Der Bundesliga-Check: Augsburg Weinzierl kämpft gegen den Fluch des Erfolgs
09.08.2015, 10:39 Uhr
Für Trainer Markus Weinzierl ist der Klassenerhalt des FCA oberste Priorität.
(Foto: imago/Krieger)
In Europa kennt Augsburg keine Sau – das wird sich nun ändern. Jose Mourinho weiß jedenfalls schonmal sehr genau, wer der FCA ist. Für die Bundesliga verheißt das Abenteuer Europa allerdings nichts Gutes.
Erste Runde Bukarest, zweite Runde Rom, in Kopenhagen schellt das Telefon – wo dieses schöne Lied gesungen wird, hat die Saison einen erfreulichen Verlauf genommen. Die Spieler und Fans des FC Augsburg durften es zum ersten Mal anstimmen, der sensationelle Platz fünf bedeutet die Qualifikation für die Europa League. Seitdem heißt das inoffizielle Hashtag für alle Nachrichten betreffend den FCA #keinesau.
Aber bei aller guten Laune: Die Sportliche Leitung stellt das Abenteuer Europa vor ein Problem. Wie kann der Kader die Dreifachbelastung annehmen, ohne dass der FCA in der Bundesliga abschmiert? Vor allem Nürnberg und die Hertha dienen als warnende Beispiele: Der Club stieg 2008 während einer Europapokal-Saison ab, Berlin teilte dieses Schicksal 2010.
Was gibt’s Neues?
Einige neue Verträge – für die Stammkräfte. Torwart Marwin Hitz verlängerte bis 2018, ebenso Kapitän Paul Verhaegh und Mittelfeldanker Daniel Baier. Halil Altintop bekam einen Vertrag bis 2017. Kontinuität ist das höchste Ziel von Manager Stefan Reuter, schließlich funktioniert die Mannschaft nur über das Kollektiv. Große Begehrlichkeiten bei anderen Teams wecken deshalb auch nur wenige Spieler – allen voran Außenverteidiger Abdul Rahman Baba.
Der FC Chelsea bietet angeblich 25 Millionen Euro, das Geschäft stockt aber schon seit Wochen, was den leicht reizbaren Startrainer Jose Mourinho langsam nervt: Er ließ den FCA über die Medien wissen, dass er keine Spieler mehr holen wird, nachdem die Saison angefangen hat, Transferfenster hin oder her. Viel Zeit hat Augsburg also nicht mehr, um den rekordverdächtigen Transfer einzutüten. Ein Ersatzmann steht für alle Fälle schon bereit: Außenverteidiger Philipp Max kommt aus Karlsruhe.
Auf wen kommt es an?
Auf Jan-Ingwer Callsen-Bracker. Naja, eigentlich nicht, wir wollten aber nur noch einmal betonen, was für einen fantastischen Namen dieser Mann hat. Bei Autogrammstunden kürzt er ihn übrigens "Call.-Br." ab, "sonst wäre ständig Stau". Aber das nur nebenbei. Tatsächlich wird die Saison sehr stark von der Weitsicht von Markus Weinzierl abhängen. Er muss das Training und die Einsatzzeiten richtig dosieren, damit die Europa League nicht zur Belastung wird. Der Kader bietet neben dem Stamm nicht viele verlässliche Optionen, Sperren und Verletzungen könnten den FCA empfindlich treffen.
"Unser Mannschaft ist eingespielt und funktioniert", sagte Weinzierl dem "Kicker". "Das ist viel wert, gerade in den englischen Wochen." Weinzierl selbst ist übrigens auch heiß begehrt – der FC Schalke legte dem 40-Jährigen vor der Saison einen unterschriftsreifen Vertrag vor. Doch er lehnte ab. "Das hätte sich nicht richtig angefühlt", sagte Weinzierl "Spiegel Online". Sein Weg in Augsburg sei noch nicht beendet.
Der Vertrag läuft noch bis 2019, allerdings, auch das sagte Weinzierl: Wenn so ein Angebot zu einem anderen Zeitpunkt komme, "werde ich mich dann damit befassen." Die aktuelle Saison wird ihm bei der Entscheidungsfindung helfen: Ist er mit dem FCA schon ans Limit gestoßen oder geht vielleicht sogar noch mehr?
Was fehlt?
Eine schöne Geschichte mit Piotr Trochowski in der Hauptrolle. Nach vier Jahren in Sevilla ist der 31-Jährige wieder in die Bundesliga zurückgekehrt, seine internationale Erfahrung aus 35 Länderspielen könnte wichtig werden für den FCA. Im Testspiel gegen Norwich City gab er schon eine Kostprobe seiner überragenden Schusskraft ab und erzielte ein Freistoßtor. Aber wie so oft in den letzten Jahren verfolgte Trochowski wieder das Pech. Er riss sich den Außenmeniskus und wird die nächsten Wochen Saisonstart verpassen.
Die Verletzung ruft böse Erinnerungen wach: Schon in den vergangenen drei Jahren hatten ihn Knieverletzungen immer wieder zu langen Pausen gezwungen. In Augsburg wollte er einen Neustart hinlegen – hoffentlich verzögert sich der nur um ein paar Wochen.
Wie lautet das Saisonziel?
"Wir landen auf Platz 15 oder besser", so formulierte es Trainer Markus Weinzierl im "Kicker". Der Klassenerhalt ist oberste Pflicht, der Rest Zugabe. Tatsächlich sind die Augsburger nicht so vermessen, nun ein Abo auf die Europapokal-Plätze ins Visier zu nehmen. Das beweisen die sehr leisen Transferaktivitäten. Lieber konzentriert sich der FCA auf den Ausbau der Infrastruktur: In der neuen Saison gibt es erstmal einen Trainingsplatz mit Rasenheizung. Die Politik der kleinen Schritte.
Die n-tv.de-Prognose
Man kann sogar noch weitergehen: Für Augsburg wäre sogar ein Schritt zurück ein weiterer Fortschritt. Eine Wiederholung des Höhenflugs aus der letzten Saison ist nahezu ausgeschlossen – nicht, weil die Augsburger nicht wieder so gut spielen können, sondern weil Schalke und Dortmund nicht noch einmal so schwache Spielzeiten hinlegen werden.
Nun müssen sie aufpassen, dass sie den Lohn für die Vergangenheit genießen, ohne die Gegenwart zu gefährden. Dazu sind die Verantwortlichen jedoch klug und die Spieler abgeklärt und eingespielt genug. Bleiben die etablierten Kräfte wie Paul Verhaegh, Tobias Werner und Halil Altintop von Verletzungen verschont, wird der FCA auf einem einstelligen Tabellenplatz landen.
Quelle: ntv.de