
Ein Mann mit speziellen Methoden: Eduard Geyer.
(Foto: imago images/Dehli-News)
Eduard Geyer war ein Trainer, der auffiel. Besonders sein Mundwerk hat den Bundesliga-Coach von Energie Cottbus in das Gedächtnis des deutschen Fußballs eingebrannt. Vor seiner flinken Zunge war niemand sicher. Heute feiert die Legende ihren 80. Geburtstag!
"Die Bundesliga wollte mich nicht, also musste ich in die Bundesliga kommen", hat der gebürtige Oberschlesier einst über sich selbst gesagt. Und tatsächlich: Genau so ist es gekommen - und wie! Es waren zwar am Ende nur drei Jahre, die Eduard Geyer zusammen mit seinem Verein Energie Cottbus in der ersten Bundesliga verbracht hat, aber es war eine Zeit mit vielen verbalen Volltreffern. Denn Ede Geyer hat schnell verstanden, dass ein tüchtiges Mundwerk im Fußball-Business nicht schaden kann. Und so produzierte er knackige Rhetorik am laufenden Band: "Gegen mein Training ist die Bundeswehr wie Urlaub."
Vor allem seine Spieler kamen nicht immer gut weg bei seinen verbalen Rundumschlägen. Einen hatte er damals ganz besonders auf dem Kieker, den Rumänen Laurentiu Reghecampf. Ihm attestierte Geyer schon recht bald: "Wer so doof ist, gehört nicht in die Bundesliga." Ein andermal bewertete er seine Leistung mit den Worten: "Mehr als ein paar Arschwackler und ein paar Flanken kamen dabei nicht rum." Und über einen kläglich vergebenen Elfmeter: "Den hätte ich auch mit Winterstiefeln nicht schlechter schießen können."
"100 Mann haben Grippe"
Sein Motto im Umgang mit seinen Kickern: "Lob? Das ist nicht mein Brot. Die Spieler kriegen genug Lob von ihren Verwandten und Freunden." Der knallharte Hund war einfach unerbittlich. Selbst der deutsche Nationalspieler Paulo Rink bekam sein Fett weg: "Ich plane nicht mehr mit ihm, es sei denn, 100 Mann haben Grippe." Auch im persönlichen Umgang pflegte "Ede Gnadenlos" den harten Ton. Ziemlich gefrustet sagte er einmal: "Ich kann doch nicht schon jetzt die Aufstellung vom nächsten Wochenende sagen. Der eine kriegt eine Grippe, beim anderen kriegt die Oma einen Zahn."
Mit dem ihm zur Verfügung gestellten Spielermaterial war Geyer alles andere zufrieden. Der Energie-Trainer meckerte in einer Tour: "Wir haben Fehler im Abwehrverhalten gemacht - und das ist schon im Sturm losgegangen." Die Lage schien für ihn aussichtlos. Was er auch anstellte, es war doch zu wenig: "Wir machen viele elementare Fehler. Manchmal musst du bei einigen Spielern beim Urschleim anfangen, und so viel Zeit hast du gar nicht, aus manchen Spielern noch bundesligataugliche Männer zu machen."
Manch einer im Verein war froh, dass nicht alle Akteure die Worte des Trainers verstehen konnten. Als Ede Geyer einmal gegen die Bayern mit elf Ausländern auf dem Platz gespielt hatte, wurde er gefragt, in welcher Sprache er denn das Training leite. Und Geyer verzog keine Miene, als er antwortete: "In Rumänisch." Die Sprache des Fußballs hatten jedoch alle drauf und die Verständigung klappte prima, meinte er einmal. Er habe da so seine Mittel und Wege: "Wenn man in den Saal reinschreit: 'Es gibt Geld!' - das versteht jeder."
"Die Vorbereitung ist zum Kotzen da"
Die Trainingslager unter Geyer waren legendär wie gefürchtet. Als es einmal nach der ersten Woche schon unglaubliche 15 Verletzte im Kader gab, zuckte "Ede Gnadenlos" nur mit den Schultern und wehrte jede Kritik an seinen Methoden ab: "Die Vorbereitung ist zum Kotzen da und muss hart sein." Sein Motto: "Wenn sich jemand dehnen will, soll er nach Dänemark fahren. Bei mir wird gelaufen, da kann keiner quatschen."
Was Geyer gar nicht leiden konnte, waren Profis, die ihren Beruf nicht ernst nahmen: "Es gibt im Nachwuchsbereich Spieler mit einer Einstellung zum Leistungssport wie die Nutten von St. Pauli - die rauchen, saufen und huren." Und wenn die auch noch der neusten Fußballmode folgten, war seiner Meinung nach eh Hopfen und Malz verloren: "Seit es diese bunten Schuhe gibt - gold, orange, silber - denken Fußballer, sie laufen ganz von alleine wie der kleine Muck." Übrigens: Die Fans auf St. Pauli konterten den fiesen Spruch des Trainers von Energie Cottbus damals mit einem legendären Gesang: "Ede Geyer, unser bester Freier".
