Die Presse über das deutsche EM-Aus "Schweinsteiger, als wolle er staubwischen"

Bastian Schweinsteiger: Stark gespielt, blöden Elfmeter verursacht

Bastian Schweinsteiger: Stark gespielt, blöden Elfmeter verursacht

(Foto: imago/Pressefoto Baumann)

Den Italien-Fluch besiegt, aber die 58-Jahre-Traumserie verschenkt, weil die Treffsicherheit fehlte. Die internationale und auch französische Presse ist sich einig: Die DFB-Elf war klar besser, aber ihre Fehler nutzte Frankreich eiskalt.

Süddeutsche Zeitung: "Verflixter Handelfmeter - Deutschland scheidet aus. Lange Zeit dominiert die DFB-Elf das EM-Halbfinale gegen Frankreich, dann bringt mal wieder ein Strafstoß die Wende. Die Franzosen stehen glücklich im Finale. Womöglich wird diese Fußball-EM aus deutscher Sicht einmal als Handball-EM in Erinnerung bleiben. Jérôme Boateng, wie er im Viertelfinale gegen Italien die Hand zum Ball führt, als wolle er einem Flugzeug seine Parkposition zuweisen. Bastian Schweinsteiger, wie er im Halbfinale gegen Frankreich die Hand zum Ball führt, als wolle er nur noch kurz im obersten Regal staubwischen."

Der Spiegel: "Kunstvoll gescheitert. Der Gastgeber profitierte von einer ungeschickten Aktion Schweinsteigers. Deutschland zeigte seine beste Halbzeit des Turniers. Mit nahezu perfektem Positionsspiel und extrem flexiblen Bewegungen im Angriff hatte die Löw-Elf die Partie im Griff. Frankreich gelang per Elfmeter die glückliche Führung. Löw war zum Schreien zumute. Und dann genügt eben ein überragender Antoine Griezmann, um das EM-Halbfinale zu entscheiden."

Bild: "Die Sechs-Tage-EM. Pfffft, die Luft ist raus. Kein Gegentor, aber auch kein Schwarz-Rot-Geil-Gefühl in den ersten vier Spielen gegen die Durchschnittsgegner Ukraine, Polen, Nordirland und Slowakei. Dann der Emotions-Drama-Turbo gegen Italien, die wir erstmals in der Turnier-Geschichte schlagen. Und der Stimmungskiller gegen Frankreich direkt hinterher."

Kicker: "Pleite, Pech und Griezmann - DFB-Elf scheidet aus. Nach dem EM-Aus stellt sich die Frage nach der Zukunft von Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski. Das deutsche EM-Aus: Keine Frage von Glück und Pech. Eine Ära wollten sie in Frankreich begründen, nach dem WM-Titel auch die kontinentale Krone holen. Das Vorhaben ist im Hexenkessel Marseille nach großem Kampf gegen den EM-Gastgeber gescheitert. Frankreich war unterm Strich kein unverdienter Sieger, weil es effektiver und über weite Strecken auch torgefährlicher war."

11 Freunde: "Bastian Schweinsteiger, die Hand Schrottes. Nicht sein Turnier, er hätte einen anderen Abgang verdient gehabt. Deutschland fliegt raus, obwohl die Mannschaft besser war. Boateng musste just in der heißesten Phase aus dem Spiel und verpasste damit dem deutschen Spiel den Knockout. Er bleibt dennoch bester deutscher Spieler des Turniers. Höwedes spielte bockstark, (aber) hühnerte leider vor dem 2:0 den Ball durch den Strafraum wie ein angetrunkener Kreisligalibero. Wir haben einen klitzekleinen Fehler von Manuel Neuer gesehen. Das war bisher in etwa so realistisch, als würden wir einen Blauwal mitten in Heilbronn auf dem Fahrrad zum Einkaufen fahren sehen. Aus Thomas Müllers Sicht ein Turnier für die Tonne."

Österreich

Krone: "Bayern-Schreck Griezmann als Deutschland-Albtraum. Schweinsteiger geht zum Ball wie ein Tormann. Antoine Griezmann hat den Deutschland-Fluch der französischen Nationalmannschaft ausgetrieben. Eiskalt und nervenstark und wieder gegen Manuel Neuer. Am 3. Mai sorgte sein Tor in München beim 1:2 von Atletico Madrid für das Aus des FC Bayern im Halbfinale der Champions League."

Schweiz

Blick: "Frankreich im Blaurausch! Nach 1984 und 2000 stehen Les Bleus zum dritten Mal im EM-Finale. Und das absolut verdient nach dem Ausschalten von Europas Nummer eins. Nie ließ sich Deschamps in Sachen Taktik und System in die Karten schauen, obwohl das in Frankreich bis zum Gehtnichtmehr diskutiert wurde."

