
Er ist völlig entspannt: Rudi Völler.
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Ein neuer Wettbewerb beginnt: DFB-Sportdirektor Rudi Völler verkündet bei seiner Pressekonferenz im EM-Quartier der deutschen Fußball-Nationalmannschaft viele Dinge. Etwa, dass es jetzt erst so richtig losgeht und dass DFB-Star Waldemar Anton nach dem Turnier einen neuen Klub hat.
"Danke, Männer", sagt Rudi Völler im Aufstehen, lächelt nett und will das Pult eigentlich schon verlassen. Aber halt! Hat er da nicht was vergessen? Keine Sekunde vergeht, da fällt ihm ein, dass auch Frauen in der großen DFB-Presseturnhalle in Herzogenaurach sitzen - obwohl Nationalmannschaftsreporter noch immer vor allem ein männlicher Beruf ist. Er beugt sich noch nach vorne, in der allgemeinen Aufbruchsstimmung geht es fast unter, und schiebt ein "Und Mädels!" hinterher. Puh, gerettet.
DFB-Sportdirektor Völler verheimlicht gar nicht erst, dass er mit seinen 64 Jahren aus einer anderen Zeit kommt, das hat er nie gemacht. Er gendert nicht, auf einer Yogamatte wird man ihn nie erwischen. So ist er halt, der Rudi. Seine Stärke ist eine andere: Er ist ein Mann des Volkes, was auch immer das bedeutet. Beim öffentlichen Training in Herzogenaurach konnte man ihn vor der EM beobachten, wie er unaufhörlich Foto- und Autogrammwünsche für diverse Altersgruppen erfüllte, während das Team auf dem Feld arbeitete.
Er ist vor allem für die Stimmung verantwortlich. Zwar hat sich seit dem "holprigen, aber verdienten" 1:1-Remis gegen die Schweiz kaum ein DFB-Star öffentlich geäußert, aber: Offenbar ist die Stimmung bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft prächtig. Es ist nicht bekannt, ob und wie viele Feuerlöscher Völler auf seinem Hotelzimmer in Herzogenaurach deponiert hat, bisher kam aber offenbar noch keiner zum Einsatz. Überraschend reibungslos ging es durch die Gruppenphase. "Die Brandherde, die es hätte geben können, gab es noch nicht", sagt er. "Deshalb war es für mich etwas einfacher in den vergangenen Wochen." Er arbeite ohnehin lieber im Hintergrund, sagt er.
"Ich bin ein bisschen oldschool"
Wenn er in den Vordergrund rückt, ist es meist ein schlechtes Zeichen. Noch vor wenigen Monaten lag das DFB-Team am Boden, da war der Name Völler deutlich präsenter. Er war an der ersten Trainerentlassung in der Verbandsgeschichte beteiligt, stand als Interimsnachfolger von Hansi Flick selbst für ein Spiel an der Seitenlinie. Und er war entscheidender Faktor, dass der Bundestrainer nun Julian Nagelsmann heißt. Es war schon nach den erfolgreichen März-Länderspielen gegen die Niederlande und Frankreich zu beobachten, auch diesmal ist es so: Läuft es bei der DFB-Elf, dann geht es auch Rudi Völler gut.
So viel Gelassenheit, es ist fast erstaunlich: Vor den versammelten Journalistinnen und Journalisten spricht er darüber, wie er ab und an Kaffee mit Thomas Müller oder Manuel Neuer trinkt. In seiner Plauderlaune verkündet Völler dann auch noch den Wechsel von DFB-Star Waldemar Anton, in einem Nebensatz. Denn eigentlich wollte sein Ex-Klub Bayer Leverkusen den VfB-Kapitän verpflichten, "leider hat er sich für Borussia Dortmund entschieden", sagt Völler.
Aber Moment? Es ist doch noch gar nichts offiziell? Das stellt dann auch DFB-Pressesprecherin Franziska Wülle wenig später klar. "Ich bin ein bisschen oldschool", sagt Völler, "das hört sich besser an als altmodisch. Hin und wieder lese ich gerne die aufgeschlagene Zeitung, und irgendwo habe ich gelesen, dass er zu Dortmund geht. Ich wollte hier natürlich nichts verkünden." Er zuckt mit den Schultern und schiebt vielsagend hinterher: "Mal gucken, ob ich am Ende recht habe."
