Randale gegen Korruption Was macht die Uefa mit Kroatien?
19.06.2016, 19:35 Uhr
Die Liste der Verfehlungen der kroatischen Fans ist lang: Feuerwerkskörper, Hakenkreuze, Prügeleien waren schon dabei
(Foto: imago/Matthias Koch)
Am Montag teilt die Uefa mit, welche Strafe die Kroaten für die Ausschreitungen ihrer Fans bei der EM erhalten. Die Randale ist allerdings keine typische Fan-Gewalt. Die kroatischen Ultras wollen dem eigenen Verband schaden - weil er korrupt ist.
Ivan Rakitic befürchtet schon das Schlimmste. "Wir müssen sehen, ob wir gegen Spanien überhaupt noch spielen dürfen. Vielleicht schicken sie uns jetzt auch nach Hause", sagte der kroatische Spielmacher nach den Ausschreitungen der eigenen Fans in Saint-Etienne. "Ich hoffe, dass die Uefa eines versteht: Wir möchten unseren Traum hier weiterleben."
Bereits am Samstag hatte der europäische Fußballverband seine Ermittlungen aufgenommen, für diesen Montag kündigte er die Entscheidung der Disziplinarkommission an. Ein kompletter Ausschluss von der Fußball-EM droht den Kroaten wahrscheinlich nicht. Eher ein Urteil auf Bewährung wie schon zu Beginn des Turniers bei den Russen.
Kroatische Fans hatten am Freitagabend im Spiel gegen Tschechien Feuerwerkskörper gezündet und sich auf der Tribüne wüst geprügelt und damit für eine Unterbrechung gesorgt. Der kroatische Verband HNS entschuldigte sich für "das Verhalten dieser Hooligans". Kroatiens Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic sprach sogar von "Staatsfeinden".
Eine harte Strafe der Uefa wird dennoch erwartet, weil die Kroaten als besonders schwerer Fall von Wiederholungstätern gelten. So stand bereits das EM-Qualifikationsspiel in Italien im November 2014 kurz vor dem Abbruch - dort flogen ebenfalls Feuerwerkskörper auf das Spielfeld. Vor dem Rückspiel in Split präparierten kroatische Fans den Stadionrasen außerdem so, dass darauf ein großes Hakenkreuz zu sehen war. Geldstrafen, Zuschauerausschlüsse und sogar ein Punktabzug in der Qualifikation: All das hat es schon gegeben.
Männer von Mamic' Gnaden
Trotzdem passen die Ausschreitungen im kroatischen Block nicht in das Schema gängiger Fan-Krawalle, die die EM bislang überschattet haben. Hier geht es nicht um stumpfe Gewalt der Gewalt wegen, sondern offenbar um einen mehr und mehr eskalierenden Konflikt zwischen kroatischen Fans und dem hochumstrittenen Verband HNS. Auffällig ist, wie gezielt die Ultra-Gruppen Spiele der eigenen Mannschaft sabotieren. Alle Experten sind sich einig, dass es primär darum geht, dem vermeintlich korrupten und mafiösen Verband zu schaden und ihn in aller Öffentlichkeit zu diskreditieren.
Präsident des Verbands ist der ehemalige Weltklasse-Stürmer Davor Suker. Doch der WM-Held von 1998 gilt überall nur als Marionette des eigentlich mächtigsten Mannes im kroatischen Fußball: Zdravko Mamic, langjähriger Präsident von Serienmeister Dinamo Zagreb und Vizechef des HNS. Er saß in Saint-Etienne gleich neben Suker auf der Tribüne.
Die skandalösen Verhältnisse im kroatischen Fußball sind mittlerweile gerichtsfest. Denn Mamic wird angeklagt, beim Transfer von Dinamo-Spielern ins Ausland in die eigene Tasche und an der Steuer vorbei gewirtschaftet zu haben. Er saß deshalb schon in Untersuchungshaft. Alle wesentlichen Figuren im kroatischen Fußball gelten als Männer von Mamic' Gnaden - vom Verbandspräsidenten bis zum Nationalcoach. Gegen diese Verhältnisse kämpfen die Fans mit gewalttätigen Methoden an.
Verband vs. Staat vs. Uefa
Unklar ist noch, wer die Feuerwerkskörper in Saint-Etienne auf den Rasen geworfen und wer danach auf der Tribüne auf wen losgegangen ist. Der Verband und fast alle Experten werfen einer Ultra-Gruppe von Hajduk Split vor, hinter den Ausschreitungen zu stehen. Im Internet bekannten sich organisierte Anhänger von Dinamo Zagreb dazu.
Der Verband ging am Wochenende zum verbalen Gegenangriff über und attackierte dabei auch den eigenen Staat und die Uefa. Der kroatischen Regierung warf der HNS eine "Ineffizienz, Inaktivität und fehlende Leidenschaft" im Umgang mit der Fangewalt vor. Die Uefa und die Sicherheitskräfte will er sogar genau vor solchen Ausschreitungen gewarnt haben. "Wir hatten unsere Quellen. Wir wussten, was passieren kann. Wir haben die Polizei und alle relevanten Quellen darüber informiert", erklärte ein Sicherheitsexperte des HNS.
Und die Spieler? Die hoffen vor allem, dass diese EM für sie noch nicht vorbei ist. "Wir müssen zusammenhalten wie eine Familie. Wenn wir das tun, kann uns niemand besiegen", sagte Rakitic. Nur weiß inzwischen jeder, dass der kroatische Fußball keine Familie ist.
Quelle: ntv.de, Sebastian Stiekel, dpa