"Genauso schlimm wie befürchtet" Menschenrechtler fordert: "System Infantino beenden"
17.12.2022, 11:03 Uhr
Gianni Infantino, hier mit Katars Premierminister Chalid bin Chalifa, preist die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar.
(Foto: REUTERS)
Die FIFA verspricht, dass die Fußball-Weltmeisterschaft die Menschenrechtslage in Katar verbessern werde. Human Rights Watch jedoch zieht zum Ende des Turniers ein verheerendes Fazit: "Die WM ist genauso schlimm abgelaufen wie befürchtet", sagen die Menschenrechtler. Und fordern die großen Verbände zum Handeln auf.
Für Wenzel Michalski, Deutschland-Direktor von Human Rights Watch, hat sich die Menschenrechtslage in Katar durch die Fußball-WM nicht einmal ansatzweise verbessert. "Die FIFA und die katarische Regierung haben sich nicht einen Zentimeter bewegt. Alle, die gesagt haben, die Ausrichtung in dem Land würde zu etwas Gutem führen und Reformen vorantreiben, haben Unrecht behalten", sagte Michalski im Interview der "Welt am Sonntag": "Ein sturer Betonkopf wie die FIFA hat sich mit einem anderen sturen Betonkopf wie Katar zusammengetan, beiden sind die Rechte der Menschen völlig egal."
Michalskis gesellschaftspolitisches Fazit des Turniers lautet daher: "Die WM ist genauso schlimm abgelaufen wie befürchtet." Die Mitglieder des Fußball-Weltverbandes FIFA müssten daraus "Konsequenzen ziehen" und an einer "tiefgreifenden Veränderung der Organisation arbeiten".
Dabei nahm der Menschenrechtler vor allem die europäischen Verbände in die Pflicht, die seiner Meinung nach darauf hinarbeiten müssten, "das System Infantino zu beenden". Unter der Leitung des Schweizers sei die FIFA "eine korrupte, auf den Erhalt von Machtmissbrauch ausgerichtete Organisation". Viel Hoffnung auf eine Änderung der Verhältnisse hegt Michalski nicht: "Aber leider gibt es weltweit noch zu viele Mitläufer, die vom Geldtopf der FIFA abhängig sind." FIFA-Präsident Gianni Infantino hatte am Freitag dagegen ein überaus positives WM-Fazit gezogen. Bei der Präsidentenwahl im März 2023 wird Infantino ohne Gegenkandidat in seine dritte Amtszeit gewählt werden.
Der Islamwissenschaftler Dr. Sebastian Sons, der am CARPO-Institut in Bonn forscht, hatte gegenüber RTL/ntv schon vor dem Turnier gemahnt, dass für die Zeit nach der WM in Katar sogar eine Verschlechterung der Lage für Menschen aus der LGBTIQ+-Community im Land eintreten könne. "Wenn der Scheinwerfer WM wegfällt, dann hat die Regierung hier vor Ort eigentlich nicht mehr die Notwendigkeit einem internationalen Publikum gerecht werden zu müssen", urteilte Sons und erklärt: "Deswegen befürchte ich, dass Menschen, insbesondere aus der LGBTIQ-Community größere Probleme bekommen werden, weil Identitätspolitik in den Golfstaaten einfach eine ganz wichtige Rolle spielt."
Quelle: ntv.de, ter/dpa