"Ein neuer Wettbewerb"
Seine Gelassenheit zeigt, unter welchem Druck die Nationalelf vor dem ersten Gruppenspiel gestanden haben muss. Bundestrainer Nagelsmann habe es geschafft, dass die Spieler nicht von den Stresssituationen erdrückt werden, lobt Völler. "Gerade vor dem ersten Spiel, wo der Druck wirklich groß war. Wir spielen eine Heim-EM, wo die Erwartungen natürlich riesig sind, da haben das die Spieler und er (der Bundestrainer, Anmerk. d. Red.) wunderbar umgesetzt." Das ist nun aber auch egal. "Jetzt ist ein neuer Wettbewerb, jetzt ist K.-o.-System, Achtelfinale, jetzt zählt's. Und wir sind gewappnet", sagt Völler.
Er schwärmt vom DFB-Team, von Nagelsmann, den Auswechselspielern, der medizinischen Abteilung, dem Trainerstab. Einer Stürmerdebatte geht er lobend aus dem Weg: Niclas Füllkrug habe zwar eine unfassbare Torquote (13 Treffer aus 19 Spielen), Kai Havertz mache das aber auf dem Platz eben außergewöhnlich gut. Dass Leroy Sané bislang noch keinen guten Einsatz hatte? Egal, er sei "eine große Waffe, die wir haben". Und sowieso: In der Mannschaft herrsche ein wunderbarer Teamspirit, erklärt er. Der auch dann noch wichtiger wird, wenn jemand ausfällt.
Im Achtelfinale gegen Dänemark (21 Uhr/ZDF, MagentaTV und im ntv.de-Liveticker) muss Bundestrainer Nagelsmann auf jeden Fall die Innenverteidigung umbauen. Jonathan Tah fehlt mit seiner Gelbsperre, bei seinem verletzten Kollegen Antonio Rüdiger müsse man von Tag zu Tag schauen, sagt Völler. Und selbst wenn es nicht klappen sollte, sind da ja noch besagter Anton und eben Nico Schlotterbeck, der nach seiner Einwechslung das "toll" gemacht habe.
Den wichtigsten Auftrag erfüllt
Dänemark überzeugte in der Gruppenphase bislang nicht wirklich: drei Spiele, drei Remis, nur zwei geschossene Tore. Sie spielen nur deshalb gegen das DFB-Team, weil die Fairplay-Regel griff - die Serben hatten eine Gelbe Karte mehr. Völler erwartet eine "brandgefährliche", körperbetonte Mannschaft, die zwar kopfballstark sei, aber sich schwertue, selbst Tore zu erzielen. "Wenn wir ein paar Fehler, die wir jetzt im Spiel in Frankfurt gemacht haben, weglassen, dann ziehen wir ins Viertelfinale ein", sagt Völler. Die DFB-Elf gehe mit Selbstvertrauen und Optimismus ins Duell.
Hinzu kommt ein anderer Faktor: das Stadion in Dortmund. "Ich freue mich riesig darauf, das war aber bei allen so", erklärt Völler. Es habe keinen "Hauch von Diskussionen" über Rechenspiele gegeben, ob es nicht besser wäre, lieber Zweiter in der Vorrunde zu werden. "Ganz klar: Unser Ziel war Gruppensieger zu werden, um hier dann im Achtelfinale egal gegen wen zu spielen, um da die Atmosphäre mitzunehmen", sagt Völler.
Denn, und das erklärt auch seine gute Laune, den wichtigsten Auftrag habe das DFB-Team schon erfüllt. "Das ist das, was wir schon vor Monaten immer wieder gesagt haben", erklärt Völler. Es sei das Wichtigste: "Wie können wir die Menschen auf unsere Seite bringen?", sagt er und schiebt stolz hinterher: "Und das haben wir geschafft."
Quelle: ntv.de