Philosophie, Flanken - EM-Finale? Diese Fehler darf Löw nicht machen

Joachim Löw, im (verlorenen) EM-Halbfinale 2012 gegen Italien

Joachim Löw, im (verlorenen) EM-Halbfinale 2012 gegen Italien

(Foto: dpa)

Historisch hatte Deutschland stets das Nachsehen in Duellen mit Italien. Doch dieses Mal könnte alles anders kommen. Die Squadra Azzurra ist nicht weniger unangenehm als in früheren Turnieren, aber Löw hat mit dem Potenzial der DFB-Auswahl die Karten in der Hand.

Joachim Löw steht wieder einmal vor einer echten Bewährungsprobe in seiner Karriere als Bundestrainer. Gegner Italien erweckt beim 56-Jährigen schlechte Erinnerungen. Bei der Europameisterschaft vor vier Jahren wurde sein Team von Pirlo und Co. mehrfach auf dem falschen Fuß erwischt und aus dem Turnier geworfen. Nun geht es in der K.o.-Runde wieder gegen Angstgegner Italien. Damit Deutschland das Viertelfinale übersteht, muss Löw einige wichtige Punkte beachten.

1. Nicht die eigene Philosophie aufgeben

Grafik 1: Im markierten Raum sollten die Deutschen in Überzahl sein, um im Gegenpressing den Kampf um den zweiten Ball zu gewinnen. Außerdem ergeben sich so Rückpassoptionen für den Flügelangreifer.

Grafik 1: Im markierten Raum sollten die Deutschen in Überzahl sein, um im Gegenpressing den Kampf um den zweiten Ball zu gewinnen. Außerdem ergeben sich so Rückpassoptionen für den Flügelangreifer.

(Foto: Constantin Eckner / n-tv.de)

Italien schlug im Achtelfinale Spanien, eine Ballbesitzmannschaft wie Deutschland. Doch Löw darf diese Partie nicht zum Anlass nehmen, die Philosophie der DFB-Auswahl über den Haufen zu werfen. In Wirklichkeit verfügt die deutsche Mannschaft mittlerweile über einen besseren Spielaufbau und in Gänze über ein besseres Ballbesitzspiel als Spanien. Die Iberer ließen sich von Italiens Pressing den Schneid abkaufen. Deutschland hingegen muss auf volle Dominanz setzen und die eigenen Stärken in der Spieleröffnung nutzen.

Geheimwaffe ist dabei Manuel Neuer, der anders als Spaniens Torhüter David de Gea selbst unter Druck noch einen präzisen Pass zum Mitspieler bringt und den Ball nicht einfach blind nach vorn schlägt. Unter Einbeziehung Neuers kreiert Deutschland gegen hohes Pressing eine Überzahl und bleibt damit dem eigenen Konzept treu.

2. Nicht die falschen Schlüsse aus dem Achtelfinale ziehen

Italien überzeugte beim Sieg über Spanien mit einer engen Manndeckung. Im Zentrum stellte die Squadra Azzurra alle Anspieloptionen zu. Lediglich die beiden spanischen Außenverteidiger waren des Öfteren anspielbar, da Italien die eigenen Flügelverteidiger zur Absicherung nach hinten zog. Dies bedeutet allerdings nicht, dass Löw nun beim Aufeinandertreffen mit Italien die Angriffe vornehmlich über die eigenen Außenverteidiger laufen lassen sollte.

Dann würde die DFB-Auswahl unweigerlich in eine Falle tappen. Erhalten Joshua Kimmich und Jonas Hector zu früh den Ball, könnten sie an der Seitenlinie isoliert werden. Oder sie haben anschließend lediglich die Möglichkeit den Flügel entlang zu spielen. Aber: Außenbahnangriffe sind nur bedingt nützlich in dieser Partie.

3. Nicht zu viele Flanken schlagen

Hohe Hereingaben werden von den drei italienischen Verteidigern – Andrea Barzagli, Leonardo Bonucci und Giorgio Chiellini – sehr gut verteidigt. Selbst ein physisch präsenter Mittelstürmer wie Mario Gomez hat einen schweren Stand gegen die genannten Abwehrhünen. Zudem würde sich die deutsche Mannschaft ihrer eigenen spielerischen Stärken berauben. Dosierter Einsatz von Flanken kann zum Erfolg führen. Wiederholte Durchführung immer gleicher Flügelangriffe mit immer gleichen finalen Zuspielen bringt die italienische Verteidigung jedoch nicht unbedingt in Gefahr.

4. Nicht den Rückraum vernachlässigen

Grafik 2: Bei einer Dreierkette könnte der Ball über die drei Verteidiger laufen, während Italien die restliche deutsche Mannschaft in Manndeckung nimmt, aber im Pressing in Unterzahl bleibt. In dieser Variante hätten Hummels und Höwedes die Möglichkeit, über die Halbräume vorzustoßen und die italienische Defensive zum Handeln zu zwingen. Das würde wiederum Raum für andere deutsche Spieler öffnen.

Grafik 2: Bei einer Dreierkette könnte der Ball über die drei Verteidiger laufen, während Italien die restliche deutsche Mannschaft in Manndeckung nimmt, aber im Pressing in Unterzahl bleibt. In dieser Variante hätten Hummels und Höwedes die Möglichkeit, über die Halbräume vorzustoßen und die italienische Defensive zum Handeln zu zwingen. Das würde wiederum Raum für andere deutsche Spieler öffnen.

(Foto: Constantin Eckner / n-tv.de)

Deshalb ist es wichtig, dass die DFB-Elf die Zone vor der italienischen Verteidigung aktiv besetzt. Um Dominanz zu entwickeln, muss auch nach Ballverlusten schnellstens wieder die Kontrolle über das Spielgerät erlangt werden. Der Kampf um zweite Bälle ist immens wichtig für Deutschland. Sofern das Gegenpressing Wirkung zeigt, kommt Italien nicht zu Kontergelegenheiten.

Spanien stellte sich nicht so klug an. Zu viele Akteure rückten zu weit nach vorn und waren anschließend bei Ballverlusten aus dem Spiel. Die Deutschen sollten neben den Innenverteidigern zusätzlich noch Toni Kroos, Sami Khedira und eventuell einen weiteren Mittelfeldakteur im Rückraum postieren.

5. Nicht zu vorsichtig vorgehen

Die deutsche Mannschaft könnte das Viertelfinale jedoch auch mit einer geänderten Grundformation beginnen - sprich eine Dreierabwehrreihe aufbieten. Bisher wurde diese Variante nur in Testspielen und vereinzelt im Training ausprobiert. Doch Löw sollte zum Beispiel ein 3-4-2-1-System ernsthaft in Betracht ziehen und aufgrund der Erfolge in den vorherigen Spielen nicht zwangsläufig am 4-2-3-1 festhalten.

Neben der besseren Absicherung gegen etwaige italienische Konter hätte eine Dreierabwehr zudem den Vorteil, dass man noch besser Überzahlsituationen gegen das Pressing Italiens herstellen könnte. Die Ballzirkulation über die komplette Breite sowie die vereinzelten Vorstöße der Halbverteidiger würden den deutschen Spielaufbau noch um einiges unvorhersehbarer machen.

Die Anzahl an Spieloptionen wäre erhöht und die DFB-Elf würde Italien zum Reagieren zwingen. Löw muss seinem Gegenüber Antonio Conte immer einen Schritt voraus sein. Für dieses Unterfangen darf der Bundestrainer nicht zaudern.

Quelle: ntv.de

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