Die K.-o.-Phase der EM beginnt Die Mannschaft, die keine Tore mehr kassiert
26.06.2021, 14:31 Uhr
Ob Gianluigi Donnarumma (rechts) oder Salvatore Sirigu (links): Die italienischen Torhüter kassieren keine Tore mehr.
(Foto: imago images/Shutterstock)
Die K.-o.-Phase der Fußball-EM beginnt am heutigen Samstag. Über die nächsten vier Tage spielen die verbliebenen 16 Teams die Viertelfinalisten aus. Los geht es heute unter anderem mit einer der Geschichten des Turniers, dem Comeback der Dänen, und dem Titelfavoriten Italien. Till Erdenberger liefert die Vorschau.
Es wird ernst bei der Fußball-EM: Zum Start des Achtelfinals greifen die Italiener ein, ein Topfavorit. Und Dänemark, das eine neue Geschichte schreiben kann. Sie treffen auf Österreich und Wales. Das Team aus dem Vereinigten Königreich war eine der großen Überraschungen bei den Kontinentalwettkämpfen vor fünf Jahren. Wie waren die Mannschaften in der Vorrunde und worauf müssen Sie bei den anstehenden Spielen achten?
Dänemark - Wales, Austragungsort: Amsterdam
Wo wird das Spiel übertragen?
Los geht es um 18 Uhr auf ARD, MagentaTV und natürlich im Liveticker auf ntv.de.
Das sagt ntv.de-Experte Till Erdenberger:
Eine wundersame Geschichte geht zu Ende, eine andere wird weiter geschrieben. Das Spiel in Amsterdam ist völlig offen, einen Favoriten gibt es nicht. Die Dänen verlieren mit dem Start der K.-o.-Runde ihren Heimvorteil aus dem gut gefüllten und natürlich hoch emotionalisierten Parken, was sie ein paar Prozent ihrer kollektiven Stärke kosten könnte. Die bessere Mannschaft sind sie dennoch. Aber was bedeutet das schon gegen Wales, dieses Kollektiv, das sich im Verbund gegen alles stemmt, was da kommt und auch mit einfachen Mitteln - langer Ball, Bale, Gefahr - zu Toren kommen kann? Es klingt nach einem engen Spiel, vielleicht sogar nach einem Krimi. Nicht schön, aber dicht und intensiv. Und am Ende gewinnt Dänemark.
Dänemark spielt für Eriksen
Die Dänen lieferten die Geschichte dieser Fußball-EM. Unfreiwillig und sie begann schrecklich: Mit dem schrecklichen Drama um ihren größten Star. Christian Eriksen kollabierte gegen Finnland und musste vor den Augen seiner entsetzten Mannschaftskameraden - und viel zu lange auch vor denen der Fußball-Öffentlichkeit - reanimiert werden. Der 29-Jährige wurde gerettet, wie durch ein Wunder geht es ihm heute wieder gut. Natürlich liegt die Deutung nahe, dass alles, was die Dänen fortan in diesem Turnier vollbringen, "for Eriksen" ist, also für ihren alles überragenden Spielmacher. Es ist der romantische Teil der Geschichte. Der Underdog zieht Kraft aus den Umständen und wächst über sich hinaus. Eine Heldengeschichte.
Die Wahrheit aber ist: Das braucht es gar nicht, denn die Dänen haben einfach eine starke Mannschaft und hatten eine schwache Gruppe: Nie kam ein Team nach zwei Niederlagen zum Auftakt der Gruppenphase noch weiter - und dann noch als Zweiter. Stark spielte man schon gegen den ewigen Geheimfavoriten aus Belgien, der die Gruppe souverän gewann, berauschend war der Abend zum Abschluss gegen Russland, der das Weiterkommen sicherte. Es schien, als wollte der Fußball-Gott mit dieser Auslosung reparieren, was die UEFA verbockt hatte, als sie die geschockten Dänen nach dem Sekundentod ihres Mitspielers und Freundes Christian Eriksen davon überzeugte, dass es eine gute Idee sei, das Spiel wenige Minuten nach dem schrecklichen Vorfall doch noch schnell zu Ende zu bringen.
Wales bringt PS auf die Straße
Im Achtelfinale wartet nun Wales, Sensationshalbfinalist der Europameisterschaft 2016. In einer komplizierten Gruppe mit dem völlig enttäuschenden Geheimfavoriten Türkei, der eigentlich stärker eingeschätzten Schweiz und den beängstigend souveränen Italienern sicherte man sich Platz zwei. Die wundersame Reise des walisischen Teams, in dem mit Gareth Bale ein Superstar steht, der diesem Status in seinen Vereinsmannschaften seit Längerem nicht mehr gerecht wird, nimmt also schon wieder an Fahrt auf.
