Unwetter über der Formel 1 Zittern in Malaysia
03.04.2009, 09:56 UhrWas sich im Winter bereits andeutete, ist in der Hitze von Melbourne Gewissheit geworden: Brawn GP hat die Hackordnung der Königsklasse des Motorsports auf den Kopf gestellt. Das ist erfreulich für die Fans, aber ein Schock für die übrigen Teams. Dominierten im vergangenen Jahr noch die Farben Silber und Rot das Geschehen an der Spitze, so stiehlt ihnen jetzt ein weißer "Hammerhai" die Show.
Ein Jahr lang hat Ross Brawn 2007 Rosen gezüchtet nach seinen neun Jahren bei Ferrari. Dem stillen Strategen scheint die Pause gut getan zu haben. Zumindest hat er nichts von seinen Fähigkeiten als Team-Lenker eingebüßt. Schon früh im vergangenen Jahr hat er, damals noch unter dem Namen Honda firmierend, die Kräfte gebündelt, auf die Entwicklung des neuen Autos gelenkt, und die Saison 2008 abgeschrieben. Ihm war wohl bewusst, dass die Karten dieses Jahr mit den tiefgreifenden Regeländerungen völlig neu gemischt werden. Diese Entscheidung hat sich ausgezahlt, auch wenn ihm im Winter mit Honda der Hauptsponsor abhanden gekommen ist. Umso erfreulicher für ihn, dass sich nach dem Sieg Buttons in Melbourne die weißen Flächen auf dem Brawn-Auto wohl bald mit zahlungskräftigen Sponsoren füllen werden.
Silber unehrlich, BMW mit Pech
Im Establishment der Formel 1 geht hingegen die Angst um. Bei McLaren hat man bereits vor dem Grand Prix von Australien tief gestapelt und Konkurrenzfähigkeit erst für die Europa-Rennen in Aussicht gestellt. Dafür hatten sich die Silbernen mit einer defensiven Strategie noch ganz wacker geschlagen. Doch Hamilton hat seinen guten dritten Rang mit einer Disqualifikation wieder eingebüßt. Unehrlichkeit gegenüber der FIA bei der ersten Überprüfung wird den Silbernen vorgeworfen. Die genauen Hintergründe bleiben verschwommen. McLaren-Mercedes hat die Strafe aber so akzeptiert. Schuldbewusstsein scheint durchaus vorhanden.
Bei BMW ist die Enttäuschung erst einmal groß. Das Team wähnte sich ganz vorne dabei, hatte aber in Australien viel Pech und musste jetzt die Reise nach Malaysia ohne Punkte im Gepäck antreten. Heidfeld schon beim Start rausgedrückt und um alle Siegchancen gebracht und Kubica drei Runden vor Schluss durch einen allzu kämpferischen Vettel abgeschossen. Bleibt nach dem Rennen in Melbourne nur die Gewissheit, dass man vorne dabei ist - wenn nichts schief geht.
Lehrgeld für Vettel
Fast ebenso viel Pech hatte Nico Rosberg. Erst fährt der Wiesbadener rundenlang hinter einem langsamen Räikkönen im Ferrari, dann klemmt an der Box das linke Vorderrad und der Williams steht quälend lange 21 Sekunden auf der Stelle. Am Ende musste Rosberg so viel pushen, dass die Reifen in den letzten Runden fast nicht mehr zu gebrauchen waren. Um den siebten Platz musste er sogar noch fast bis ins Ziel zittern.
Sebastian Vettel schließlich hat für seinen jugendlichen Eifer in Melbourne Lehrgeld zahlen müssen. Klar ist es angesagt, um die eigene Platzierung zu kämpfen. Doch zum Rennenfahren gehört eben auch, den deutlich höheren Speed der anderen zu respektieren. BMW-Pilot Kubica kam mit Sieben-Meilen-Stiefeln von hinten angerauscht. Ihn mit desolaten Gummis unbedingt aufhalten zu wollen gehört zu den Dummheiten, die einem ansonsten intelligenten Fahrer, sicher nicht noch mal passieren werden.
Toyota kann im Grunde zufrieden sein. Wegen der Disqualifikation Hamiltons stehen nach dem ersten Rennen elf Punkte auf dem Konto. Das ist nicht schlecht für den Anfang. Timo Glock war nach der Disqualifikation im Qualifying im Rennen bis auf Platz vier vorgefahren. Das kann sich sehen lassen und macht Hoffnung auf mehr. Die Japaner scheinen nach Jahren der Enttäuschungen endlich in der Spitzengruppe der Formel 1 angekommen zu sein.
Reifenverschleiß und KERS entscheidend
Eine Lehre lässt sich aber schon nach dem ersten Rennen ziehen: Der Verschleiß an den Reifen wird neben der Aerodynamik und dem Motor ein ganz entscheidende Rolle spielen. Sebastian Vettel im Red Bull, Nico Rosberg im Williams und selbst der Sieger Jenson Button hatten große Probleme mit den stark abbauenden weichen Reifen. Nur konnten Button vorne einen Gang zurückschalten, während Vettel bei der Verteidigung seiner Position am Ende sogar einen Podestplatz wegwarf.
Die Taktik wird in dieser Saison wohl auch vom Einsatz des KERS-Systems geprägt sein. Über den Boxenfunk haderte Timo Glock mit den 80 Zusatz-PS, die der vor ihm fahrende Renault-Pilot Alonso auf der Geraden immer wieder einsetzen konnte. Eigentlich deutlich schneller, gelang es dem Toyota nicht, an dem Ex-Weltmeister vorbei zu ziehen. Es zeichnet sich ab, dass alle Teams das System so schnell wie möglich nachrüsten werden. Sonst drohen erhebliche Nachteile.
Die Spitzenteams haben den großen Sparkurs angesichts der erheblichen Rückschläge schon mehr oder weniger aufgegeben. 20 Millionen will Ferrari in die Verbesserung des F60 investieren. Auch Lewis Hamilton ist sich sicher, dass die Entwicklungsabteilung von Mercedes und das McLaren Technology Centre alles dafür tut, " dass wir möglichst schnell wieder vorne mit dabei sein können." Die beiden ehemaligen Vorreiter setzen ihre Hoffnungen darauf ab den Europa-Rennen wieder konkurrenzfähig zu sein.
Bärendienst durch die Kommissare
Es ist jedoch zu befürchten, dass die FIA wieder ordentlich in den Ergebnissen der Rennen herumpfuschen wird. Mit der Strafe für McLaren, die Niki Lauda "einen schlechten Witz" nannte, haben sie schon mal einen ersten Beweis dafür geliefert. Weitaus diffiziler wird das Urteil im Diffusorstreit am 14. April. Damit könnten sie die Kräfteverhältnisse in der Königsklasse erneut auf den Kopf stellen. Das ist ein Bärendienst für den Sport. Denn die Entscheidungen sollten doch bitte auf der Strecke und nicht am grünen Tisch gefällt werden. So macht man die Begeisterung der Fans kaputt.
Zu aller Ungewissheit droht das Malaysia-Rennen auch noch im Horror-Wetter unter zu gehen. Wolkenbrüche und Dunkelheit dürften den Fahrern erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Auch für die Technik wird das Rennen in Kuala Lumpur zur Nagelprobe. Nur die Fans können sich jetzt schon auf ein weiteres hochspannendes Rennen freuen. Mit Regen, Blitz und Donnerwetter. Von wegen, langweilige Formel 1. Spannender als derzeit geht es wohl kaum.
Quelle: ntv.de