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US-Open-Finale gegen Osaka Superheldin Serena - auch im Tennis-Tutu

Williams trägt in New York ein Tutu mit Botschaft.

Williams trägt in New York ein Tutu mit Botschaft.

(Foto: imago/Hasenkopf)

Serena Williams ist zurück in der Weltspitze. Der Auftritt bei den US Open ist eine Demonstration ihrer Stärke und eine Absage an das antiquierte Frauenbild im Tennissport. Im Finale trifft sie mit Naomi Osaka auf ihre potentielle Nachfolgerin.

Wenn es nicht ausgerechnet Serena Williams wäre, die an diesem Abend (22 Uhr/Eurosport) ihr neuntes Finale bei den US Open bestreitet, dann hätte der Veranstalter wohl spätestens jetzt ein Problem. Es könnte passieren, dass der ein oder andere Zuschauer sich irgendwann fragt, warum er bis zu 2200 US-Dollar für ein Tennismatch ausgeben soll, bei dem sowieso vorher feststeht, wer gewinnt. Nämlich meistens Williams. Was im Sport, der von Spannung und vom Überraschungsmoment lebt, ganz schön langweilig sein kann. Trotzdem müssen die Organisatoren nicht befürchten, dass auch nur einer der 22.547 Zuschauerplätze im Arthur Ashe Stadium an diesem Abend leer bleibt. Wegen Williams, aber auch wegen ihrer Gegnerin aus Japan, der 20 Jahre jungen Naomi Osaka.

Es wird wohl Zuschauer geben, die sich von diesem ungewöhnlichen Aufeinandertreffen der erfolgreichsten Spielerin aller Zeiten und der Debütantin ein richtig gutes Match erhoffen. Allerdings gibt es eine Sache, die das New Yorker Publikum noch ein bisschen mehr liebt als game, set and match. Und das ist richtig gute Unterhaltung. Die dürfte, anders als die sportliche Spannung, an diesem Abend garantiert sein.

Gerade mal bei 50,60 Prozent

Da steht auf der einen Seite Williams, 23-fache Grand-Slam-Siegerin, die sechs ihrer Titel in New York gewonnen und zwei weitere Male ein Finale bestritten hat. Deren Masterplan ihres Comebacks wenige Tage nach dem einjährigen Lebensjubiläum ihrer kleinen Tochter Olympia voll aufzugehen scheint. Obwohl sie von sich selbst sagt, sie sei doch gerade einmal bei 50, 60 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit. Wie auch immer - es hat jedenfalls gereicht, um in das 31. Grand-Slam-Endspiel ihrer Karriere einzuziehen. Die US-Amerikanerin hat nach der Babypause beeindruckend schnell den Weg zurück in die Weltspitze gefunden. Ob das an der schwächelnden Konkurrenz im Frauentennis oder an ihrer Qualität liegt?

Selbstverständlich ist ein derart beeindruckendes Comeback mit 36 Jahren in keinem Fall. Zur sportlichen Herausforderung, in ihrem Alter den Anschluss an die Topspielerinnen wiederzufinden, kamen massive gesundheitliche Probleme. Wortwörtlich ging es bei ihr im vergangenen Jahr um Leben und Tod, nachdem ein Blutgerinnsel im Bauch sie nach der Geburt in Lebensgefahr gebracht hatte. Dass sie darüber ähnlich offen spricht wie wenn sie über ihre neue Modelinie plaudert, ist Teil der extrovertierten Persönlichkeit. Sie selbst hat dafür gesorgt, dass kaum jemand in New York ihre Geschichte nicht kennt. Williams ist Tennisspielerin, aber auch Unternehmerin, weiß sich perfekt zu vermarkten. Es gibt keine andere Frau im Tennis, vielleicht sogar im Sport generell, die derart authentisch ihre eigene Agenda mit gesellschaftspolitischen Anliegen verknüpft.

Es gibt wenig, was das so deutlich macht wie die Wahl ihres Outfits für die US Open. Williams trägt in diesen Tagen eine Wolke aus wahlweise schwarzem oder fliederfarbenen Tüll, entworfen von einem der angesagtesten Designer der Szene: Virgil Abloh, kreatives Mastermind hinter dem Label Off-White. Williams im Tutu - das kann nur als feministisch ironische Antwort auf das antiquierte Frauenbild verstanden werden, das im Tennissport noch immer vorherrscht. Einem Sport, in dem ältere Herren mit Halbglatze und Bauchansatz entscheiden, was den strengen Richtlinien der "Arbeitskleidung" auf dem Platz entspricht. Ein Catsuit tut das jedenfalls nicht. Kein Problem für Williams, die in Paris künftig Strumpfhosen tragen und ohnehin nicht als modische Wiederholungstäterin gelten will. "Du kannst einer Superheldin den Anzug wegnehmen, aber nicht ihre Superkräfte", hatte ihr Ausrüster in einer Anzeige PR-wirksam angekündigt.

Osaka wird es schwer haben

Innerhalb der vergangenen zwei Wochen ist deutlich geworden, dass Williams' Sportbekleidung ohnehin keinen Einfluss auf ihre Leistung hat. Auf dem Weg ins Finale gab es für sie keine ernstzunehmende Konkurrenz. Der Sister Act mit Schwester Venus? Genauso eine klare Angelegenheit wie das Viertelfinale gegen die Weltranglisten-Achte, die Tschechin Karolina Pliskova.

All das macht es für Osaka nicht unbedingt leichter, an diesem Abend gegen Williams zu bestehen. Zumal die Gefahr besteht, dass die Überraschungsfinalistin vom Aufeinandertreffen mit ihrem Idol ein bisschen überwältigt sein wird. Sie habe die US-Amerikanerin einmal in der Umkleide getroffen, hatte Osaka kürzlich erzählt. Vor lauter Aufregung habe sie nicht gewusst, was sie sagen solle und lieber so getan, als hätte sie Williams nicht gesehen. Das wird im Arthur Ashe Stadium nicht möglich sein.

Verstecken braucht sich die Spielerin ohnehin nicht: Ihr Vorbild hat sie schon geschlagen, im März in Miami. Da allerdings hatte Williams noch gestillt. Die Situation sei eine vollkommen andere, kündigte die US-Amerikanerin auf der Pressekonferenz an. Das ist auch als Ansage an die Fachleute zu verstehen, die in der Japanerin bereits die potentielle Nachfolgerin von Williams sehen.

Von ungefähr kommt der Erfolg Osakas bei den US Open tatsächlich nicht: Sie hat vor Kurzem das bedeutsame Turnier von Indian Wells gewonnen. Ihr Spiel gleicht dem des Superstars: präziser Aufschlag und knallharte Grundlinienschläge. Was wohl daran liegt, dass ihr Vater Leonard Francois sich das Training für seine Töchter Naomi und Mari von Richard Williams abgeschaut hat, der seine Kinder seit dem frühen Alter zu Tennisstars geformt hat. Auch das ist eine Story, die das New Yorker Publikum lieben wird.

Quelle: ntv.de

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