Die Fanbotschaft hilft durch die EM Kein Zimmer, kein Ticket? Kein Problem!

Tausende deutsche Fans begleiten die Nationalmannschaft durch die Ukraine.

Tausende deutsche Fans begleiten die Nationalmannschaft durch die Ukraine.

(Foto: dapd)

Wenn die deutsche Elf bei der EM gegen Dänemark spielt, werden sie in Lemberg wieder mehr als 10.000 Anhänger aus Deutschland unterstützen. Wer Hilfe braucht, kann sich an die Fanbotschaft wenden, die stets schon da ist, wo Bundestrainer Joachim Löw mit seiner Mannschaft auftaucht - und zur Not auch Eintrittskarte und Unterkunft organisiert.

Kein Zimmer, keine Eintrittskarte, keinen Plan? Das ist jetzt nichts, was einen Fußballfan sofort aus der Bahn wirft. Schon gar nicht, wenn er seit über einer Woche in der Ukraine unterwegs ist, oft auf eigene Faust, um die deutsche Mannschaft bei dieser Europameisterschaft zu unterstützen. Wenn es aber doch ein Problem gibt - die mobile Fanbotschaft hilft. Nicht, dass die Mitarbeiter dort alles regeln können. Aber sie kennen sich aus, sind vernetzt - und stets vor Ort. Wo die DFB-Elf auch auftritt, sie sind schon da. Also auch in Lemberg, wo das deutsche Team in seinem letzten Gruppenspiel gegen Dänemark antritt.

In der Altstadt haben die Fanbotschafter ihren Stand am Ploshcha Rynok, dem großen Marktplatz vor dem Rathaus aufgebaut. Dort liegt das Fanmagazin "Helmut" aus, das an jedem Spielort neu aufgelegt wird. An der Pinnwand sind Mitfahrgelegenheiten in die Heimat angebracht. Gegenüber auf dem Balkon des Hotels hängen fünf schwarz-rot-goldene Fahnen über der Brüstung - und eine blau-gelbe ukrainische.

Für Matthias Stein ist es die vierte EM als Fanbotschafter.

Für Matthias Stein ist es die vierte EM als Fanbotschafter.

(Foto: Stefan Giannakoulis)

Viele Anhänger kommen vorbei, einige bleiben stehen. Um einen Schnack zu halten, nach Tickets zu fragen oder danach, in welchen Trikots die deutsche Mannschaft gegen die Dänen aufläuft. Kein Thema, das hat Matthias Stein schnell geklärt, ein Anruf beim DFB. "Ganz normal, weiße Trikots, schwarze Hosen." Flugs drückt er zwei ukrainischen Jungen die erbetenen Fähnchen in die Hand - und hat ein wenig Zeit. Die Campingstühle gibt's nebenan bei der Kollegin aus Dänemark, man kennt sich und versteht sich. Und dann erzählt er erst einmal, was die deutschen Fans am meisten nervt. Nämlich das, was sie vorher über die Ukraine gelesen haben.

"Wir sind nicht schlecht vorbereitet"

"Jeder zweite schimpft über die Berichterstattung in den deutschen Medien." Dabei geht es nicht in erster Linie um die politische Situation, sondern um horrende Hotelpreise, metertiefe Schlaglöcher auf den Straßen, überteuerte Inlandsflüge und marodierende Hooliganbanden. "Diese negativen Voraussagen treffen einfach nicht zu", sagt Stein. Natürlich gebe es den einen oder anderen Taxifahrer, der versucht, die Preise zu erhöhen. Und auch manch Hotelier versucht, seinen Reibach zu machen. "Aber das kann Dir genauso gut in Deutschland passieren." Wer schon mal versucht hat, zu Messezeiten ein bezahlbares Zimmer in einer Großstadt zu finden, weiß, wovon Matthias Stein spricht. Er und seine Kollegen sind jedenfalls begeistert von der ukrainischen Gastfreundschaft. "Viele entschuldigen sich gar, wenn irgendetwas nicht klappt, mit dem sie gar nichts zu tun haben."

