Nur ein Verlierer auf Superstrecke Todlangweiliges F1-Rennen in Baku?
20.06.2016, 11:57 Uhr
Nico Rosberg gewinnt im Silberpfeil souverän den Großen Preis von Baku.
(Foto: picture alliance / dpa)
Man hatte sich vom Formel-1-Rennen in Baku mehr versprochen. Mindestens in jeder dritten Kurve sollte es krachen. Und dann? Nichts! Langweilig war es dennoch nicht und ein Fahrer dürfte tiefschürfende Erkenntnisse gesammelt haben.
Es sollte der absolute Kracher werden, wenn die Königsklasse durch die Hauptstadt von Aserbaidschan, durch Baku, brettert. Und tatsächlich versprachen das freie Training und das Qualifying viel. Der zuvor als langweilig bekrittelte Rundkurs von Streckendesigner Hermann Tilke hat es in sich. Doch während Nico Rosberg auf potenzielle Gefahrenstellen hinwies, machte Lewis Hamilton den Dicken. Letzterer behauptete sogar, dass diese "Sicherheitsfahrer einfach jeder Strecke das Leben nehmen wollen".
"Sollen die Schnauze halten"
Unterstützt wurde der Brite vom Formel-1-Papst Bernie Ecclestone, der tönte: " Wer hier nicht fahren will, soll es auch nicht tun. Die Fahrer sollen die Schnauze halten oder nach Hause gehen." Nach Hause gegangen ist keiner, die "Schnauze" haben sie dann aber doch gehalten. Allerdings war die Herangehensweise an das Rennen denkbar unterschiedlich. Hamilton glaubte, er könne die Strecke mit purem Talent bezwingen, Rosberg hingegen setze sich in den Simulator und fuhr mehr als 80 Runden, um die heiklen Stellen in den Kopf zu bekommen.
Bereits im Qualifying erwies sich diese Strategie als goldrichtig, denn der Deutsche landete auf der Pole Position, während Hamilton seinen Boliden mit viel Schmackes an die Mauer setze. Auch im Rennen machte sich die akribische Vorbereitung des Wiesbadeners bezahlt. Während Hamilton mit aufsteigender Wut von den Technikern verlangte, sie sollten ihm doch endlich sagen, warum pausenlos irgendwelche Lämpchen an seinem Lenkrad blinkten, zeigten auch die Fahrer der anderen Rennställe, dass sie bei entsprechendem Kurs und dem richtigen Auto dem Weltmeister von 2015 gewachsen sind. Für einen Moment schien es sogar so, als würde sich Hamilton an dem wegen eines Getriebewechsels fünf Plätze zurückgesetzten Nico Hülkenberg die Zähne ausbeißen. Nur aufgrund der besseren Reifen konnte Hamilton den Force-India-Piloten auf den letzten Runden schlucken.
"Das hat sie traumatisiert"
Letztlich blieben die erwarteten Crashs aus und die angekündigten Safety-Cars und gelben Flaggen kamen nicht. Bis auf den Start, bei dem Haas-Pilot Esteban Gutierrez nach einem sehr optimistischen Bremsmanöver Hülkenberg touchierte, verhielt sich das Fahrerfeld in den engen Straßen von Baku überraschend diszipliniert. Anders als noch am Samstag, als die Jungs aus der GP2 sich reihenweise aus dem Rennen schossen. "Wir haben ihnen die Bilder der GP2 gezeigt", erklärt Mercedes-Teamchef Toto Wolff . "Ich glaube, das hat sie dann einigermaßen traumatisiert, wie viele halbe Autos da auf der Strecke gelegen sind."

Tiefe Erkenntnisse für Lewis Hamilton nach der Selbstüberschätzung in Baku?
(Foto: picture alliance / dpa)
Aber war das Rennen ohne die erwarteten Unfälle jetzt langweilig? Wie man es nimmt: Klar, fliegende Autoteile und Neusortierungen nach den Safety-Car-Runden sorgen schon für Action. Andererseits hat Baku erneut gezeigt, dass Mercedes nicht mehr Lichtjahre von der Konkurrenz entfernt ist. Auf den langen Geraden der 6,003 Kilometer langen Strecke in Baku wurden Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 360 km/h erzielt. Ein gefundenes Fressen für die Williams-Piloten, die hier ihre Stärke ausspielen konnten. Auch Force India machte sich in dem Rennen gut. Sergio Perez landete gar auf Platz drei, vor Ferrari-Pilot Kimi Raikkönen, dem vor der Zeit der Sprit ausging. Er hätte seinen Platz aber ohnehin abgeben müssen, denn für das Überfahren der Boxengassen-Linie erhielt der Finne eine Fünf-Sekunden-Strafe. Die Ehre für die Scuderia rettete Sebastian Vettel mit Rang zwei.
"Ich wusste das nicht"
Insofern kann man sich getrost der Meinung von Wolff anschließen: "Baku ist das, was wir in der Formel 1 brauchen. Echtes Racing gibt es nicht auf einem Supermarktparkplatz." Entscheidend sei aber, wie man mit der Enge der Strecke umgehe, die nach Ansicht des Österreichers "keine Fehler verzeiht". Dass während des Rennens keine gemacht wurden, spricht wiederum für die Qualität der Piloten und die richtige Vorbereitung. Insofern gab es in Aserbaidschan eigentlich nur einen echten Verlierer und der heißt Lewis Hamilton.
Der dreimalige Weltmeister hatte im Vorfeld bekannt, dass er weder sonderlich viel Zeit im Simulator verbracht noch eine Streckenbegehung gemacht hat. "Das bringt mir nicht viel", so Hamilton. Doch, 24 Punkte Rückstand auf Rosberg, der im Übrigen auf der Pressekonferenz von einem Journalisten die Frage gestellt bekam, "wie es sich denn anfühlt, von der Presse bereits abgeschrieben zu sein". Antwort: "Ich wusste das nicht. Danke, dass ihr mir das sagt."
Quelle: ntv.de