20 Jahre nach Griechen-Wunder Als Otto Rehhagel zu Fußball-Gott "Rehakles" wurde
07.06.2024, 11:22 Uhr
Die Generalprobe der deutschen Fußball-Nationalmannschaft findet am Abend gegen Griechenland statt. Das Team ist nicht für die EM qualifiziert. Vor 20 Jahren aber schlägt die große Stunde, als Trainer-Urgestein Otto Rehhagel zum gefeierten Fußball-Gott "Rehakles" wird.
Das "Wunder von Lissabon" wird sich beim EM-Finale in Berlin nicht wiederholen. Selbst Otto Rehhagel kann daran nichts ändern. 20 Jahre ist das Fußball-Märchen nun alt, das Außenseiter Griechenland in Portugal zum Europameister machte und dem inzwischen 85 Jahre alten Trainer-Urgestein den Status des Fußball-Gottes "Rehakles" einbrachte.
Wenn die Griechen um Düsseldorfs Zweitliga-Topscorer Christos Tzolis in Mönchengladbach (20.45 Uhr/RTL und im ntv.de-Liveticker) gegen die DFB-Elf antreten, feiert nur ein Team seine EM-Generalprobe. Ein wenig EM-Atmosphäre schnuppern, ein Kräftemessen mit dem Gastgeber - dann beginnt für die nicht für das Turnier qualifizierten Griechen ein EM-Sommer vor dem TV.
Keine Autokorsos in Thessaloniki, kein feierlicher Empfang vor Tausenden im Panathinaikos-Stadion von Athen: Die sportliche Gegenwart ist trist. Was bleibt, sind die Erinnerungen an einen historischen Erfolg. "Der Titel hat weltweit für Schlagzeilen gesorgt, über eine Million Menschen haben uns damals nach dem Finale in Athen gefeiert", sagte Trainer Rehhagel einmal: "Das war einmalig, dass so ein Außenseiter den Titel gewinnt."
"Demokratische Diktatur eingeführt"
Das griechische Wunder beginnt damals mit einem 2:1-Sieg im Eröffnungsspiel gegen den hoch gehandelten Gastgeber. "Ich glaube, in Athen kann ich jetzt die Busspur benutzen", sagte Rehhagel nach dem überraschenden Erfolg gegen Stars wie Luís Figo oder den jungen Cristiano Ronaldo. Es folgen ein 1:1 gegen Spanien und 1:2 gegen Russland. Dass die Reise der Griechen erst mit dem Triumph in Lissabon enden würde, glauben da selbst kühnste Optimisten nicht.
Rehhagel sieht die Dinge pragmatisch, und er hat einen festen Plan. "Die Griechen", sagte der Deutsche, "haben die Demokratie erfunden. Ich habe eine demokratische Diktatur eingeführt. Früher hat jeder gemacht, was er will. Jetzt macht jeder, was er kann." Die spielerischen Mittel sind limitiert. Also konzentriert sich Rehhagel auf die Defensive. Seine Mauertaktik mit Libero erntet Kritik und Spott, das griechische Spiel ist vor allem darauf ausgelegt, den Aufbau des jeweiligen Gegners zu zerstören. Es funktioniert.
Vorne ist Verlass auf Angelos Charisteas, damals Stürmer bei Werder Bremen. Drei Tore erzielt er in Portugal, am 4. Juli köpft "Harry" die Griechen zum Europameister. "Das ist der beste Augenblick meines Lebens", sagte Charisteas, der im selben Sommer schon Deutscher Meister und DFB-Pokalsieger geworden war, danach.
"Wir konnten nicht ahnen, dass es so weit geht", erinnerte sich Rehhagel später. Die gemeinsame Reise wirkt noch immer nach. Mit den Spielern sei eine Freundschaft fürs Leben entstanden: "Wenn sie sich heute treffen, schicken sie mir immer Fotos davon." Gut möglich, dass Rehhagel anlässlich des Jubiläums weitere Bilder seiner Spieler erhält.
Quelle: ntv.de, ara/sid