Georgiens EM-Debüt vs. Türkei Die UEFA hat das Spektakel von Dortmund erst möglich gemacht
19.06.2024, 09:42 Uhr
Riesenjubel nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich: Beim 1:3 gegen die Türkei erzielte Georges Mikautadze das erste EM-Tor Georgiens.
(Foto: IMAGO/AFLOSPORT)
Georgien liefert der Türkei am Dienstagabend in Dortmund einen heißen Tanz bis in die Nachspielzeit. Beim EM-Debüt schnuppern die "Kreuzritter" sensationell an einem Punkt, dabei waren sie in der Qualifikation für das Turnier eigentlich völlig chancenlos.
Die letzten Sekunden setzten einem spektakulären Fußballspiel die Krone auf. 90 Minuten geht es im Regen von Dortmund rauf und runter. Traumtore, verpasste Chancen, Latten- und Pfostentreffer, aufgeheizte Atmosphäre. Die Partie zwischen Türkei und Georgien hatte alles, was ein sehr gutes Fußballspiel ausmacht. Dann fliegt beim Stand von 2:1 für die Türkei Standard um Standard in den türkischen Strafraum, mehrfach klären die Türken in brenzliger Situation. Torwart Mert Günok faustet schließlich auch den letzten Ball weg und Kerem Aktürkoglu läuft alleine auf das leere Tor zu, nachdem der georgische Schlussmann Giorgi Mamardashvili mit nach vorne gestürmt war. Aktürkoglu passt den Ball locker leicht ins Tor. Die Türkei gewinnt 3:1, nach aberwitzigen 97 Minuten im Heimatstadion von Borussia Dortmund.
Großen Anteil am bisher spektakulärsten Spiel des Turniers hatten die am Ende unter Wert geschlagenen Georgier. Einen überraschenden Punktgewinn im ersten Endrunden-Spiel der Verbandsgeschichte hätte das Team von Trainer Willy Sagnol durchaus verdient gehabt. Doch auch trotz zahlreicher verpasster Chancen in der Schlussphase hat sich das Team aus dem Kaukasus viel Respekt erarbeitet.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Der mutige Auftritt der georgischen Debütanten mit ihrem Starspieler Khvicha Kvaratskhelia von der SSC Neapel wäre ohne das Qualifikationssystem der UEFA niemals möglich gewesen. Dass das fußballerisch eher gering entwickelte Land den Weg zur Europameisterschaft überhaupt antreten konnte, liegt an zwei Entscheidungen des europäischen Fußballverbands, die von vielen Experten und Fans aus den großen Fußballnationen kritisch betrachtet wurden und teils immer noch werden.
Zuerst war da die Entscheidung, die EM auf 24 Teams zu erweitern. Seit der Endrunde 2016 schaffen acht Länder mehr als zuvor die Qualifikation. Doch die Erweiterung von 16 auf 24 Teilnehmer reichte Georgien alleine noch nicht, um eine realistische Chance auf die EM-Quali zu haben. In der Qualifikation für das Turnier in Frankreich 2016 gewann Georgien nur drei seiner zehn Spiele, zwei davon gegen Gibraltar. Auch die Quali für die EM 2021 verlief schlecht, von acht Partien gewann Georgien nur zwei, beide erneut gegen Gibraltar. Genauso schlecht lief es in der Quali für die EM 2024. Auch diesmal gewannen die "Kreuzritter", wie das georgische Nationalteam genannt wird, nur zwei von acht Partien, beide gegen Zypern.
Nations League ebnet den Weg
Wie hat es Georgien dann zur EM geschafft? Die Begründung heißt Nations League. Das auf den ersten Blick undurchsichtige Ligenkonstrukt wurde erstmals 2018 ausgetragen und bietet seitdem eine weitere Möglichkeit, sich für WM und EM zu qualifizieren. Davon profitieren vor allem kleinere Nationen. 2021 gelang Nordmazedonien über die Nations League sensationell der Sprung zur EM. Im Finale der Playoffs gewannen die Nordmazedonier damals übrigens in Georgien.
Drei Jahre später hat es das Sagnol-Team selbst zur Endrunde geschafft. In Liga C der Nations League sammelte Georgien 16 von 18 möglichen Punkten gegen Bulgarien, Nordmazedonien und Gibraltar, schaffte es somit ungeschlagen in die Quali-Playoffs zur EM 2024. Im Playoff-Halbfinale wurde Luxemburg 2:0 besiegt, im Finale setzte sich Georgien überraschend gegen Griechenland im Elfmeterschießen durch.
Ohne die Nations League wäre Georgien nicht mal in die Nähe der Endrunde gekommen. Das neu eingeführte Turnier ist für nominell schwächere Mannschaften ein Glücksfall. Mit Siegen gegen gleichwertige Gegner erspielen sich Nationen wie Georgien Selbstvertrauen und die Chance auf eine ansonsten unerreichbare Endrunde. Und selbst dabei sein ist für Georgien nicht mehr alles, wie die "Kreuzritter" beim 1:3 gegen die Türkei eindrucksvoll bewiesen haben. Zwei Entscheidungen der UEFA haben diese Entwicklung möglich gemacht: Acht zusätzliche Startplätze bei der EM und die Einführung der Nations League mit der Möglichkeit, sich über verschlungene Wege zur Endrunde zu spielen.
Quelle: ntv.de