Bayern-Star erschreckend schwach Die bitterböse Qual des Harry Kane

Harry Kane kann es nicht glauben, schon wieder gewinnt er keine Trophäe.

Harry Kane kann es nicht glauben, schon wieder gewinnt er keine Trophäe.

(Foto: IMAGO/MIS)

Das personifizierte England: Harry Kane bleibt der Unvollendete, weil er schon wieder keinen Titel gewinnt. Der Stürmer des FC Bayern hat in einem erschrecken schwachen EM-Finale nur elf Ballkontakte und erklärt, der Schmerz "wird noch lange wehtun". Über eine Qual, die niemals enden will.

Harry Kane schleicht konsterniert über das Spielfeld. Gen Mittelkreis. Das passiert im Finale der Europameisterschaft in Deutschland des Öfteren. Dies allerdings ist der letzte traurige Weg des Stürmers vom FC Bayern München. Denn das Endspiel ist vorbei, England hat gegen Spanien verloren und Kane schlurft von der Auswechselbank aus zu seinen Mitspielern.

Blick der Leere. Emotionslos. Fassungslos. Der Kapitän der englischen Nationalmannschaft hat auf Vereins- und Nationalmannschaftsebene weiterhin keinen einzigen Titel gewonnen. Die Qual scheint niemals enden zu wollen. Er zeigt in seinem bittersten Moment noch Größe und tröstet den aufgelösten Jude Bellingham, der allein und verzweifelt auf dem Rasen trauert, bevor er am EM-Pokal vorbeistapft, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Kane bleibt der Unvollendete. Ein tragischer Held, der nun als geprügelter Hund zum FC Bayern zurückkehrt.

"Es ist nicht leicht, diese Endspiele zu erreichen. Man muss es nehmen, wenn es kommt, und das haben wir noch nie geschafft. Es ist extrem schmerzhaft und wird noch lange wehtun", sagt ein tieftrauriger Kane nach dem 1:2 (0:0) in Berlin. Gerade der späte K.-o.-Schlag in der 86. Minute sei "wirklich schwer zu verkraften", erklärt er und spricht von einer "verpassten Chance": "Es ist schwierig, auszudrücken, was wir alle gerade fühlen."

"Der Fluch von Harry Kane"

Welche Chancen hat Kane nicht schon alle verpasst? Etwa den Triumph in der Premier League mit Tottenham Hotspur hauchzart. Auch das Finale der Champions League verlor er mit seinem Ex-Klub knapp gegen Liverpool. Und bei der EM 2021 setzte es die bittere Endspiel-Pleite im Elfmeterschießen gegen Italien. Genau drei Jahre und drei Tage vor der tragischen Niederlage gegen Spanien.

Im vergangenen Sommer wechselte der Engländer zum FC Bayern, um endlich doch mal einen Titel im Profibereich zu erringen. Und was machen die Münchner? Gewinnen zum ersten Mal seit 2012 überhaupt nichts. Dabei traf der Superstürmer in seinem ersten Jahr in Deutschland, wie er wollte. Dabei war er vielleicht der beste Mittelstürmer auf dem Planeten in der vergangenen Saison. Auch deshalb schreibt das italienische Blatt "Tuttosport" nach der Final-Pleite gegen Spanien vom "Fluch von Harry Kane".

Zwar wird der Angreifer bei der EM sogar Torschützenkönig (genauso wie fünf andere hat er drei Treffer erzielt), aber insgesamt enttäuscht er im Turnier. "Körperlich war es hart für ihn. Er kam mit zu wenig Spielen ins Turnier und hat noch nicht ganz das Niveau erreicht, das wir uns alle erhofft hatten", meint dazu sein Trainer Gareth Southgate. Eine langwierige Rückenverletzung hatte Kane schon beim FC Bayern in den letzten Wochen der Bundesliga-Saison außer Gefecht gesetzt und er litt wohl auch noch bei der EM daran. Englische Journalisten waren schon am Ende der Vorrunde skeptisch, ob Kane der Mannschaft in seiner aktuellen Form überhaupt noch helfen könne.

Auch Gebete helfen Kane nicht

Womöglich auch deshalb erlebt der Bayern-Stürmer vor der Pleite, vor dem Schmerz, eine Partie des Grauens. Dass es gegen Spanien schwerer werden würde, als mit dem FC Bayern einen Titel zu holen, war klar: Seit dem UEFA-Champions-League-Finale 2002 haben spanische Mannschaften und die spanische Nationalmannschaft in 23 großen Endspielen (Champions League, UEFA-Pokal, Europa League, Weltpokal, Europameisterschaft) gegen nicht-spanische Mannschaften gespielt und in allen 23 Fällen den Pokal gewonnen.

