Der Bundesliga-Check: Hoffenheim Alpha-Kevin überwacht den Batteriewechsel
06.08.2015, 09:20 Uhr
Der neue Papa der Kraichgauer Kompanie: Kevin Kuranyi.
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Der Schwung war weg in der Rückrunde in Hoffenheim – doch mit einem aufgefrischten Kader will Trainer Markus Gisdol die Liga verblüffen. Helfen soll ein prominenter Rückkehrer.
Auf der Suche nach der verlorenen Energie – unter diesem Motto stand die Vorbereitung bei der TSG Hoffenheim. Nur einen einzigen Sieg aus den letzten neun Saisonspielen fuhren die Kraichgauer ein, Anlass genug für eine ausgiebige Analyse. Trainer Markus Gisdol ging dabei auch mit sich selbst hart ins Gericht. Er habe es nicht geschafft, die Mannschaft fit zu machen für das konsequente Pressing, das sie über 90 Minuten zeigen soll. Personal und Taktik hatten sich abgenutzt, also hieß es: Ab zur Wartung. Wichtige Teile des Teams wurden ausgetauscht, die Ausrichtung neu konfiguriert. Und nun will die TSG laut Gisdol "für Überraschungen sorgen". Das sollte sie auch – denn so langsam läuft der einstige "Unsympathieträger" der Liga Gefahr, ein Dasein als Graue Maus zu fristen.
Was gibt’s Neues?

Auf die Fähigkeiten von Roberto Firmino müssen die Hoffenheimer in dieser Saison verzichten. Der Brasilianer ging für 41 (!) Millionen Euro zum FC Liverpool.
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Gisdol und Manager Alexander Rosen haben die Gelegenheit genutzt, den Kader ordentlich durchzulüften. Roberto Firmino war ohnehin nicht zu halten, die 41 Millionen Euro Ablöse vom FC Liverpool helfen aber sicher über den Abschiedsschmerz hinweg. Kapitän Andreas Beck wechselte zu Besiktas Istanbul, Sejad Salihovic spielt jetzt in China, Anthony Modeste zog es nach Köln, Sven Schipplock nach Hamburg. Einen richtigen Topstar wollten die Verantwortlichen nicht verpflichten, auch wenn das Geld da wäre. "Ein 20-Millionen-Transfer passt nicht zu uns", sagte Markus Gisdol – und bevor einige jetzt süffisant lächeln, sei gesagt, dass der teuerste Transfer der Vereinsgeschichte viereinhalb Jahre zurück liegt. Damals kam Ryan Babel in der Winterpause für sieben Millionen Euro vom FC Liverpool. Vor der neuen Saison nahmen die Hoffenheimer 17 Millionen Euro in die Hand, um den Kader vor allem perspektivisch zu verbessern: Aus Freiburg stieß Offensivmann Jonathan Schmid zu den Kraichgauern, aus Prag Rechtsverteidiger Pavel Kaderabek, aus Basel Innenverteidiger Fabian Schär, aus Heerenveen Stürmer Mark Uth. Dazu holte Gisdol gleich vier Spieler aus der eigenen Jugend zur 1. Mannschaft – sie unterlagen mit der U19 erst im Finale um die Deutsche Meisterschaft der vielgerühmten Schalker Knappenschmiede.
Auf wen kommt es an?
Im Angriff setzt Gisdol auf den doppelten Kevin: Nationalspieler Volland soll Herz und Hirn des Hoffenheimer Angriffsspiels werden; die TSG hat hohe Offerten für den 23-Jährigen ausgeschlagen, der nach dem Weggang von Firmino noch mehr Verantwortung übernehmen muss. Ihm zur Seite steht Ex-Nationalspieler Kevin Kuranyi. Fünf Jahre lang hat der 33-Jährige sein Geld in Moskau verdient, nun führt ihn der Wunsch der Familie zurück nach Deutschland. Die TSG holte Kuranyi nicht nur als Knipser, wie Gisdol in der "Sportschau" betonte: "Wir sind blutjung aufgestellt. Da wird uns so ein erfahrener Spieler guttun. Er ist bereit, zu führen." Fragt sich also: Wer übernimmt im Hoffenheimer Sturm die Führungsrolle? Kevin Kuranyi sieht sich jedenfalls eher als Mentor, denn als Alpha-Tier. Der "Sportbild" sagte der Veteran, er wolle für Sturmkollege Volland "der große Bruder sein." Wir freuen uns schon auf das erste Duett des neuen K.u.K.-Traumpaares - was hoffentlich besser klingt als das hier:
Was fehlt?
