Lauda motzt, Vettel schwitzt Formel 1 knabbert am Reifenrätsel
20.03.2013, 16:31 UhrDie Formel 1 rätselt. Nach dem "epischen" Saisonauftakt in Melbourne mit Reifenchaos und Überraschungssieger haben die Teams vor dem zweiten Rennen in Malaysia mehr Fragen als Antworten. In der Tropenhitze werden die Reifen wieder eine Schlüsselrolle spielen. Was Niki Lauda erbost, ist für die Zuschauer eine exzellente Nachricht.
Sieben Boxenstopps sind es dann doch nicht geworden zum Saisonstart in Melbourne, der große Aufreger waren die neuen Pirelli-Reifen trotzdem. Vor allem Niki Lauda nahm kein Blatt vor den Mund. Als "absolut deppert" kanzelte der Ex-Weltmeister die neuen Pirelli-Pneus nach dem Auftakt ab: "Künstlich für immer mehr Boxenstopps zu sorgen, ist falsch, da verlieren die Zuschauer die Übersicht."
Es liegt auf der Hand, dass Lauda diese wütenden Worte nicht als TV-Experte tätigte. Natürlich war es beim Saisonauftakt für Zuschauer und Teams schwer, bei den zahlreichen Boxenstopps den Überblick zu behalten. Selbst der drittplatzierte Weltmeister Sebastian Vettel musste anschließend zugeben, Sieger Kimi Räikkönen im Rennen "gar nicht gesehen" zu haben.
Für die Fans wurde der Saisonauftakt durch die zahlreichen Reifenwechsel, Adrian Sutils erste Führungskilometer und den genialen Zwei-Stopp-Coup von Räikkönen letztendlich zum Spektakel. "Episch" nannte die australische Presse den Grand Prix. Wegen seiner zahlreichen Führungswechsel sei er einer "der besten aller Zeiten" gewesen.
Rätselhafter Lernprozess
Und Lauda? Frotzelte, weil er in dieser Saison neben seinem Job als TV-Experte auch noch Oberaufseher des Mercedes-Rennstalls ist. Der soll in dieser Saison endlich den Durchbruch schaffen, musste in Melbourne wegen der unkalkulierbaren Reifen aber erst einmal mitten im Rennen seine Strategie ändern. "Alle Teams befinden sich noch in einem Lernprozess mit den neuen Pirelli-Reifen", konstatierte Silberpfeil-Boss Toto Wolff.
Vor dem zweiten Saisonlauf in Malaysia sucht nicht nur Mercedes, sondern auch Vettel den Durchblick. Dass es in Melbourne trotz Pole Position nicht zum Sieg reichte, begründete er mit einem Wort: "Reifen." Das Reifenrätsel würde er am liebsten schon in der Tropensauna von Sepang lösen. Eine gewisse Verunsicherung kann er nach dem unerwarteten Auftaktdämpfer in Australien aber nicht verbergen. "Man muss sehr vorsichtig sein, einen Trend erkennen zu wollen", warnte der 25-jährige Dreifach-Weltmeister vor dem Großen Preis von Malaysia am Sonntag.
Viele Daten, kaum Durchblick
Freimütig gestehen Vettel und seine Rivalen ein, dass auch die Datenflut vom verrückten Saisonstart in Melbourne eher mehr Fragen als Antworten lieferte. Und alle wissen, dass schon der schweißtreibende Grand Prix vor den Toren von Kuala Lumpur alles wieder auf den Kopf stellen kann. "Das wird ein völlig anderes Rennen mit komplett anderen Bedingungen", erklärte Vettel.
Nicht einmal der überlegene Australien-Sieger Kimi Räikkönen fühlt sich vor der Rückkehr an den Ort seines ersten Formel-1-Sieges sicher. "Ich denke, wir müssen zwei, drei Rennen abwarten, ehe wir überhaupt sagen können, wer wo steht", meinte der Finne, der zum ersten Mal seit Mai 2008 als WM-Spitzenreiter an den Start geht. Auch aus der Ferrari-Garage kommen trotz der Freude über WM-Platz zwei von Fernando Alonso ähnliche Töne. "Es werden sich noch so viele Dinge in den nächsten Rennen ändern", sagte Teamchef Stefano Domenicali.
Reifen bleiben unberechenbar

Vettel im Jahr 2011 mit den Pirelli-Reifen. Damals waren die Pneus noch leichter zu durchschauen.
(Foto: dpa)
Hauptgrund für das weiterhin unklare Kräfteverhältnis sind die unberechenbaren Reifen. Spätestens seit Melbourne wird wieder leidenschaftlich darüber diskutiert, ob der Einfluss der neuen Gummimischungen auf den Rennausgang nicht zu hoch ist. Lauda schwang sich zum Chefkritiker auf und polterte, "dieser Weg ist grundsätzlich falsch." Paul Hembery, Motorsportboss des Herstellers Pirelli, konterte: "Wir haben die Action aufgepeppt." Und damit das getan, was der Automobil-Weltverband Fia verlangt hatte.
Klar ist: Wer vor dem Rennen das Geheimnis der Pneus am besten entschlüsselt, hat die größten Chancen. Und so erteilte Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko dem Vettel-Team vor der Reise nach Malaysia die klare Anweisung: "Wir müssen die Sache mit den Reifen besser verstehen." Genau das nämlich war dem Branchenführer in Australien nicht gelungen, Top-Favorit Vettel wurde nur Dritter und fuhr phasenweise deutlich langsamer als Teamkollege Mark Webber.
Die Aufgabe aber wird nicht leichter. Die schwüle Hitze in Sepang, die enorme Luftfeuchtigkeit nebst hohem Regenrisiko stellen eine gewaltige Herausforderung für Mensch und Maschine dar. "Ich schwitze mir den Hintern ab", twitterte Mercedes-Neuzugang Lewis Hamilton schon kurz nach seiner Ankunft.
Spannung auf Zeit
Pirelli-Mann Hembery ist sicher, dass die Teams "sehr schnell darauf kommen werden, wie sie das Maximum aus dem Auto und den Reifen rausholen können". Dann dürfte es mit Spannung in der Formel 1 wieder vorbei sein, ganz so wie 2012. Damals brauchten die Teams bis zum Mai, ehe sie die Reifen verstanden hatten. Resultat waren sieben verschiedene Sieger in den ersten sieben Rennen, ein Novum in der Königsklasse.
Nach dem "verrückten" Auftakt 2012 hielt aber spätestens mit dem Sieg von Red-Bull-Pilot Webber in Monte Carlo der Alltag wieder Einzug in die Königsklasse. Mit Ausnahme von Räikkönen in Abu Dhabi hießen die Sieger anschließend nur noch Red Bull, Ferrari und McLaren. Das mag im Sinne der Spitzenteams sein, doch gerade Rennen wie das in Australien machen die Formel 1 erst wieder richtig interessant. Auch wenn Niki Lauda anschließend schimpft.
Quelle: ntv.de, cwo/sid/dpa