Junglöwen gegen Hipsterdrachen Bale, Rooney und die "Battle of Britain"

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Sie teilen sich eine Insel. Sie sind dem traditionellen Stil abtrünnig. Sie haben weltbekannte Superstars. Heute treffen England und Wales aufeinander. Es ist ein innerbritisches Derby zwischen zwei Teams, die sich unerwartet ähnlich sind.

England wurde vor Turnierbeginn schon wieder in den Kreis der Favoriten gelobt. Zu dicht ist der Kader. Zu talentiert die junge Garde. Nicht zum ersten Mal glaubten viele: In diesem Jahr klappt es für die Engländer. Das Remis gegen Russland brachte aber zunächst Ernüchterung. Eine gute Leistung wurde nach einer Bogenlampe von Abwehrrecke Vasili Berezutski nur mit einem Punkt belohnt.

In der Startelf gegen Russland standen fünf Kicker von Tottenham Hotspur. Und irgendwie erinnerte die englische Mannschaft auch an die Spurs. Die Three Lions bestimmten das Geschehen, aber erspielten sich wenig Zählbares. Im Zentrum zum Beispiel unternahmen Dele Alli und Adam Lallana immer wieder Läufe durch die Halbräume, wo die Russen mit ihrem improvisierten Mittelfeld eindeutig Probleme hatten. Doch England kam nur selten zu gefährlichen Torabschlüssen. Es brauchte einen Freistoß von Eric Dier, um in Führung zu gehen. Eine Führung, die in der Nachspielzeit von Russland noch ausgeglichen wurde. Ein Start nach Maß sieht gewiss anders aus.

Diese Schwierigkeiten sollen aber nicht gänzlich die gute Leistung des jungen Teams in den Hintergrund rücken. Roy Hodgson stellte eine Elf auf den Platz, die ohne wirklichen Spielgestalter und Taktgeber auskam und trotzdem in vielen Phasen mit einem guten Aufbauspiel überzeugen konnte. Zeitweise schien es so, als würde sich England an Pep Guardiolas Juego de Posición orientieren. Vor Jahren noch undenkbar.

Hodgson war nicht immer dieser nette alte Herr, der wie eine glatte Fehlbesetzung in der Rolle des Nationaltrainers wirkt. In den 1970ern und 1980ern galt er als überaus moderner Coach. Diese Zeiten sind lange vorbei, aber in diesen Tagen erlebt der 68-Jährige einen zweiten Frühling. Er profitiert dabei natürlich von einer neuen Generation englischer Fußballer – von den Allis, Diers und Rashfords. Diese Talente verkörpern nicht mehr den alten Stil, der hauptsächlich auf einer starken Physis basierte.

Gewiss können die Engländer immer noch mit Tempo über die Flügel angreifen und Flanken schlagen, aber ihr Offensivspiel ist variabler geworden. In der zweiten Halbzeit gegen Russland verfielen die Three Lions allerdings beim Stand von 0:0 in alte Muster. Zahllose Hereingaben flogen in den Strafraum des Gegners, ohne echte Gefahr darzustellen. Statt die Temponachteile der alten russischen Abwehrrecken auszunutzen, zwang man Harry Kane und Co. in Luftzweikämpfe.

Die Mannschaft der Hipster

Auch Wales, der kleine Nachbar, hat sich keinesfalls altbritischer Tugenden verschrieben. Vielmehr gelten die Dragons als Geheimtipp für alle Fußballhipster. Nationaltrainer Chris Coleman lässt mit Dreierkette und fluider Angriffsreihe spielen. Im ersten Gruppenspiel gegen die Slowakei sprang ein knapper 2:1-Sieg heraus. Die Waliser dominierten mit ihrer guten Raumaufteilung die erste Halbzeit. Aber wie England kamen sie nur selten vor das gegnerische Gehäuse. Colemans Mannschaft drang zwar hinter die Mittelfeldlinie der Slowaken, aber anschließend war der Weg bis zum Tor immer noch weit. Die 5-2-3-Formation bietet viele Möglichkeiten in der Spieleröffnung, sorgt aber häufig für Unterzahl im letzten Drittel des Spielfeldes, sofern nicht zu viele Akteure risikoreich aufrücken.

Nichtsdestotrotz: Im Gegensatz zu vielen anderen Fußballzwergen traut sich Wales etwas. Sie verteidigen nicht im herkömmlichen 4-4-2 und schlagen im Spielaufbau den Ball nicht einfach nach vorn. Vieles ist auf die beiden Superstars, Aaron Ramsey und Gareth Bale, zugeschnitten. Vor allem Letzterer führt nicht nur die Offensivreihe an, sondern versucht alles, um seiner Rolle als Leader gerecht zu werden. Bale eröffnete für Wales die EM mit einem traumhaften Freistoßtor. Er war aber ebenso in der Mittelstürmerposition integraler Bestandteil zahlreicher Offensivaktionen. Bei Real Madrid kommt er in der Regel über den Flügel. Seine Schnelligkeit und taktische Flexibilität hilft ihm auch im Angriffszentrum der Waliser.

Der Bale Englands ist Wayne Rooney. Mit 30 Jahren gehört er im Nationalteam zum alten Eisen. Und der Profi von Manchester United ist mittlerweile auch Gegenstand vieler Diskussionen, die sich darum drehen, ob Rooney überhaupt noch einen Stammplatz verdient hat. Insbesondere in den letzten Monaten, als Kane sowie Leicester-Stürmer Jamie Vardy im Angriff brillierten, schien Rooney quasi überflüssig zu sein. Aber Hodgson verzichtete zum EM-Start erwartungsgemäß nicht auf seinen Kapitän, der prompt überzeugen konnte.

Doch auch eine gute Leistung von Rooney half den Engländern nicht, um eine komfortable Führung gegen die Russen zu erzielen. Dies sollte Wales Hoffnung geben. Obwohl sich beide Teams in Ansätzen ähneln, gehen die Waliser als klare Außenseiter in die Partie. Für eine Überraschung sind sie aber allemal gut.

Quelle: ntv.de

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