Die Rückkehr des Königs Schumacher kann nicht anders
23.12.2009, 04:27 Uhr
So einfach ist das: Weil der Nacken wieder mitspielt, macht Michael Schumacher demnächst wieder das, was er am liebsten macht - in einem Formel-1-Auto sitzen.
(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)
Drei Jahre nach seinem Rücktritt kehrt Michael Schumacher in die Formel 1 zurück. Das Team Mercedes Grand Prix bestätigt, dass der 40-Jährige ab 2010 für drei Jahre im Silberpfeil sitzen wird.
Fans und Verantwortliche sehnen sich nach einer skandalumwitterten, aber sportlich mäßigen Saison nach dem Comeback des Rekordweltmeisters. Der macht sich kurz vor Weihnachten allerdings selbst das schönste Geschenk.
Es gibt diese Geschichte von Nigel Mansell. Eine nette Geschichte, über sein Comeback in der Formel 1. Mansell, 1992 Weltmeister und anschließend zurückgetreten, unterschrieb 1995 noch einmal einen Vertrag bei McLaren. Eine Saison wollte der 41-jährige Mansell fahren, doch es gab ein gewichtiges Problem: Er passte nicht mehr ins Cockpit seines Boliden.
Dass es Rückkehrer Michael Schumacher in der kommenden Saison bei Mercedes GP ähnlich ergehen könnte, ist ausgeschlossen. Für Schumacher ist sein Comeback in der Formel 1 nach drei Jahren Abstinenz nicht bloß eine weitere Episode in seinem langen Rennfahrerleben. Es ist eine Herzensangelegenheit, die er akribisch vorbereitet und in Topform angehen wird - weil er insgeheim schon seit Monaten darauf hinarbeitet.
Seit seinem Ende Juli grandios angekündigten und Mitte August schon wieder grandios gescheiterten Einsatz als Helfer bei Ferrari, wo er den von einer Stahlfeder schwer verletzten Felipe Massa ersetzen sollte und wollte, ihn aufgrund nicht ausgeheilter Nacken- und Kopfverletzungen letztlich aber nicht ersetzen konnte, waren die Spekulationen über eine Rückkehr des Rekordweltmeisters nicht mehr abgerissen. Auch, weil Schumacher ein Comeback zu einem späteren Zeitpunkt plötzlich nicht mehr ausschließen wollte.
"Für einen Moment wie zurück im Leben"
Stattdessen sagte er damals im August: "Ich befinde mich gerade in der vielleicht schwierigsten Phase meiner Karriere. Ich bin zwar zurückgetreten, aber als Rennfahrer hatte ich mich für einen Moment wie zurück im Leben gefühlt." Irritierend offenherzige Worte für jemanden, der eigentlich nur "aus Verbundenheit zum Team" im Ferrari-Cockpit aushelfen wollte. Irritierend auch deshalb, weil Schumacher im Juli 2008 noch geschwärmt hatte: "Ich habe mich in mein neues Leben verliebt, das ist so eine Freiheit, wie ich sie immer haben wollte. Da ist auch nichts zurückgeblieben, keine heimlichen Gedanken an ein Comeback in der Formel 1."
Warum es Schumacher, der in der Formel 1 mehr Titel und Rennen als jeder andere gewonnen hat und alle wichtigen Rekorde hält, mit fast 41 Jahren nun doch wieder zurückzieht in die Formel 1, darauf hat sein ehemaliger Ferrari-Teamkollege Eddie Irvine eine simple, aber treffende Antwort: "Ich denke, ihm war einfach langweilig - wahrscheinlich sogar sehr, sehr langweilig. In der Formel 1 stehst du im Schaufenster und musst Farbe bekommen, wohingegen du in der richtigen Welt Monate oder Jahre arbeiten musst, um die gleiche Hektik zu erleben.“
Man muss sich nur das Verhalten von Jens Lehmann in dieser Saison vor Augen führen, um zu verstehen, wie schwer es auch für Sportler ist, vom Rampenlicht im Stadion hinüberzutreten ins Privatleben, oder ins Fernsehstudio zu den dauerlächelnden Katrin Müller-Hohensteins und Florian Königs. Der Keeper vom VfB Stuttgart kehrt, den sportlichen Ruhestand und damit die öffentliche Bedeutungslosigkeit vor Augen, mit 40 Jahren noch einmal den Rabauken raus und heischt hilflos um jene liebgewonnene Aufmerksamkeit, die ihm bald nicht mehr zuteilwerden wird.
