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Marathon und Sensation Was für ein legendärer Tennistag

Dominic Thiem und Diego Schwarzmann lieferten das bisher mitreißendste Match der diesjährigen French Open ab,.

Dominic Thiem und Diego Schwarzmann lieferten das bisher mitreißendste Match der diesjährigen French Open ab,.

(Foto: imago images/Paul Zimmer)

Die French Open produzieren viele unschöne Bilder: Ständiger Nieselregen und feuchte Kälte nervt die Spieler, die leeren Riesenarenen die Verantwortlichen, Corona alle. Aber das Grand-Slam-Turnier sorgt auch für tolle Geschichten.

Ein außergewöhnlicher Tennistag bei den French Open ging dann doch noch ziemlich gewöhnlich zu Ende, weit nach Mitternacht allerdings: Rafael Nadal, die spanische Sandplatzmaschine, gewann sein Viertelfinale gegen Jannik Sinner in drei Sätzen. Für den Spanier war es der 98. Sieg im 100. Match auf dem Sand von Roland Garros, zwölfmal hat er das Grand-Slam-Turnier schon gewonnen: von 2005 bis 2008 viermal in Folge, zwischen 2010 und 2014 sogar fünfmal hintereinander. Auch die letzten drei Auflagen gingen an den 34-Jährigen. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass die Serie weitergeht. Dass Nadal streng genommen den Tag von Paris nicht beendet hatte, sondern einen neuen eröffnete, hat viel mit dem zu tun, was sich vorher auf der Anlage abgespielt hatte.

Nadal und der 19-jährige Sinner, der im Achtelfinale Alexander Zverev bezwungen hatte, durften ihr Match erst um 22.30 Uhr beginnen. Dominic Thiem, auch ein Zverev-Bezwinger, wenn auch im Finale der vor dem Turnier zu Ende gegangenen US Open, lag da vermutlich in seinem Hotelzimmer oder war noch in den Händen eines Physiotherapeuten, der den Weltranglisten-Dritten wiederherstellen musste. Der Arbeitstag des Österreichers war lang, hart und endete enttäuschend: "Es war eine richtige Achterbahnfahrt. Natürlich fühle ich mich jetzt schlecht und leer, aber ich habe mir wenig vorzuwerfen", sagte Thiem nach einem epischen Match.

Sein Gegner Diego Schwarzmann verwandelte nach exakt 5 Stunden und 8 Minuten erbittertem Kampf seinen ersten Matchball. Thiem hatten im Tiebreak des vierten Satzes nur zwei Punkte zum Sieg gefehlt, am Ende stand er mit leeren Händen da. Trotz der Enttäuschung gratulierte Thiem am Netz seinem nur 1,70 Meter großen Gegner herzlich und fair. "Ich freue mich für ihn. Gegen einen Freund zu verlieren, tut ein bisschen weniger weh", sagte Thiem. Es bleibt die Gewissheit, einen großen Teil zum wohl hochklassigsten Match des gesamten Turniers beigetragen zu haben. Und es hätte ja auch schlimmer kommen können, wie die erste Runde des Turniers gezeigt hatte. Da produzierten die Weltranglisten-Hinterbänkler Corentin Moutet und Lorenzo Giustino mit 6 Stunden und 5 Minuten das längste French-Open-Match seit Beginn der Open Era (1968) - ab da durften Tennis-Profis an den großen Turnieren teilnehmen -, am Ende gewann Giustino 0:6, 7:6, 7:6, 2:6, 18:16.

Damenkonkurrenz macht sprachlos

In der Damenkonkurrenz sorgte derweil die Fortsetzung, ja, die Zuspitzung einer verrückten Turnier-Dramaturgie für Sprachlosigkeit. Beinahe zumindest. Nadia Podoroska entschuldigte sich nach ihrem 6:2, 6:4 gegen die Ukrainerin Elina Switolina erst mal verlegen, ihr Englisch sei nicht so gut. Dass die Argentinierin mal nach einem Grand-Slam-Viertelfinale im gewaltigen, 15.000 Zuschauer fassenden aber natürlich pandemiebedingt weitgehend leeren Tennisstadion Court Philippe Chatrier zu einem Siegerinterview würde antreten müssen, damit war ja nun auch wirklich nicht zu rechnen.