Frankreich

La Provence: "Merci. Ein großgeschriebenes MERCI, das größtmögliche für diese sportliche Heldentat und für diesen seltenen Moment, den ihr uns geschenkt habt. Ihr habt gewonnen, was man das 'Spiel des Jahrhunderts genannt hatte'. (...) Kolossal. Die Legende des 7. Juli. Griezmann, der Euro-Star."

Le Figaro: "Und am Ende, dieses Mal, hat Frankreich gewonnen. Ein Sieg für die Geschichte. Sie haben es geschafft! Ein Erfolg, der in der Geschichte des französischen Fußballs verewigt sein wird. Gegen Deutschland, den Weltmeister. Der Angstgegner seit 1958."

L'Équipe: "Die Ekstase. Macht des Schicksals. Die französische Mannschaft steht im Finale der Euro wie die Generation Platini 1984, wie die Generation Zidane 2000, und man muss sich nicht am Kopf kratzen, um ihr jetzt einen Namen zu geben: Antoine Griezmann."

Libération: "Griezmann streckt Deutschland nieder. Frankreich ist im Finale. Beherrscht in der ersten Halbzeit, schaffen es 'Les Bleus' dank eines großzügigen Elfmeters und einer Gala von Griezmann."

Spanien

Marca: "Prinz Griezmann ist der König. Deutschland weiß jetzt: Wer Chancen auslässt, verliert. Deutschland vergab die besten Tormöglichkeiten des Halbfinals und bezahlte dafür. Vor allem in der ersten Hälfte, als ein Elfmeter den Franzosen einen Vorteil verschaffte, den niemand erwartet hatte. In der zweiten Hälfte war Hugo Lloris für seine Mannschaft entscheidend und stoppte die deutsche Bedrohung."

AS: "Deutschland hat vier seiner letzten sechs Halbfinals verloren. Griezmann ist im europäischen Olymp. Stolze Franzosen: Alle und jeder einzelne ist ein Held."

El País: "Griezmann bestraft deutsche Dummheiten. Der Stürmer von Atletico Madrid zerlegt die gegnerische Hintermannschaft. Frankreich stand den größten Teil des Spiels im Schatten Deutschlands, das für zwei große Fehler bestraft wurde. Davor ist auch ein Weltmeister nicht gefeit. Er kassierte einen absurden Elfmeter durch den großen Kämpfer Schweinsteiger, der sich in einem Spiel ohne Atempause in den Dienst der Mannschaft stellte. Spielerisch gewann Deutschland, aber Griezmann bestrafte die Fehler des Gegners."

Großbritannien

Guardian: "Frankreich fliegt an Deutschland vorbei ins Finale. Der Jubel nach dem Schlusspfiff diente als Exorzismus: Nie wieder müssen die Franzosen wegen Sevilla oder Guadalajara, ihrer Traumata gegen diesen Gegner zittern. Sie haben sich freigekämpft von der Dominanz der Deutschen in Wettbewerben von über 50 Jahren. Der Sieg war eine Bestätigung der französischen Mannschaftsqualitäten. Die Équipe wurde vor der Pause beherrscht, widerstand aber störrisch. Der Weltmeister drohte permanent sie zu überrollen, aber ihm fehlte die nötige Durchschlagskraft, um seine Dominanz in Treffer zu verwandeln."

Daily Mail: "Griez Blitz: Frankreich schlägt Deutschland endlich in einem Halbfinale, weil der Starstürmer doppelt trifft. Deutschland hatte mehr Ballbesitz und stellte Hugo Lloris mehrmals auf die Probe. Die Deutschen finden immer einen Weg um zu siegen? Diesmal nicht. Im ekstatischen Stade Velodrome fanden die regelmäßig erfolgreichen Deutschen vielmehr einen Weg, es falsch zu machen. Den größten Teil des Halbfinals war Deutschland das bessere Team, sie kontrollierten Spiel und Tempo. Aber ausnahmsweise zeigte sich Joachim Löws Mannschaft als verwundbar. Anscheinend ist die deutsche DNA doch nicht fehlerlos."

Independent: "Frankreich hat 58 Jahre gebraucht, um Deutschland in einem entscheidenden Fußballspiel zu schlagen. Nach dem tumultartigen Abend in Marseille taten sie es mit strahlendem Lächeln auf ihren Gesichtern. Nachdem sie die Deutschen überwunden haben, sollten ihnen Portugal und Cristiano Ronaldo wenig Angst machen."

Vereinigte Staaten

New York Times: "Die Deutschen bereuen eine Lawine ausgelassener Torchancen und - ihrer Meinung nach - eine umstrittene Entscheidung kurz vor der Halbzeit. Die Franzosen werden etwas anderes berichten: Von nur 35 Prozent Ballbesitz, aber entschlossener Defensive und einem berechtigten Straßstoß. Die Franzosen gewannen die letzten beiden Turniere, die sie ausrichteten, und sie sind auf dem Weg zum dritten Mal."

Zusammengestellt von Roland Peters

Quelle: ntv.de

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