Er kennt und kann nichts anderes
Während Lehmann mit 40 Jahren also lautstark geht, kehrt Schumacher, der die Öffentlichkeit abseits der Rennstrecken stets gescheut hat, im selben Alter zurück in den Hochleistungssport. Nach drei Jahren, in denen er den vermissten Kick des Wettkampfes auch auf dem Motorrad gesucht hatte, offenbar vergeblich. Irvine sagt dazu: "Das war total verrückt. So gut war er nicht und bezahlt wurde er auch nicht dafür. Das habe ich nie verstanden, doch die Formel 1 macht Sinn." Denn: "Michael hat schon im Alter von vier oder fünf Jahren mit dem Kartsport begonnen und kennt einfach nichts anderes."
Man tritt dem gelernten Kfz-Mechaniker aus Kerpen nicht zu nahe, wenn man mutmaßt, er kann und will wohl auch nichts anderes. Schumacher kehrt nicht in die Formel 1 zurück, weil diese ihn braucht, sondern weil er sie braucht. Das zeigt auch der Wechsel von Ferrari zu Mercedes. Die Roten hatten nach der Verpflichtung von Fernando Alonso einfach keinen Platz mehr für ihren fünfmaligen Champion. Der unterschrieb deshalb, ganz pragmatisch, bei Mercedes. Da kann und wird es Schumacher auch herzlich egal sein, dass ihn nur jeder zweite Deutsche wieder in der Formel 1 sehen will, deutsches Mercedes-Dreamteam hin oder her. In einer repräsentativen Umfrage gaben 45,8 Prozent der Teilnehmer an, dass der siebenmalige Weltmeister für sie keine Bereicherung in der Formel-1-Saison 2010 ist.
Gewinner, wohin man schaut

Dreamteam: Gemeinsam gewannen Michael Schumacher und Ross Brawn sieben WM-Titel - 2009 bewies Brawn dann, dass er es auch auch ohne Schumi kann.
(Foto: REUTERS)
Für die Königsklasse des Motorsports ist die Rückkehr des früheren Königs dennoch so etwas wie eine Sensation. Mit dem dann 41-jährigen Rekordweltmeister gewinnt der Motorsportzirkus keine wirklich liebgewonnene, aber eine durchaus geschätzte und respektierte Fan-Attraktion zurück – gut fürs Image nach einer Saison mit "Lügenaffäre", "Crash-Gate" und dem Abschied der renommierten Hersteller BMW und Toyota, wie das Buhei im Sommer überdeutlich gezeigt hatte. Im kommenden Formel-1-Jahr mit seinen zahlreichen neuen Regeln und No-Name-Teams wird Schumacher eine Konstante sein. Und damit nicht genug des Guten: Dem neuen Team Mercedes Grand Prix wird der Rekordchampion bei der Entwicklung des neuen Autos sicher den ein oder anderen hilfreichen Tipp geben können, seinem neuen Teamkollegen Nico Rosberg ebenfalls.
Wie gut er selbst unterwegs sein wird und ob es zum von den deutschen Fans erhofften Duell mit Sebastian Vettel im Red Bull kommen wird, darüber lässt sich trefflich spekulieren. All jene aber, die bereits hemmungslos von der Rückkehr des Dominators in die Formel 1 schwärmen und träumen, haben die letzten beiden Karrierejahre vor Schumachers Rücktritt entweder verdrängt oder verklärt – die Jahre, in denen sich Fernando Alonso im überlegenen Renault den WM-Titel holte, vor seinem Rivalen im Ferrari. Nun sitzt Alonso im Ferrari und Schumacher in einem Auto, von dem man bislang nur weiß, dass es von Ross Brawn entwickelt wird. Immerhin: Der Brite ist der beste Stratege der Formel 1 und bei Schumachers sieben WM-Titeln stets an dessen Seite gewesen.
Mansell ist optimisitisch
Doch wie gut oder schlecht der neue Silberpfeil auch gelingen mag: Schumacher kann bei seiner Rückkehr in die Formel 1 nur gewinnen, weil er nichts zu verlieren hat.
Im schlimmsten Fall wird die Saison 2010 für ihn zur gutbezahlten Beschäftigungstherapie. Und schlimmer als bei Nigel Mansell kann sein Comeback ohnehin nicht verlaufen. Der absolvierte, nachdem er durch den nötigen Umbau des McLaren-Cockpits die ersten beiden Saisonrennen verpasst hatte, noch zwei Grand Prixs für McLaren, bei denen er ohne Punkte blieb. Anschließend erklärte er seine Karriere kurzerhand erneut für beendet, nachdem McLaren ihm mangelnde Motivation vorgeworfen, er das Auto hingegen als „nicht fahrbar“ bezeichnet hatte.
Dass Schumacher ein ähnliches Desaster bei Mercedes erspart bleibt, steht für Mansell übrigens außer Frage: "Es würde mich nicht überraschen, wenn Michael um den Titel kämpfen würde. Alter spielt in seinem Fall keine Rolle, wichtig ist nur, dass man professionell und konzentriert an die Sache herangeht - und das wird bei Michael garantiert der Fall sein."
Quelle: ntv.de