeter groß sind, behält Stroud die Ruhe und somit seine Präzision. "Diese Würfe im Training zu bringen, ist eine Sache. Aber im Spiel. Jeden Pass. Immer und immer wieder. Sowas habe ich von einem Rookie noch nie gesehen", sagt Tight End Dalton Schultz. "Jede Woche hat er einen Wurf, der mein neuer Favorit ist", ergänzt Case Keenum. Er ist zwar nur noch der Quarterback-Ersatzmann des Ersatzmannes, aber hat in seinen mittlerweile zehn Liga-Jahren schon so ziemlich alles auf seiner Position gesehen.
So glanzvoll die sportliche Seite von C.J. Stroud ist, so traurig war seine private. Die meisten seiner 22 Jahre, zumindest die, an die er sich erinnern kann, hat er ohne Vater verbracht. Als C.J. 13 Jahre alt war, kam Coleridge Stroud III ins Gefängnis. Er hatte sich der Autoentführung, des Kidnappings, Raubes und sexueller Nötigung für schuldig bekannt. Und er war Wiederholungstäter. Die Taten lagen zwar Jahrzehnte zurück - doch die Vergangenheit hatte ihn 2014 eingeholt. Das Urteil: 38 Jahre bis Lebenslänglich.
Wenig Geld, kleine Wohnung, wütender Sohn
Der Vater weg - und somit auch der Brotverdiener der Familie. Geld war immer knapp, die Wohnung, in einem Vorort von Los Angeles, in der Mutter Kimberly ihre vier Kinder alleine aufziehen musste, viel zu klein für fünf Personen - und C.J. wütend auf "Pops", wie er seinen Vater immer nannte.
Er hatte ihm einst beigebracht, wie man einen Football richtig wirft. So, dass er sich mit einer Spiralbewegung durch die Luft dreht. Er war immer derjenige gewesen, der die Bälle seines Sohnes fing. Derjenige, der ihn lobte, ihm High Fives und positives Feedback gab, so dass C.J. noch mehr Footbälle werfen wollte.
Viele Jahre kein Kontakt zum Vater
Doch als Stroud Senior ins Gefängnis kam, hatten beide keinen Kontakt mehr. Sechs Jahre lang hatte der Sohn sämtliche Anrufe des Vaters ignoriert. Coleridge III ist einer von rund 2500 Häftlingen im Folsom State Prison, knapp zwei Autostunden nordöstlich von San Francisco. Das Online-Portal "The Athletic" hatte kürzlich ausführlich darüber geschrieben.
"Ich bin durch die Hölle gegangen - und zurück", hatte C.J. Stroud einst zu College-Zeiten gesagt. Doch jene Jahre hätten ihn auch gelehrt, "zu kratzen und zu beißen." Mittlerweile hat er seinem Vater verziehen, beiden telefonieren regelmäßig. Coleridge Stroud III verfolgt alle Spiele im Fernsehen, gelte, sagt C.J., aufgrund seines Sohnes mittlerweile als eine Art Berühmtheit und habe alle Insassen seines Zellenblocks zu Texans-Fans werden lassen.
Dank einer App auf seinem Telefon kann der Vater Fotos und Videos von C.J. empfangen und so die erste NFL-Saison seines Sohnes etwas näher verfolgen. Das Verhältnis der beiden sei mittlerweile wieder "wie früher", betont C.J. Er hat sich seinen größten Traum, es mal in die NFL zu schaffen, erfüllt. Doch er hat noch einen zweiten: dass sein Vater vorzeitig entlassen wird und ihn live spielen sehen kann. Dafür, so C.J. Stroud, bete er.
Quelle: ntv.de