Kubicas Cockpit bei Renault Wer wird Nutznießer?
09.02.2011, 11:32 Uhr
Ein attraktiver Arbeitsplatz: Das Cockpit bei Renault ist heiß begehrt bei einigen Fahrern. Dem Auto wird einiges zugetraut.
Niemand outet sich gerne als Opportunist. Auch nicht im sonst eher skrupellosen Formel-1-Zirkus. Daher haben alle Fahrer, die derzeit noch ohne Vertrag sind, in den letzten Tagen mit Zurückhaltung geglänzt. Doch die wird langsam aufgegeben, denn mit dem Platz des Polen, der wahrscheinlich für längere Zeit ausfällt, ist eine attraktive Stelle frei geworden. Wer bekommt das Kubica-Cockpit?
Offiziell gibt man sich bei Renault derzeit noch gelassen. "Es ist zu früh, um darüber zu sprechen", sagte eine Renault-Sprecherin am Dienstag. "Das erste Rennen der Saison ist in fünf Wochen und wir haben noch genug Zeit, eine Entscheidung zu treffen." Tatsächlich startet aber am Donnerstag die zweite Runde der Testfahrten für die neue Formel-1-Saison. Und Robert Kubica wird "definitiv ein paar Monate ausfallen", wie Teamchef Eric Boullier feststellt.
Wer wird also im Renault neben Witali Petrow Platz nehmen? Ab dem Teststart in Jerez für die Saison 2011 zählt jeder Kilometer, denn für alle Piloten sind die Reifen von Pirelli neu. Und genau diese sind möglicherweise aber ausschlaggebend für die Wahl des Ersatzfahrers bei Renault. Die Kandidaten im Überblick.
Nick Heidfeld:
Der Mönchengladbacher könnte in diesem Jahr erneut Nutznießer werden und als Ersatz ein F1-Cockpit bekommen. Sein großer Vorteil ist seine Erfahrung, die ihm letztes Jahr bereits bei Sauber ein Cockpit für die letzten fünf Rennen einbrachte. Seit 1997 ist der 33-Jährige in der Formel 1 aktiv, neun Jahre davon war er Stammpilot, teils bei namhaften und siegreichen Teams. Das genau spricht aber auch gegen Heidfeld, denn er ist der Fahrer mit den meisten Rennen ohne jemals einen Sieg geholt zu haben. 172 Starts und als bestes Rennergebnis ein zweiter Platz. Selbst mit dem damals starken BMW-Team schaffte er es 2009 nur insgesamt fünf Mal aufs Podest.
EX-Kollegen: Nick Heidfeld und Robert Kubica fuhren einst gemeinsam für BMW. Jetzt könnte Heidfeld den Platz des Polen erben.
Heidfelds großer Vorteil sind dagegen die Reifen: Mitte der letzten Saison ließ er sich von Mercedes als Testfahrer beurlauben, um bei Pirelli als Entwicklungsfahrer anzutreten. Kein Pilot kennt die neuen Reifen dieser Saison also so gut wie Heidfeld. Und er war bereits vor der Saison in Kontakt mit Renault. Das Cockpit hatte er nur wegen der fehlenden finanziellen Unterstützung an den Russen Petrow verloren, der aus seinem Heimatland viele Millionen mitbringt.
Nico Hülkenberg:
Manager Willi Weber ist skeptisch, was die Chancen des letztjährigen Rookies Hülkenberg angeht. Nach der unvorhergesehenen Trennung von Williams nach nur einer Saison heuerte der Mönchengladbacher als Testfahrer bei Force India an. Sieben Deutsche in der Formel 1 sind zu viel, meint Weber, der es nicht schaffte seinen Schützling, trotz Sensations-Pole in Brasilien und weiteren ordentlichen Ergebnissen wieder ein Cockpit anbieten zu können. Aber seine geringe Erfahrung ist sein größtes Manko. Flavio Briatore hat bereits signalisiert, dass er sich einen erfahrenen Piloten neben dem ungestümen Russen Petrow wünscht.
Kimi Räikkönen:
Bernie Ecclestone steht auf ihn und bekanntermaßen hat das Wort des F1-Gurus Gewicht. Eine Verpflichtung Kimi Räikkönens wäre dennoch eine Sensation. Renault müsste schon ordentlich was bieten, um den Ex-Weltmeister wieder für die Königsklasse gewinnen zu können. Allerdings gibt es kaum einen Fahrer mit mehr Erfahrung, vor allem in der Spitze. Andererseits hat er sich gerade als Rallyefahrer in der WRC-Serie etabliert und geht dort in seine zweite Saison. Der coole Finne wäre eine faustdicke Überraschung, aber sicher keine schlechte Wahl.
Timo Glock:
Auch Timo Glock, hier bei der Präsentation des neuen Virgin mit Teamkollege Jean D'Ambrosio, ist ein Kandidat bei Renault.
