Dicker Drücker nach dem Tor von Nicole Anyomi.
(Foto: REUTERS)
Im Mai beschwert sich Nicole Anyomi öffentlich über Bundestrainer Christian Wück, dann fehlt sie bei der EM verletzt. Nun ist die Stürmerin zurück beim DFB-Team - und untermauert mit einem sehenswerten Tor ihre Relevanz.
Alles ganz einfach, so klingt die Erklärung von Nicole Anyomi für ihren Treffer im Halbfinal-Rückspiel der Nations League gegen Frankreich: "Ich habe mir einfach vorgenommen, wenn ich im Sechzehner bin, dass ich aufdrehe und einfach mal schieße. Das macht man viel zu wenig und das habe ich gemacht." Dabei geht völlig unter, wie sehenswert das Tor der DFB-Stürmerin war. Eine schnelle Drehung um Gegenspielerin Maelle Lakrar, ein satter Schuss mit links - und der Ball schlägt genau im oberen linken Eck ein (12.).
"Ein bisschen Glück war dabei, dass er genau in den Winkel geht", sagte sie nach dem 2:2, das dank des 1:0-Siegs im Hinspiel den Einzug ins Finale bedeutete, im ZDF. Anyomi jubelte nach ihrem Toptor nur sehr zurückhaltend. Ihre Teamkolleginnen stürmten auf sie zu, feierten sie kurz - um dann direkt für einen Moment die Köpfe zusammenzustecken und sich für das weitere Spiel zu sammeln. Schließlich war Anyomis Tor nur der Ausgleich zum 1:1, nachdem Melvine Malard Frankreich bereits in der 3. Minute in Führung gebracht hatte. Nach dem 1:0-Sieg im Hinspiel in Düsseldorf am Freitag war die Führung nur denkbar knapp.
Kommunikationsproblem als "Elefant im Raum"
Doch dass ausgerechnet Anyomi so sehenswert und wichtig traf, ist eine Geschichte für sich. Es war erst ihr drittes Tor im 29. Einsatz im DFB-Trikot. Und ihr erstes, nachdem sie sich öffentlich über Bundestrainer Christian Wück beschwert hatte. Der habe sie zu lange ignoriert, so ihre Kritik: "Es hat zuletzt kein konkreter und direkter Austausch stattgefunden", hatte sie dem Portal watson im Mai gesagt. Nur im Oktober 2024 - bei Wücks Premiere - war Anyomi Teil des Teams. Dabei war die Stürmerin von Eintracht Frankfurt in der vergangenen Bundesliga-Saison mit 14 Toren und 9 Assists die beste Scorerin gewesen und in allen 22 Spielen zum Einsatz gekommen.
Defensivspielerin Felicitas Rauch schloss sich der Kritik an, das Thema bezeichnete Anyomis Frankfurter Teamkollegin Laura Freigang dann sogar als "Elefant im Raum". Wück sagte schließlich, er "habe die Irritation ziemlich schnell aus dem Weg geräumt" und es sei nur "in der Öffentlichkeit ein ziemlich großes Ding gewesen".
Bei der Europameisterschaft in der Schweiz war von den Kommunikationsproblemen nichts mehr zu spüren - allerdings gehörte Anyomi nicht zum Team, das den Finaleinzug knapp verpasste. In diesem Fall war es allerdings nicht allein Wücks Entscheidung, er hatte sie wohl zu den Vorbereitungsspielen einladen wollen. Die 25-Jährige verzichtete dann aufgrund von Knieproblemen auf eine Teilnahme: "Deshalb musste ich schweren Herzens den Lehrgang - und damit auch die Chance, bei der EM dabei zu sein - absagen." Sie "vermisse das Nationaltrikot", schrieb Anyomi noch und dass sie Kraft tanke "für ein starkes Comeback".
Zweites Anyomi-Tor aberkannt
Das ist ihr nun mit einigen Monaten Verzögerung gelungen. Die Chance dazu hatte sie auch, weil Wücks Angreiferin Nummer eins, Giovanna Hoffmann, mit einem Kreuzbandriss ausfällt. Wie schon im Hinspiel hielt das DFB-Team beim Foto vor Anpfiff das Trikot der Leipzigerin genauso wie das von Lena Oberdorf in die Höhe.
Anyomi nutzte ihren Einsatz, kreierte Chancen, spielte womöglich einmal zu uneigennützig vor dem Tor ab. Und traf dann noch ein weiteres Mal. Alle jubelten schon über das vorentscheidende 3:1 in der 69. Minute. Doch der VAR kassierte das Tor - Vorlagengeberin Klara Bühl hatte knapp im Abseits gestanden. Diese hatte zuvor in der 50. Minute das 2:1 erzielt. Immer wieder entwischte sie Gegenspielerin Elisa de Almeida, diesmal kam sie endgültig durch und setzte den Ball aus spitzem Winkel an die Unterkante der Latte, von dort prallte er ins Tor.
Die Französinnen aber gaben nicht auf und in der 89. Minute schürte Clara Maeto nochmal alle Hoffnungen durch ihren Ausgleich zum 2:2. Doch das DFB-Team kämpfte sich durch. "Wir hätten es cleverer zu Ende spielen können und müssen. Schade, dass das Tor leider nicht gegeben wurde", sagte ein sichtlich erleichterter Wück nach dem Spiel und dem Finaleinzug durch den 3:2-Sieg nach Hin- und Rückspiel.
Anyomi sagte: "Es war ein intensives Spiel. Wir waren aber von der ersten Minute an da und standen kompakt. Wir haben ein gutes Spiel gemacht, gekämpft bis zur letzten Minute und alles reingehauen. Wir sind weiter, ich freue mich darüber."
Finale in Hin- und Rückspiel
Weiter - und jetzt vor der wohl größten Aufgabe, die es derzeit im Fußball gibt. Im Endspiel wartet Spanien. Die Weltmeisterinnen, die das EM-Finale erst im Elfmeterschießen gegen England verloren. Die im Halbfinale das DFB-Team nach Verlängerung mit 1:0 besiegt hatte. In der Nations League hatte Spanien schon mit dem 4:0 im Hinspiel gegen Schweden für die Vorentscheidung gesorgt, das 1:0 im Rückspiel machte endgültig alles klar.
"Das werden zwei harte Spiele für uns", so Wück über das Finale, das ebenfalls in Hin- und Rückspiel ausgetragen wird. "Das ist sehr ungewöhnlich. Das ist so ein alter Champions-League-Modus. Wir versuchen, das Beste daraus zu machen", so Wück über die Ansetzung. Das Hinspiel findet am 28. November in Kaiserslautern statt, das Rückspiel steht dann am 2. Dezember im Estadio Metropolitano von Atlético Madrid an.
Natürlich glaubt Wück an sein Team: "Ich denke vor allem an unser Halbfinale und dass das eine enge Kiste war. Ich glaube schon, dass wir gewisse Chance haben werden. Es ist für uns der nächste Entwicklungsschritt, und dann schauen wir, was dabei herauskommt." Seit etwas mehr als einem Jahr ist Wück im Amt: "Dass wir jetzt im Finale stehen, ist für uns ein schöner Erfolg."
Quelle: ntv.de