Ede Geyer war in seiner Meinung einfach schonungslos. Konnte er etwas nicht leiden, dann druckste er nicht lange drumherum: "Mich kotzen Spieler an, wenn sie drei Ohrringe tragen. Oder wenn der Spieler mit einem Pferdeschwanz ankommt und aussieht wie ein Mädchen, aber dann keinen Ball trifft." Geyer gab stets und immer den harten Hund. Nicht umsonst waren die Profis von Energie Cottbus deshalb sehr trickreich in ihrem täglichen Tun. Selten auf dem Platz, aber dafür abseits des grünen Rasens.
Spieler kommen hungrig zum Training
Weil ihr Coach jeden Morgen noch vor dem Training das Gewicht der Spieler aufs Gramm genau auswog, gingen die Profis hungrig aus dem Haus und auf Geyers Waage. Sobald sie das Zimmer des Übungsleiters aber verlassen hatten, hasteten sie eilig zu ihren Trainingsbeuteln und packten die bereits fertig geschmierten Stullen aus. Dann wurde schnell der Magen aufgefüllt, bevor es mit dicken Bäuchen raus auf den Platz ging. Ihr Coach hielt es beim Essen hingegen wie beim Reden - keine Kompromisse. Auf die Frage, ob er sich neben der Bratwurst nun auch ein Freibier gönnen würde, sagte er: "Von Trennkost halte ich nichts."
- Ben Redelings ist ein Bestseller-Autor und Komödiant aus dem Ruhrgebiet.
Jüngst ist das Buch "Ein Tor würde dem Spiel guttun. Das ultimative Buch der Fußball-Wahrheiten" frisch in einer aktualisierten und erweiterten Neuauflage erschienen!
Mit seinen Fußballprogrammen ist er deutschlandweit unterwegs. Infos & Termine auf www.scudetto.de.
Apropos Essen: Torsten Mattuschka war im Jahr 2002 optisch nicht gerade in der Form seines Lebens, als er in einem Testspiel für Energie Cottbus gegen Stahl Eisenhüttenstadt Ede Geyer auf sich aufmerksam machte. Doch Geyer versprach ihm, dass er eine Chance bekommen würde, wenn er innerhalb weniger Wochen 10 Kilo Gewicht lassen würde. Den Moment, als Geyer ihm diese Nachricht übermittelte, wird Mattuschka nie vergessen: "Der Trainer hat mich in die Kabine gerufen. Auf ein Stück Papier malte er ein Viereck und einen Kopf. Er meinte, dass ich genau so aussehen würde."
Seine sportlich eingeschränkte Situation als Trainer von Energie Cottbus beschrieb Ede Geyer einmal mit drastischen Worten: "Ich komme mir vor wie ein Querschnittsgelähmter: Alle bedauern dich, aber keiner gibt dir was." Harter Tobak. Aber dafür war er damals bekannt. So auch bei einer anderen Sache. Als es einmal Randale im Stadion gab, sagte Geyer hinterher: "Es ist traurig, wie sich Minderjährige eines solchen Spiels bemächtigen können. Wenn der Rechtsstaat ein bisschen mehr erlauben würde: Ich hätte die Rotznasen alleine rausgeprügelt. Am liebsten hätte ich die Rowdies per Lastwagen in den Braunkohle-Tagebau abtransportiert."
"Fast täglich Kontakt mit der Staatssicherheit"
Aus diesen Sätzen sprach seine Vergangenheit in der DDR. Eine Vergangenheit, die ihn nach der Wende einholen sollte. Denn auch Eduard Geyer ist in den Diensten der Stasi gewesen. Er gab vor, keine andere Möglichkeit gesehen zu haben: "Ich war einfach viel zu feige, mich dagegen aufzulehnen. Dafür müssen Sie Verständnis haben. Wer in diesem System nicht mitgemacht hat, musste immer damit rechnen, dass er spurlos verschwindet." Geyer berichtete Erschreckendes über seine Tätigkeit: "Ich hatte fast täglich Kontakt mit der Staatssicherheit. Ich habe über fast jeden Spieler, mit dem ich seit 1971 zu tun hatte, mündliche oder schriftliche Berichte abgegeben." Geyer selbst glaubte (und hoffte) aber, er hätte nichts getan, das "anderen geschadet hat". Ob das, als "IM Jahn", allerdings tatsächlich so wahr, muss wenigstens bezweifelt werden.
"Dass der Trainer etwas temperamentvoller ist als andere, das wissen wir", hat einst sein Spieler, der heutige Coach des Hamburger SV, Steffen Baumgart über Ede Geyer gesagt. Und das war noch äußerst nett formuliert. "Ede Gnadenlos" hat sich seinen Spitznamen in seiner Zeit als Trainer wahrlich ehrlich und redlich verdient. Und dennoch wird er gerade in Cottbus immer noch gefeiert. Erst im letzten Jahr haben sie ihrem früheren Bundesliga-Coach ein Denkmal gewidmet. Ede Geyer hat das sehr gefreut - auch wenn er anschließend sagte: "Wenn man ein Denkmal kriegt, hat man natürlich auch ein schlechtes Gewissen. Aber ich denke mal, das Denkmal wird dann für den ganzen Verein stehen. Auch für die Spieler, die unter mir gelitten haben."
Das klingt fast schon ein wenig altersweise. Kein Wunder. Denn heute feiert Eduard Geyer seinen 80. Geburtstag. Alles Gute und Glück auf, lieber "Ede Gnadenlos"!
Quelle: ntv.de