Fahnder finden Beweise Ullrich zu Gast bei Fuentes
17.10.2009, 13:04 Uhr
Jan Ullrich besteht weiterhin darauf, nie gedopt zu haben.
(Foto: AP)
Nach Ermittlungen des Bundeskriminalamts war der frühere Radprofi Jan Ullrich von 2003 bis 2006 insgesamt 24-mal zu Behandlungen beim spanischen Doping-Arzt Eufemiano Fuentes. Dies berichtet das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Die Beweise dafür fanden BKA-Fahnder der Einsatzgruppe Doping bei einer Razzia in der Wohnung des früheren Ullrich-Betreuers Rudy Pevenage auf einem Computer.
Pevenage gestand bei einer Vernehmung, dass Ullrich und Fuentes sich in dieser Zeit jährlich "fünf- bis sechsmal pro Jahr " getroffen hätten. Von Blutbehandlungen bei Ullrich habe er "jedoch keine Kenntnis" gehabt. Vielmehr sei er von Ullrich wegen dessen "Übergewichtsproblemen" gebeten worden, den Kontakt zu Fuentes herzustellen.
Laut Spiegel soll der Tour-de-France-Sieger von 1997 zwischen Februar 2005 und Mai 2006 achtmal nach Madrid geflogen sein. Nach Recherchen des Magazins wurden diese Flüge von Pevenage organisiert, der Ullrich beim Team T-Mobile betreut hatte. Pevenage selbst war nach Spiegel-Angaben in der Zeit zwischen Dezember 2003 und April 2006 insgesamt 15-mal zu Kurzaufenthalten nach Madrid geflogen. Er traf sich dort nach Überzeugung der Fahnder mit Mitgliedern des spanischen Dopingnetzwerkes.
Pevenage wollte Spuren tilgen
Auf der Festplatte des Computers von Pevenage hatten Techniker Daten rekonstruiert, die gelöscht waren. Dies sagen bisher geheime Akten der Bonner Staatsanwaltschaft - insgesamt 2219 Seiten - aus. Die Bonner Behörde hatte gegen Ullrich seit Sommer 2006 wegen Verdachts des Betrugs ermittelt und stellte das Verfahren im Frühjahr 2008 nach Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 250.000 Euro ein.
"Zusammenfassend kann festgehalten werden", heißt es in der Akte, "dass der Beschuldigte Ullrich das Dopingsystem des spanischen Arztes Dr. Fuentes nutzte, um sich vertragswidrig mit leistungssteigernden Mitteln und Methoden auf seine Wettkämpfe vorzubereiten."
Ullrich äußerte sich bei der Staatsanwaltschaft zu den Vorwürfen nicht. Er bestritt stets, jemals gedopt zu haben. Bei Überprüfungen seiner Konten stießen die Ermittler nach Spiegel-Angaben auf zwei Zahlungen an Fuentes in Höhe von insgesamt 80.000 Euro.
Ermittlungen gegen Fuentes verzögern sich
Die Operacion Puerto wird wohl endgültig im Sande verlaufen. Laut spanischen Medienberichten zieht sich der Prozess gegen die Hintermänner des Skandals um den spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes bis mindestens 2011 hin. Erst danach könnten die Sportgerichte Einsicht in die Akten erhalten und mögliche Sanktionen gegen Athleten aussprechen.
Der Radsport-Weltverband UCI und die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) reagierten mit Unverständnis. "Es sind einige spanische Fahrer involviert und offensichtlich will die Justiz warten, bis deren Karriere vorbei ist. Das ist skandalös, aber wir können nichts dagegen machen", sagte UCI-Präsident Pat McQuaid dem Internetportal Cyclingnews, und WADA-Generalsekretär David Howman ergänzte: "Wir sind sehr frustriert, dass die Mühlen der Justiz in Spanien so langsam laufen."
Großes Interesse an einer Aufklärung des Skandals besteht in Spanien ohnehin nicht. Bereits zweimal hatte Untersuchungsrichter Antonio Serrano wegen nicht ausreichender Anhaltspunkte den Prozess eingestellt. Im Januar dieses Jahres ordnete ein Gericht die Wiederaufnahme an. Daraufhin wurde Anklage gegen die Ärzte Fuentes, dessen Ehefrau Yolanda, Jose Luis Merino Batres und Alfredo Cordova sowie die Sportdirektoren Manolo Saiz, Vicente Belda, Alberto Leon und Jose Ignacio Labarta erhoben. Die Justiz lehnte wiederholt eine Akteneinsicht von Seiten der WADA, UCI oder des spanischen Radsport-Verbandes RFEC ab.
50 Radprofis unter Verdacht
Bei der "Operacion Puerto" der spanischen Polizei im Zuge der Dopingbekämpfung waren 2006 mehr als 200 Blutbeutel bei Fuentes und Batres beschlagnahmt worden. Wenigstens 50 Radprofis, darunter der zurückgetretene Jan Ullrich, der Ansbacher Jörg Jaksche und Ex-Girosieger Ivan Basso (Italien) wurden in den Akten erwähnt. Während Basso und Jaksche geständig waren, bestreitet Ullrich weiter alle Vorwürfe, obwohl gefundene Blutbeutel ihm zweifelsfrei zugeschrieben werden konnten.
Auch Vuelta-Sieger Alejandro Valverde gilt als mutmaßlicher Fuentes-Kunde. Das Nationale Olympische Komitee von Italien CONI hatte mittels eines DNA-Abgleichs Blutbeutel aus dem Bestand von Fuentes dem Spanier zugeordnet und daraufhin für zwei Jahre für Rennen in Italien gesperrt. Valverde kämpft vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS gegen das Strafmaß an. Im November soll eine Entscheidung fallen. Noch in diesem Jahr soll vor dem CAS auch über eine mögliche weltweite Sperre entschieden werden.
Quelle: ntv.de, sid