Was ist dieses Porpoising? Das größte technische Problem der neuen Formel 1
20.05.2022, 16:27 Uhr
Die Boliden der Formel 1 leiden unter einem neuen Problem.
(Foto: IMAGO/HochZwei)
Einige Formel-1-Fahrer bangen deshalb sogar um ihre Gesundheit, Teams klagen über Zeitverlust: Porpoising treibt die Rennserie derzeit wie kein anderes technisches Problem. Es geht um die Regelnovelle 2022, ein neuartiges Hüpfen der Boliden über den Asphalt - und Schweinswale.
Was hat der Schweinswal zu tun mit Sebastian Vettels Aston Martin? Nicht viel auf den ersten Blick. Der eine frisst Fisch, jagt mit Ultraschall und gehört zu den schnellsten Meeressäugern. Der andere frisst Benzin, und zum Jagen ist er in der Formel 1 eigentlich viel zu langsam. Doch der Schweinswal hüpft durch das Wasser, wenn es voran gehen soll, und ganz ähnlich verhält sich auch Vettels Bolide auf den langen Geraden - und weil nicht bloß Aston Martin diese Probleme hat, gibt es in der Formel 1 mittlerweile ein Wort dafür: Porpoising, angelehnt an das englische Wort Porpoise. Schweinswal eben.
"Es hat uns ausgebremst", sagte Aston Martins Technikchef Andy Green zuletzt dem Fachmagazin auto motor und sport: "Um ehrlich zu sein, hat es alle ausgebremst." Die Regelnovelle 2022 hat die Aerodynamik der Boliden grundlegend verändert. Erstmals seit den 1980er-Jahren wird wieder der Ground Effect genutzt, ein Großteil des Abtriebs also über den Unterboden generiert. Schon bei den ersten Testfahrten hatten die Teams dann allerdings das Problem des Hüpfens: Der Unterboden wird extrem nah an den Asphalt gesaugt, der Anpressdruck reißt ab, dadurch springt das Auto wieder nach oben und alles beginnt von vorn.
Einige Teams haben damit größere Probleme als andere, Aston Martin etwa verliere "massiv Rundenzeit", sagt Green. Auch die Weltmeister von Mercedes kämpfen sehr mit dem Porpoising, es ist ein Grund dafür, warum Rekordchampion Lewis Hamilton überhaupt noch nicht in dieser Saison angekommen ist. Also hüpfen seit zwei Monaten Rennen für Rennen zahlreiche Formel-1-Piloten bei Tempo 300 über den Asphalt. Und weil eine steifere Aufhängung das Problem mildern kann, rasen sie zudem äußerst holprig und hart über die Unebenheiten der Strecke.
"Problem wird nicht ewig bestehen"
Einigen Piloten bereitet das Sorgen. "Welchen Preis sollte ein Formel-1-Fahrer in seiner Karriere körperlich zahlen", fragt etwa Ferrari-Pilot Carlos Sainz, "darüber müssen wir reden." Im Rücken und Nacken spüre er schon nach zwei Monaten der Saison erste Auswirkungen dieser Fahrzeug-Philosophie, über Langzeitfolgen müsse man da eigentlich "nicht mal Experten befragen".
Einige Fahrerkollegen lächeln angesichts dieser Sorgen, andere allerdings wollen sie nicht einfach abtun. Mercedes-Pilot George Russell verweist auf Studien aus anderen Sportarten, im Fußball und im American Football etwa wurde das Risiko von möglichen Hirnschäden lange unterschätzt. Auch die hochmoderne Formel 1 müsse die ihr eigenen Risiken ausreichend beleuchten.
"Jeder Sport", sagt auch Sebastian Vettel, "verlangt einen Preis vom Körper. Die Belastung der Wirbelsäule und der Bandscheiben ist bei uns besonders groß." Ein Jahrzehnt des Porpoising erwartet er allerdings nicht. "Das Problem wird nicht ewig bestehen", sagt Vettel, "die Teams werden es in den Griff bekommen." Schon allein, um endlich wieder schnell fahren zu können.
Quelle: ntv.de, dbe/sid