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Die Panik, entdeckt zu werden Zum Selbstmord von Robert Enke

Die Angst entdeckt zu werden, war für Robert Enke allgegenwärtig. Doch ob ein öffentliches Bekenntnis zu seiner Depression den Suizid verhindert hätte, bleibt reine Spekulation.

Der Torhüter der Nationalelf und des Bundesligaklubs Hannover 96 hat sich nach jahrelangen Depressionen das Leben genommen.

Der Torhüter der Nationalelf und des Bundesligaklubs Hannover 96 hat sich nach jahrelangen Depressionen das Leben genommen.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Einige Fans haben die Trauerfeier für Robert Enke mit ihren Handys gefilmt und per Digitalkamera festgehalten. Schon jetzt sind zahlreiche Videos und Fotos als Tribut an den Torwart auf YouTube, Facebook und anderen Internetseiten zu sehen. Eine bewegende und bleibende Erinnerung für die Trauernden. Doch die digital ausgerüsteten Massen können gerade für Prominente auch unangenehm werden. Als Amateur-Paparazzi stellen sie Showstars und Sportlern nach, veröffentlichen peinliche, kompromittierende Bilder und Filme im Internet oder als "Leserreporter" in klassischen Medien.

Robert Enke gehörte zwar nicht unbedingt zu den hemmungslos Gejagten, doch trug er eine schwere Bürde, die er nicht nur vor den professionellen Paparazzi und Reportern, sondern auch vor deren zehntausenden Amateurkollegen geheim halten wollte. Stets musste er befürchten, dass sein Seelenzustand öffentlich wird.

Hat diese Angst, entdeckt und geoutet zu werden, seine Depressionen möglicherweise verstärkt, die seelischen Tiefs tiefer erscheinen lassen? "Die Angst davor, dass die Krankheit öffentlich wird, kann eine optimale Behandlung erschweren", sagt Professor Ulrich Hegerl, Vorstand der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. "So eine Angst erhöht auch die Hürde, eine Behandlung aufzunehmen (...) 90 Prozent aller Suizide ergeben sich aus einer psychischen Erkrankung, meist in Zusammenhang mit einer nicht optimal behandelten Depression."

Für Prominente meist noch schwieriger

Der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, Ulrich Hegerl.

Der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, Ulrich Hegerl.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Und die mögliche Entdeckung war allgegenwärtig: Wäre Enke vor einer psychiatrischen Klinik aufgetaucht, hätte ein übereifriger Patient, Besucher oder Pfleger mit Handykamera genügt, um Schlagzeilen über seinen Gesundheitszustand zu produzieren.

Bei Prominenten liege der Fall besonders kompliziert: "Es kann sein, dass es für einen Menschen, der im öffentlichen Fokus steht, noch schwieriger ist, mit der Krankheit umzugehen", sagt Hegerl. "Eine Öffnung nach außen kann zwar auch Entlastung bringen, muss es aber nicht. Umso wichtiger ist es, sich im engeren Kreis der Familie und Freunde zu öffnen. Das kann befreiend wirken. Viele Betroffene machen die Erfahrung, dass sie nicht allein sind mit ihrer Krankheit."

Allgegenwärtige Angst hemmt

Doch die Angst vor der totalen öffentlichen Preisgabe des Leidens, mit den damit verbundenen Ängsten um die Karriere und in Enkes Fall um die Adoptivtochter, kann als weiteres Symptom die Depression verstärken. "Solche Ängste sind massiv", sagt der Bio-Psychologe Professor Peter Walschburger von der Freien Universität (FU) Berlin. "Diese Aufdeckungsfurcht kann für die Depression eine Verschlimmerungsbedingung ersten Ranges sein. Die Betroffenen gehen ja mit der Krankheit nicht gelassen um, sind defensiv, auf der Flucht."

Es ist Spekulation, ob ein Outing von Enkes Krankheit vielleicht sogar hilfreich gewesen wäre, sein Leben hätte retten können. Walschburger meint dazu: "Es hätte dann die Chance bestanden, der Öffentlichkeit und den Medien den Spiegel vorzuhalten: Wie geht ihr eigentlich mit Depressionen um?" Es hätte für Enke aber auch das Ende der Trennung von öffentlichem und privatem Leben bedeutet.

Quelle: ntv.de, Patrick T. Neumann, dpa

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