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Furys Sieg ist ein Box-Gemetzel "Das war grauenhaft, einseitig, überflüssig"

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Tyson Fury gibt seinem chancenlosen Herausforder Dereck Chisora ein Küsschen.

(Foto: Action Images via Reuters)

Tyson Fury ist nach seinem Rücktritt zurück im Ring. Die große Show liefert der Exzentriker vor und nach dem Kampf, im Ring wird er dagegen von seinem Kontrahenten Dereck Chisora nicht gefordert. Fury hat ohnehin bereits Größeres im Sinn und macht das deutlich.

Was für eine Show vor dem Kampf. Was für eine Show nach dem Kampf. Und dazwischen ein Fight, den die Welt nicht gebraucht hat. In einem einseitigen, das Wort ist fast zu schwach für das Erlebte, Duell vermöbelte Tyson Fury seinen britischen Landsmann Dereck Chisora. Der 34-jährige Exzentriker gewann im mit 60.000 Besuchern ausverkauften Fußballstadion von Tottenham Hotspur durch Technischen K. o. in der zehnten Runde. Viel zu spät, wie ntv-Box-Experte Andreas von Thien urteilt. "Man hätte das Handtuch schon viel früher werfen müssen. Die ständigen Schläge auf die Glocke, was das für böse Folgen haben kann."

"Ich habe mich gut gefühlt, brauchte allerdings einige Runden, denn ich habe seit April nicht mehr geboxt", sagte Fury nach dem er seinen WM-Gürtel im Schwergewicht erfolgreich verteidigt hatte. "Ich konnte ein paar richtig gute Punches landen. Es war ein Vergnügen, heute in den Ring zu steigen." Dieses Vergnügen der boxenden Ausnahmeerscheinung spürte von Thien beim Zuschauen weniger. "Das war grauenhaft, einseitig, überflüssig. Ein Gemetzel, eine Prügelstrafe für Chisora. Eine Trainingseinheit gegen einen lebenden Sandsack für Fury." Der, so wirkte es, hätte seinen Gegner auch mühelos niederstrecken können, verzichtete aber offenbar auf die ultimative Demütigung.

25 Millionen Euro und mehr für Fury

Fury ist in 34 Profikämpfen unbesiegt, 24 davon gewann er vorzeitig. Rund 25 Millionen Euro soll er für den Sieg kassieren. Hinzu kommen Einnahmen aus den Fernseherlösen. Chisora musste im 46. Kampf die 13. Niederlage hinnehmen. Von den jüngsten fünf Auseinandersetzungen hat er nunmehr vier verloren.

Fury, der sich selbst den Spitznamen "Gypsy King" verpasst hat, hatte im dritten Aufeinandertreffen mit seinem 38 Jahre alten Kontrahenten wie erwartet wenig Mühe und tat selten mehr als nötig. Mit seiner so gigantischen Reichweite setzte der 19 Zentimeter größere Fury seinen Rivalen unter Druck und spielte als technisch besserer Boxer seine Überlegenheit gnadenlos aus. Zwei-, dreimal pro Runde stellte er Chisora in der Ecke und landete ein paar Schläge, danach ging es meist zügig in den sicheren Clinch. In Runde zehn folgte schließlich der Abbruch - Chisora, der in den ersten Minuten versucht hatte, in den Nahkampf zu kommen, war nicht mehr in der Lage sich zu verteidigen.

Niemand übernimmt Verantwortung

Der 38-Jährige wankte und wankte, aber er fiel nicht. Dieses bizarre Schauspiel war für von Thien nur schwer zu ertragen. "Klar, beim Boxen denkst du immer an den entscheidenden Schlag, aber das ist gefährlich. Wenn du siehst, wie Chisora aussah, das ganze Gesicht zerbeult, mein Gott, dass da niemand die Verantwortung übernommen hat, das kann ich nicht verstehen."

So bitter die Szenen im Ring waren, so spektakulär ging es vor und nach dem Kampf zu. Fury hatte die Fans mit einer beeindruckenden Show auf seine Seite gezogen. Mit dem Fußball-Klassiker "It's coming home" brachte er das ganze Stadion schon früh in beste Stimmung. Fury gab den Animateur, die Zuschauer folgten ihm. Und als er nach dem Duell noch den anwesenden Ukrainer Oleksandr Ussyk zum Ring zitierte und ihn mit wilden Tiraden zum Vereinigungskampf aufforderte, tobte die Arena erneut.

"Ich habe schon einen Ukrainer erledigt"

"Lasst es uns angehen, Schlampe. Ich werde Dich fertigmachen. Du wirst nichts dagegen tun können, Du kleine Wurst", pöbelte der Brite. "Du kleiner Bodybuilding-Zwerg. Ich habe schon einen Ukrainer erledigt, Wladimir Klitschko, lass es uns angehen", rief Fury weiter. Der Ukrainer, der die Gürtel der Verbände WBA, IBF und WBO hält, ließ das verbale Feuerwerk mit leichtem Lächeln über sich ergehen. Ein Termin im Dezember war von Usyk-Seite abgesagt worden, dafür sprang Chisora ein, nun wird der Fight für 2023 angestrebt. Sollte der Kampf gegen Usyk doch nicht zustande kommen, hat Fury wieder einen Plan B. Es würde gegen den noch unbesiegten Briten Joe Joyce gehen, diesmal offenbar wirklich. Aber Usyk bleibt das Ziel. Es wäre ein Giganten-Duell.

Das wäre ein Kampf, auf den sich auch der Box-Experte von Thien freut. "Da wird Fury deutlich mehr zeigen müssen, da wird er auf jeden Fall richtig gefordert werden." Wie wenig das an diesem Samstagabend der Fall war, zeigt ein Video, das nach dem Duell veröffentlicht worden war. Fury schlendert in Badelatschen in die Kabine seines übel zugerichteten Kontrahenten. Kaum etwas in seinem Gesicht deutet darauf hin, dass er zuvor gekämpft hatte. Die Beiden, die früher mal befreundet waren und sich lange in gepflegter Abneigung begegneten, plauderten lässig, scherzten und aßen gemeinsam Burger.

(Dieser Artikel wurde am Sonntag, 04. Dezember 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de, tno

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