Bis zur allerletzten Sekunde Die EM der kleinen und späten Dramen

Eder erlöst Italien spät gegen Schweden.

Eder erlöst Italien spät gegen Schweden.

(Foto: picture alliance / dpa)

Fast alle EM-Spiele sind torarm. Sie sind dafür aber auch spannend bis in die Nachspielzeit. Ein Grund: Auch die "Fußballzwerge" beherrschen mittlerweile die Kunst der Verteidigung. Das Gegenmittel? Die Wiedergeburt der Stoßstürmer.

Mario Götze spricht vom "Turnier der engen Spiele", Joachim Löw von "Abnutzungskämpfen". Die Fußball-EM ist bislang von Last-Minute-Siegen statt rauschenden Torfestivals gekennzeichnet, im ersten Turnier-Drittel standen fast alle Partien auf Messers Schneide. "Schuld" an der Drama-EM haben nicht zuletzt die vermeintlichen Fußballzwerge wie Island oder Albanien.

"Ich habe schon vor dem Turnier gesagt, dass es in der Vorrunde Abnutzungskämpfe geben wird. Die so genannten Kleinen machen, was sie am Besten können, nämlich verteidigen. Konditionell sind sowieso alle auf der Höhe", sagt Bundestrainer Löw über den auffallenden Trend. Nahezu jedes Spiel blieb bis zur letzten Sekunde spannend, zwölf (!) der ersten 39 EM-Tore fielen nach der 87. Minute. In allen Anfangsviertelstunden der ersten 21 Spiele waren es insgesamt ganze 2.

Besser spät als nie

"Mittlerweile können alle Mannschaften gut verteidigen", sagt auch Karlheinz Förster, der 1980 als Abwehrrecke mit Deutschland Europameister wurde. "Island, Albanien und auch viele andere haben sich weiterentwickelt. Diese Mannschaften machen die Räume sehr gut eng." Darunter leide allerdings die Attraktivität. Die Zahlen untermauern das.

In keiner der ersten 20 EM-Partien gelangen einer Mannschaft mehr als zwei Tore, dies schaffte erst Titelverteidiger Spanien im 21. Spiel gegen die Türkei (3:0). Im Schnitt fielen bisher 2,00 Treffer pro Begegnung. Damit könnte es einen EM-Minusrekord geben. Bislang war Italien 1980 mit 1,93 Treffern die torärmste EM, gefolgt von England 1996 (2,06).

Auffällig ist vor allem, wie spät die Tore fallen. "Bei der vermeintlich schwächeren Mannschaft lassen irgendwann Kräfte und Konzentration nach. Und dann fällt eben das entscheidende Tor. Irgendwann machst du die Fehler", sagt Förster. Die "Meister des Endspurts" ("Le Parisien") sind bisher die Franzosen, die drei ihrer vier Treffer in der 89., 90. und 96. Minute erzielten.

Wiedergeburt des Stoßstürmers?

Bleibt die Frage nach einem Gegenmittel. Die Lösung könnte laut Förster eine altbewährte sein, auch für das deutsche Team. "Die Frage ist, ob man nicht einen Stoßstürmer wie Mario Gomez braucht, der zwei Innenverteidiger beschäftigt und dann Räume schafft", sagt der 81-malige Nationalspieler. Die Variante mit Götze habe "bisher nicht so funktioniert, wie man sich das erhofft hat".

Mauert sich am Ende also wieder ein Außenseiter zum Titel? Klaus Augenthaler glaubt das nicht. "So etwas wie 2004 mit Griechenland und Otto Rehhagel - ich glaube nicht, dass es so etwas noch einmal gibt", sagte der Weltmeister von 1990. Die Griechen hatten vor zwölf Jahren in Portugal mit nur sieben Toren in sechs Spielen sensationell die EM gewonnen.

Und auch Karlheinz Förster glaubt, dass spätestens mit dem Ende der Vorrunde sowohl die Torquote als auch das Niveau endlich steigen. Teams wie Island oder Albanien seien vielleicht in der Defensive inzwischen stark, "nach vorne aber ungefährlich", sagt Förster. Er ist sich sicher: "Ab dem Achtelfinale werden die Spiele offener und interessanter."

Quelle: ntv.de, Erik Roos, sid

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