Podoroska ist die 131. der Weltrangliste - und seit gestern die erste Qualifikantin, die es bis ins Halbfinale des Grand-Slam-Turniers geschafft hat. Gegen die Weltranglistenfünfte Switolina, in Paris an Position drei gesetzt, dominierte sie von Beginn an - und verschaffte den wettergeplagten Veranstaltern mit einem glatten Sieg ein kleines Polster im Zeitplan. Das wiederum brauchten Thiem und Schwarzmann unmittelbar im Anschluss schnell wieder auf.

Mit ihrem Halbfinaleinzug hat Podoroska nun in den Tagen von Paris schon 503.478 US-Dollar (425.250 Euro) verdient - und damit beinahe doppelt so viel, wie in ihrer bisherigen Karriere insgesamt. Die Buchhaltung der 23-Jährigen wird sich jedenfalls wundern, wenn das Geld aus Frankreich eintrudelt: Zuletzt hatten die Veranstalter des ITF-Turniers im französischen Saint-Malo für ihren Sieg rund 9000 Dollar überwiesen, aus Palermo waren im August 2300 Dollar eingetrudelt, die 672 Dollar für eine Viertelfinalteilnahme in Irapuato, Mexiko dürften kaum die Reisekosten gedeckt haben. Höchstens, wenn man sie zu den 3400 Dollar addiert, die Podoroska bei zwei weiteren Kleinturnieren in Mexiko in den Wochen vorher verdient hatte.

Siegemund kann Geschichte nicht weiterschreiben

Der Pariser Geldregen, die für die Tennisprofis deutlich angenehmere Variante des zuletzt auf der Anlage allgegenwärtigen Pariser Nieselregens, geht bei den Damen auf eine ganze Reihe Spielerinnen nieder, die vor dem Turnier wohl eher mit einer kalten Dusche gerechnet hatten. Podoroskas Gegnerin im Halbfinale ist die Polin Iga Swiatek, immerhin die Nummer 54 der Weltrangliste. Die 19-Jährige hatte die Qualifikantin Martina Trevisan locker abgefertigt. Die Italienerin hatte zuvor noch kein Match bei einem Grand-Slam-Turnier gewonnen, hatte es überhaupt erst einmal ins Hauptfeld geschafft. Nun nimmt sie 335.652 Dollar mit nach Hause.

Während bei den Männern wohl erwartungsgemäß die bisher problemlos durch das Turnier marschierenden Superstars Novak Djokovic und Rafael Nadal - Nummer eins und zwei der Weltrangliste - das Endspiel bestreiten werden, wird bei den Damen also entweder eine Qualifikantin oder mindestens eine Ungesetzte im Finale stehen.

Die Favoritinnen haben sich längst verabschiedet: Serena Williams musste ihre Jagd auf den 24. Grand-Slam-Titel ihrer Laufbahn verletzungsbedingt schon nach der ersten Runde abbrechen, die Weltranglistenerste Simona Halep wurde von Swiatek im Achtelfinale schlimm vermöbelt. Eine von zwei noch im Turnier verbliebenen gesetzten Spielerinnen ist damit die Tschechin Petra Kvitova. Die bekam es heute mit Laura Siegemund zu tun, die - natürlich - völlig unerwartet ins Viertelfinale eingezogen ist und vorher in ihrer Karriere überhaupt nur ein Match in Paris gewinnen konnte. Die Deutsche konnte die große Geschichte der Außenseiterinnen nicht weiter schreiben und verlor gegen die zweimalige Wimbledon-Siegerin glatt in zwei Sätzen.

Quelle: ntv.de

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