Wird Ski-WM deutscher Triumph? "Wellinger und die Teams holen Gold"
25.02.2017, 08:01 Uhr
Wollen angreifen: Freitag und Wellinger.
(Foto: imago/GEPA pictures)
Skisprung-Weltmeister Severin Freund ist verletzt. Die internationale Konkurrenz bärenstark. Wird die Nordische Ski-WM in Lathi für Deutschlands Adler ein Desaster? Nein, sagt Ex-Springer und Kommentatoren-Legende Gerd Siegmund. Und das nicht nur wegen des aktuell so formstarken Andreas Wellinger.
n-tv.de: Weltmeister Severin Freund ist verletzt und kann seinen WM-Titel in Lahti nicht verteidigen - droht den deutschen Adlern ein Desaster?
Gerd Siegmund: Nein, in keinster Weise, denn wir haben ja einen Andreas Wellinger, der ab Februar fast jedes Mal auf dem Podium gestanden und auch Willingen gewonnen hat, da muss einem nicht angst und bange werden.
Was macht Wellinger denn so stark?
- Gerd Siegmund ist ein ehemaliger deutscher Skispringer und war 13 Jahre lang TV-Experte für Eurosport an der Seite von Dirk Thiele.
- Im Weltcup feierte der mittlerweile 43-Jährige einen Einzelsieg.
- Sein größter Erfolg war allerdings die WM-Silbermedaille im Team mit Jens Weißflog, Dieter Thoma und Hansjörg Jäkle 1995 in Thunder Bay.
- Mittlerweile ist er als Sportmanager aktiv und betreut unter anderem die beiden deutschen Weltcupspringer Richard Freitag und Andreas Wank.
- Gemeinsam mit Dirk Thiele betreibt er noch einen Video-Blog zum Skispringen.
Andreas Wellinger verfügt über einen guten Absprung und hat ein sehr gutes Flüggefühl. Die sehr guten Platzierungen der letzten Zeit machen ihn so stark, um auch dem Druck zur WM stand zu halten.
Welche Chancen sehen Sie für die anderen Deutschen?
Die haben wohl eher ihre Chance auf der großen Schanze, weil sie da ihre Stärken besser ausspielen können. Aber man muss jetzt auch mal abwarten, wie die Verhältnisse sich entwickeln, der Wind wird bei diesen Weltmeisterschaften sicher ein Thema sein und da braucht man tatsächlich auch ein Quäntchen Glück. Insgesamt ist das deutsche Team mit Stephan Leye oder Karl Geiger, die noch eine Ausscheidung springen, gut aufgestellt.
Welche Medaillen sind für das deutsche Team drin? Die anderen Nationen sind ja bärenstark ...
Naja, wenn man antritt, will man auch Gold holen. Für das deutsche Team ist Gold, Silber und Bronze drin. Genauso aber, wenn es ungünstig läuft, wir reden jetzt über ein Einzelspringen, aber auch übers Teamspringen, kann es auch mal Platz vier sein. Das beste Team ist in diesem Jahr sicher das polnische. Die haben schon zwei Teamspringen gewonnen. Das österreichische Team ist wieder erstarkt. Die Slowenen und die Norweger sind derzeit erstmal nicht "auf Goldkurs" - aber da kann auch das Wetter etwas dagegen haben und das Feld durcheinanderwirbeln.
Wen sehen Sie denn als Favoriten für die WM-Titel auf der Groß- und Kleinschanze?
Da gibt es sicher eine Handvoll Athleten, die Weltmeister werden können. Kamil Stoch ist einer davon, Andreas Wellinger, Stefan Kraft sowie Daniel Andre Tande. Auch Peter Prevc ist in der letzten Zeit wieder besser in Form gekommen. Den muss man also auch auf der Rechnung haben. Es gibt also schon sechs bis sieben Athleten, die wirklich Weltmeister werden können.
Dann mal ganz konkret - wer holt wo die Goldmedaillen?