Frisches Personal hat Markus Gisdol zur Verfügung, frische Millionen auf der Bank auch – doch es fehlt noch an einer frischen Spielidee. Die Hoffenheimer sind ja nur eine von vielen Mannschaften in der Bundesliga, deren Stil auf den Prinzipien der "Stuttgarter Schule" basiert: Pressing, Umschaltspiel, Tempo. Für die Attraktivität der Spiele ist es nicht gerade ein Gewinn, wenn keine Mannschaft den Ball haben will. Viele Experten schätzen die Bundesliga wegen dieser Tendenz taktisch schwächer ein als andere europäische Top-Ligen. Gisdol ist sich der Schwäche der Lehren seines Vorbildes Ralf Rangnick bewusst und will deswegen "neue Reize geben", wie er im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sagte. Im Gespräch gab er zu, "dass wir an Grenzen stoßen". Das Spiel finde im höchsten Tempo statt, also brauche sein Team Pausen, die es meist durch Fouls erzwinge. "Daraus entsteht die große Frage: Wie kann ich eine Spielunterbrechung herbeiführen, ohne das Spiel tatsächlich zu unterbrechen?" Die Antwort, verblüffenderweise: Ballkontrolle, wenigstens für ein paar Minuten. "Und dann kommt das Signal, wieder Gas zu geben, den Ball bedingungslos nach vorne zu spielen und ins Gegenpressing zu gehen."
Wie gut kennen Sie die TSG Hoffenheim? Mit einem aufgefrischten Kader will Trainer Markus Gisdol die Liga verblüffen. Helfen soll dabei ein prominenter Rückkehrer. Wie gut kennen Sie den Verein, der aus den letzten neun Saisonspielen nur einen einzigen Sieg einfuhr? Testen Sie Ihr Wissen im n-tv Quiz. Wie lautet das Saisonziel?
Platz eins bis sechs hält Trainer Markus Gisdol für fest vergeben – im Block dahinter soll sich die TSG etablieren. Auf einen konkreten Platz legt sich der 45-Jährige nicht fest, dafür gibt es ein paar Stanzen aus dem Manager-Seminar: "Die Möglichkeiten voll ausschöpfen", "flexibler und unberechenbarer werden", "unser Spiel konsequent umsetzen". Was ist denn da los in Hoffenheim? Die Nachwuchsmannschaften fahren Titel ein, die wirtschaftlichen Möglichkeiten sind gegeben – wann will die TSG eigentlich nach Europa, wenn nicht innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre? Mit RB Leipzig erwächst ein neuer, starker Konkurrent - der die TSG auch als liebstes Hassobjekt aller Ultras ablösen wird. Im schlimmsten Fall wird Hoffenheim bald allen nur noch egal sein. Willkommen in der Welt der Grauen Mäuse.
Die n-tv.de Prognose
Frische, Energie, neues Personal – die TSG will mit Schwung in die neue Saison gehen. Die rechte Überzeugung aber scheint zu fehlen. Immerhin die eine oder andere "Überraschung" traut Markus Gisdol seinem Team zu. Damit kann Hoffenheim gleich zu Saisonbeginn anfangen, da warten Leverkusen und die Bayern. Große Prüfsteine für ein Team, das normalerweise locker im sicheren Mittelfeld landen sollte – und durchaus ein Kandidat für Platz sechs ist.
Quelle: ntv.de