Neben Bale arbeiten zahlreiche walisische Spieler am nächsten Wunder, die in ihren Ligen eher in Nebenrollen unterwegs sind. Damit schafft Trainer Robert Page, der kurz vor dem Turnier für Ryan Giggs übernahm, auch 2021, woran es auch beim DFB-Team bisweilen krankt: Gemeinsam bringt man mehr PS auf die Straße, als man einzeln eigentlich mitbringt. Die erfolgreich bewältigte Gruppenphase - Niederlage gegen Italien, Unentschieden gegen die Schweiz, Sieg über die Türkei - wird die Truppe nun eher nicht einbremsen.
Italien - Österreich, Austragungsort: Wembley
Wo wird das Spiel übertragen?
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Das sagt ntv.de-Experte Till Erdenberger:
Es gibt keine zwei Meinungen: Italien wird ins Viertelfinale einziehen. Es gibt keinen Faktor, der für Österreich spräche. Kunst, Klasse, Teamgeist, überall sind die Hochgehandelten stärker einzuschätzen als der Außenseiter. Es gibt nicht einmal die Hoffnung, dass das Kollektiv heute Abend in London über die Ansammlung der besseren Einzelkönner obsiegen könnte. Dieses Narrativ kann nicht zur Anwendung gebracht werden, um irgendeine Underdog-Geschichte konstruieren zu können, egal, wie schön sie auch immer ist. Das überragende Kollektiv Italien wird Österreich schlagen.
Italien setzt Ausrufezeichen
Sie werden doch wohl nicht ...? Sicher, die italienische Mannschaft war mit der Empfehlung von 27 Spielen ohne Niederlage zur Euro 2020 gereist. Ja, mit Roberto Mancini leitet ein Weltklassetrainer die Mission und irgendwie ist mit Italien immer zu rechnen. Aber so souverän, wie man durch die Gruppenphase rauschte, das hatten die wenigsten erwartet. Es war ja nicht einfach souverän, es war - für die historisch eher pragmatischen italienische Teams - sogar berauschend. Drei Spiele, drei Siege, 7:0 Tore. Nun sind sie seit 30 Spiele ungeschlagen und seit über 1000 Minuten ohne Gegentor. Ein neuer Rekord winkt. Die Zahlen sind beeindruckend, mehr aber noch die Begeisterung fürs eigene Tun und die spürbare Euphorie für die Gemeinschaft.
Diese Italiener machen Angst. Im letzten Gruppenspiel gegen Wales änderte Mancini sein Team auf gleich acht Positionen: Folgenlos. Sogar den Torwart wechselte er im Laufe des Spiels, um den Teamgeist zu stärken. Nicht spürbar, sondern sichtbar stieß dann auch noch Marco Verratti wieder zum Team, der bislang verletzte Edel-Mittelfeldarbeiter von Paris St. Germain. Noch mehr Qualität? Es ist beängstigend. Während sich zahlreiche der gehandelten Topfavoriten eher durch die Gruppenphase arbeiteten, setzten die Italiener in jedem einzelnen Spiel ein Ausrufezeichen hinter ihre Ansprüche.
Österreich wurschtelt sich durch
Die Österreicher dagegen dürfen mit dem Erreichten schon zufrieden sein, denn es ist verbandshistorisch: Zum ersten Mal überhaupt überstand eine österreichische Mannschaft eine Vorrunde bei einer Europameisterschaft. Und zum ersten Mal seit 1982 gelang bei einem großen Turnier der Einzug in die K.o.-Runde. Schön war es meistens nicht, was die Mannschaft von Franco Foda in der Gruppenphase anbot. Sogar im Triumph wurde es hässlich. Stürmer Marco Arnautovic leistete sich nach seinem Treffer zum 3:1 gegen Nordmazedonien einen Verbalausfall, der entweder rassistisch war, sexistisch oder mindestens eklig.
Die Fratze des jubelschimpfenden Stürmers, dem David Alaba noch Einhalt gebieten wollte, bleibt in Erinnerung. Ein erarbeiteter Sieg gegen den Außenseiter, eine Niederlage gegen den souveränen Gruppensieger Niederlande und ein knapper, pragmatisch herausgearbeiteter Sieg gegen die Ukraine sorgten aber für ein nach Zahlen starker Vorrundenergebnis. Und es war ja historisch.
Quelle: ntv.de