Andi Wellinger holt Gold auf der Normalschanze, Stefan Kraft holt den Titel auf der Großschanze, im Mixed-Team wird Deutschland Weltmeister - genauso wie bei den Herren.
Der deutsche Erfolgsgarant heißt seit Jahren Werner Schuster. Warum sind die Springer unter dem Bundestrainer so unglaublich erfolgreich?
Er hat natürlich den Hut auf, aber da gibt es auch Assistenztrainer, die dazu beitragen. Außerdem sind beim DSV die Weichen gestellt worden, sodass genügend finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen. Sicherlich ist Werner Schuster auch ein ruhiger, sachlicher Mensch, der diesen Weg mit den Athleten geht. Nicht die Richtung zu verlieren, das ist eine große Stärke, auch wenn es mal nicht so optimal läuft.
Wir haben ja eben schon über Peter Prevc gesprochen. Ist auch mit dem jüngeren Bruder Domen zu rechnen, schließlich war er zu Saisonbeginn ja überhaupt nicht stoppen?
Das muss man mal abwarten, er hat in letzter Zeit nicht mehr die technisch guten Sprünge abrufen können wie zum Beginn der Saison. Es scheint so, dass die Saison für ihn ein bisschen lang ist. Er ist ja auch noch ein sehr junger Athlet. Ich habe ihn nicht auf der Rechnung für eine Medaille.
Wird Ihnen als Ex-Springer bei diesem Sprungstil nicht angst und bange?
Naja, letztes Jahr hatte ich mehr Angst. In diesem Jahr ist er trotz der gesamten Aggressivität, die er an den Tag legt, scheinbar kontrollierter. Für Außenstehende sieht das sicherlich immer noch gefährlich und spektakulär aus. Dieses Jahr ist mir beim Zusehen noch nicht das Herz in die Hose gerutscht.
Simon Amman überrascht ja gerne bei Ereignissen, wenn die Medaillen verteilt werden …
Das würde mich schon sehr überraschen, weil die Vorleistungen einfach nicht so wie in den Jahren waren, wo er Weltmeister oder Olympiasieger geworden ist.
Ebenfalls ein großer Champion ist oder war Gregor Schlierenzauer. Er ist nach seinem Comeback wieder dabei. Kurz vor der WM war er wieder verletzt. Wie sehen Sie das?
Ich bin sehr positiv überrascht, dass er solche gute Leistungen gebracht hat. Durch den Sturz und seine Knieverletzung musste er pausieren. Jetzt ist die Frage, wie das Knie hält. Er ist immer für eine Überraschung gut. Man hat es auch 2015 gesehen, wo er nicht zum Favoritenkreis zählte, aber trotzdem Silber holte. Er hat wohl eine Außenseiterchance.
Lahti ist das Epizentrum des finnischen Skispringens. Kommen die finnischen Fans trotzdem, auch wenn ihre Springer so schlecht sind oder gehen sie lieber zum Langlauf, wo Medaillen zu erwarten sind?
Ich denke schon, dass sie zahlreich an die Schanze kommen. Es sind auch viele Fans aus anderen Ländern da. Da wird das Stadion schon voll sein. Die Finnen werden alle anfeuern und für gute Stimmung sorgen
Können die Finnen aus dieser Misere denn nochmal herauskommen?
Wenn man erstmal in so einem Tal drinhängt, dann braucht man bestimmt sechs, sieben Jahre, um da wieder rauszukommen. Es wird auch 2018 zu den Olympischen Spielen schwierig sein. Da müssen die Weichen neu gestellt werden.
So lange kann Janne Ahonen dann wohl auch nicht mehr springen, oder?
Ne, aber dann kann ja sein Sohn springen. (Anm. d. R.: Ahonens Sohn Mico ist 15 Jahre alt und hat schon gleichzeit mit seinem Vater an den finnischen Meisterschaften teilgenommen)
Mit Gerd Siegmund sprach Sonja Gurris.
Quelle: ntv.de