Matthias Stein kommt aus Jena, kümmert sich da um die Fans des mittlerweile nur noch viertklassigen FC Carl Zeiss und ist einer von 13 Fanbotschaftern der Koordinierungsstelle Fanprojekte - Sozialarbeiter und Journalisten aus der ganzen Republik sowie ein Kollege aus der Ukraine. Zwei Testläufe gab es, in Danzig und Kiew, bei den Freundschaftsspielen im September und November vergangenen Jahres.

Die deutschen Fans sind ja auch irgendwie Botschafter ihres Landes.

Die deutschen Fans sind ja auch irgendwie Botschafter ihres Landes.

(Foto: dapd)

"Wir sind nicht schlecht vorbereitet", sagt Stein. Die Kicker-Diplomaten arbeiten eng mit dem Deutschen Fußballbund, dem Auswärtigen Amt, den Konsulaten, der deutschen Polizeidelegation und den lokalen Touristeninformationen zusammen. "Paula spricht fließend Deutsch und steht uns den ganzen Tag zur Verfügung." Überhaupt sei das sehr angenehm "mit den ukrainischen Kollegen, die uns fantastisch unterstützen". Zum Beispiel, als nach der Auftaktpartie einer kam, der seinen Pass verloren hatte. "In Charkow hatten wir sogar eine Mitarbeiterin des Konsulats am Stand." Auch mit dem DFB laufe es prima, obwohl einige Fans bisweilen nicht gut auf den Verband zu sprechen sind. "Doch die Zusammenarbeit ist toll, das muss man auch mal sagen."

Fans sind Gäste, kein Sicherheitsrisiko

Für Matthias Stein ist es die vierte EM, er war bereits 1996 in England dabei. Und seitdem hat sich an den Grundsätzen seiner Arbeit nicht viel geändert. "Es geht darum, Fußballfans nicht als Sicherheitsrisiko zu betrachten, sondern als Gäste." Dann klappt's auch mit dem Miteinander. "Wer sich respektvoll behandelt fühlt, verhält sich auch anständig". Deutschland habe da 2006 mit dem gelebten Motto "Zu Gast bei Freunden" Maßstäbe gesetzt. "Nur wer Probleme hat, macht Probleme." Das klingt zwar arg nach Sozialarbeiterspruch, ist vielleicht auch einer. Aber: Bei diesem Turnier ist bisher nichts passiert, abgesehen von einigen Papierkugeln, die aus der deutschen Kurve auf den Rasen flogen, und etwas Rauch beim ersten Spiel gegen Portugal.

Grundsätzlich, erzählt Matthias Stein, seien die deutschen Fans gut organisiert und durchaus abenteuerlustig, viele hätten kein Problem damit, dass eine EM in der Ukraine nichts für Pauschaltouristen ist. "Man kriegt das auch für relativ wenig Geld hin." Und wer die Anzeigetafel mit den kyrillischen Buchstaben nicht lesen kann, der fragt halt so lange, bis jemand übersetzt. Oder fragt vorher bei der Fanbotschaft, wann die Züge fahren. Auch, was ein Taxi kosten darf und wo es noch private Unterkünfte gibt. Die Mobilität der Anhänger jedenfalls ist beeindruckend und überrascht schon in einem Land, das weit weg und nicht gerade als Urlaubsparadies bekannt ist. "Gegen Portugal waren in Lemberg gut 10.000 deutsche Fans im Stadion." Und in Charkow, mehr als 1000 Kilometer weiter gen Osten nahe der Grenze zu Russland "waren es nicht viel weniger, mindestens 8000", schätzt Stein. Und schließlich sind die Fans "ja auch irgendwie Botschafter unseres Landes".

Ein junger Mann, Flipflops und Deutschlandtrikot, schlurft an den Stand. "Sagt mal, wisst Ihr, ob es noch Karten gibt?" Ja, das wissen die Fanbotschafter. "Wir haben die Telefonnummer von einem, der noch welche für alle Kategorien hat. Natürlich zum Originalpreis." Schwarzmarkt und Wucher ist nicht. Also: Kein Zimmer, kein Ticket, keinen Plan? Einfach mal vorbeischauen. Vielleicht demnächst in Danzig. Denn wo immer die DFB-Elf auch spielt - die Fanbotschafter sind schon da. Und so was von mobil.

Quelle: ntv.de

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