Aber dass Kane derart untergehen würde, war nicht zu erwarten: In der 61. Minute bereits wird der überaus blasse Stürmer ausgewechselt. Elf Ballkontakte hat er zu diesem Zeitpunkt. Einen im gegnerischen Strafraum, doppelt so viele im eigenen. Überhaupt hatte Kane bei den Endspielen der Europameisterschaften 2021 und 2024 nur eine einzige Berührung im gegnerischen Strafraum. Zum Vergleich: Das ist eine weniger als Jack Grealish. Der Offensivkünstler von Manchester City spielte im Endspiel gegen Italien genau 21 Minuten und schaffte es in diesem Jahr nicht in den englischen Kader.

Die britische Schauspielerin Kate Beckinsale hatte vor dem Finale gar das Vaterunser umgedichtet. In einem Video, das die BBC teilte, sagte sie: "Unser Gareth in Berlin. Geheiligt werde dein Kane. Deine Zeit ist gekommen. Dein Finale wird gewonnen." Allein, es half alles nichts. Der Fluch von Harry Kane war zu stark für die Gebete. Zu mächtig, um den Stürmer von seiner anhaltenden Qual zu erlösen.

"Wieder schwierige Nacht für Harry Kane"

In der ersten Halbzeit läuft die Nummer 9 glücklos die spanischen Verteidiger an. In der 25. Minute hat er seine ersten Szenen: Nachdem er kurz zuvor erstmals einen Angriff aus dem Mittelfeld anleitet, sieht Kane mit seiner zweiten Aktion bereits die Gelbe Karte. Er grätscht mit offener Sohle in den Knöchel von Fabián Ruiz und hat Glück, dass er den Spanier nicht höher trifft. Die englischen Fans im Berliner Olympiastadion antworten mit "God Save the King" - aber ob sie ihren Stürmer mit dem Gesang meinen?

Zum Pausentee zitiert die BBC im Liveticker eine Fan-Zuschrift, die da meint: "Ich will nicht über ihn lästern, aber Harry Kane sieht einfach nicht gut aus! Wie lange gibt ihm Gareth [Southgate] noch?" Der "Guardian" schreibt zum selben Zeitpunkt: "Wieder eine schwierige Nacht für Harry Kane."

Natürlich erhält der Stürmer auch wenige Flanken und Pässe in den Strafraum, aber gerade bei den spanischen Offensivbemühungen in der zweiten Hälfe, aus denen auch das 0:1 resultiert, schleicht Kane bemerkenswert wenig engagiert am Mittelkreis herum. Immerhin feuert er nach dem ersten Gegentreffer seine Mitspieler an.

Kane - das personifizierte England

Kurz darauf ist aber bereits Schluss für ihn. In der 61. Minute muss er Ollie Watkins Platz machen und kann selbst nichts mehr ändern an seiner eigenen Qual und am Schmerz der Three Lions. Auf der Bank sieht Kane nur drei Minuten später die beste Chance seiner Teamkollegen in der zweiten Hälfte: Jude Bellingham dreht sich einmal um Gegenspieler Daniel Carvajal und die eigene Achse, aber sein Schuss aus 18 Metern rauscht am linken Pfosten vorbei.

Dann trifft der eingewechselte Cole Palmer zum überraschenden Ausgleich: Kane springt auf, applaudiert. Würde am liebsten wohl wieder eingewechselt werden, um das Ergebnis irgendwie über die Zeit zu retten. Am besten ins Elfmeterschießen, wo er zu den sichersten Schützen gehört. Aber natürlich geht das nicht. Und die Tragik nimmt ihren Lauf. Beim späten spanischen Siegtreffer von Mikel Oyarzabal sitzt Kane weiterhin draußen und kann nicht helfen. Konsterniert blickt er ins Nichts. Bis der Abpfiff erfolgt.

Schon oft hat der Münchner Stürmer trotz seiner vielen Tore und Siege so viel Schmerz erfahren müssen. Der letzte Schritt, er will einfach nicht gelingen. Harry Kane bleibt der Unvollendete. Das personifizierte England. Oft oben dabei, aber doch nicht komplett am Ziel. Die Qual scheint niemals enden zu wollen.

Quelle: ntv.de

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