Ja, auch der Mann aus Wersau ist eine Option für das Cockpit. Schon zur Saison 2010 hat Glock heftig mit Renault geflirtet, den Franzosen dann aber erstaunlicherweise einen Korb gegeben und beim neuen Team Virgin angeheuert. Eine Entscheidung, die er zwar gerne verteidigt, mit der er aber nicht wirklich zufrieden sein kann. Mit dem selbsternannten "Rock'n'Roll"-Team fährt der talentierte Pilot hoffnungslos hinterher. Und auch in dieser Saison sieht es nicht danach aus, als ob sich daran etwas ändern würde. Glock hat aber eigentlich zu viel Potenzial, das er in anderen Rennserien auch schon eindrucksvoll gezeigt hat, um als bestes Rennergebnis einen 14. Platz zu verbuchen. Vielleicht eine Gelegenheit, seine Entscheidung von 2010 zurecht zu rücken.
Giancarlo Fisichella:
Er ist erfahren, kennt das Team ganz genau und ist wahrscheinlich sofort und günstig zu haben. Giancarlo Fisichella hat bereits sieben Jahre für den Rennstall gearbeitet und könnte ein ernsthafter Kandidat für das Cockpit von Robert Kubica werden. Allerdings ist der 37-Jährige wohl keinesfalls mehr als eine Zwischenlösung und dürfte wohl nur zum Zuge kommen, wenn sich abzeichnen sollte, dass Kubica noch spätestens Mitte der Saison zurückkommen wird. Seine letzten Runden bei einem F1-Grand-Prix drehte der Italiener 2009 für Ferrari. Punkten konnte er als Ersatzfahrer für den damals verletzten Massa nicht.
Christian Klien:
Auch der Österreicher Christian Klien könnte ein Kandidat sein. Der Pilot, der derzeit keinen Platz in der Königsklasse inne hat, absolvierte 2010 die letzten beiden Rennen für das HRT-Team. Insgesamt schaffte er es auf 49 Starts, die meisten davon für Red Bull in den Jahren 2005 und 2006. Auch er scheiterte letzte Saison nur knapp beim Wettbewerb um das Renault-Cockpit von Witali Petrow. Das Geld war am Ende das entscheidende Argument. Seitdem konzentriert er sich auf seinen Einsatz beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans für Peugeot. Das dürfte auch sein Problem sein, denn die Franzosen wollen dieses Jahr unbedingt die Krone dort zurückholen. Und beides zusammen ist nur schwer vorstellbar.
Vitantonio Liuzzi:
Bei Force India ausgemustert, könnte Renault die große Chance des Italieners auf ein Comeback in der Formel 1 sein. Auch wenn er betonte, dass die Gesundheit Kubicas "allem vorgehe" ist er der einzige, der sich bereits offensiv ins Gespräch brachte. Allerdings hat Liuzzi keine größeren Erfolge vorzuweisen. Aber er kommt immerhin auf 63 Starts und hat dabei 26 Punkte gesammelt. Als bestes Ergebnis war ein sechster Platz dabei.
Romain Grosjean und Bruno Senna:
Natürlich hoffen auch die beiden Ersatzpiloten von Renault auf ihre Chance. Romain Grosjean heuerte 2009 als Testfahrer bei Renault an und durfte später als Ersatz für den nach dem Crashgate-Skandal von Singapur geschassten Nelson Piquet Jr. ran. Allerdings konnte er in den verbliebenen sieben Rennen weder auf sich aufmerksam machen, noch annähernd die Rundenzeiten von Fernando Alonso erreichen. Bruno Senna fuhr letztes Jahr noch recht erfolgsfrei für das Team HRT. Sein bestes Ergebnis war ein 14. Platz, wobei der Brasilianer mit dem unterlegenen Auto wohl auch nicht mehr erreichen konnte. Beide Ersatzpiloten haben ausgesprochen wenig Erfahrung und gelten daher als unwahrscheinliche Lösung.
Alles wird am Ende davon abhängen, wie lange Robert Kubica ausfällt. Wenn der Pole tatsächlich, wie es anfangs hieß, die ganze Saison ersetzt werden muss, dann wird Flavio Briatore wahrscheinlich eher einen Fahrer bevorzugen, der viel Erfahrung und das nötige Talent mitbringt, um auch ordentlich Punkte einzufahren. Denn finanziell ist Renault seit dem Teilrückzug des französischen Autobauers 2009 nicht gerade auf Rosen gebettet und braucht jede Prämie und jedes Quäntchen Aufmerksamkeit.
Wenn Kubica aber Mitte der Saison wieder hinter dem Steuer Platz nehmen könnte, wäre wohl eher eine günstige Lösung gefragt. Der Ersatzmann sollte sich dann ohne großes Murren nach einigen Rennen wieder in die zweite Reihe zurückziehen. Allerdings bliebe auch dann unklar, wie gut Kubica nach seinem schrecklichen Crash auf die Schnelle wieder werden kann. Eine solche Lösung birgt das Risiko, die ganze Saison mehr oder weniger herzuschenken.
Bei den ersten Testfahrten wird wahrscheinlich Senna oder Grosjean antreten - es sei denn, es gibt heute noch eine Blitzaktion von Renault. Die Franzosen werden sich aber eher noch Zeit bis zu den dritten Tests in Barcelona Zeit lassen. Dann dürfte klar sein, ob wir Robert Kubica dieses Jahr noch hinter dem Lenkrad eines F1-Autos sehen werden. Wir drücken ihm die Daumen und wünschen gute Besserung.
Quelle: ntv.de