Alcácer bringt Killerinstinkt Auf der BVB-Baustelle tut sich was
15.09.2018, 09:13 Uhr
Die beiden BVB-Neuzugänge Aclácer und Wolf treffen gegen die Eintracht.
(Foto: imago/Jan Huebner)
Borussia Dortmund ist mit zwei Siegen und einem Unentschieden in der Fußball-Bundesliga voll im Soll. Dennoch sieht Trainer Lucien Favre jede Menge Entwicklungspotenzial in seiner aufwändig runderneuerten Mannschaft.
Lucien Favre hat sich den Ruf erworben, ein Fußballtrainer zu sein, der das Spiel bis in die letzte Sequenz seziert und dabei stets kritisch mit sich und seinen Spielern ins Gericht geht. Dass diese Beurteilung nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, zeigte sich während der Pressekonferenz nach dem 3:1-Sieg des von ihm angeleiteten Ensembles der Dortmunder Borussia gegen Eintracht Frankfurt.
Favre wurde aus dem Auditorium gefragt, was er aus diesem Spiel Positives mitnehme für das Duell, das seine Mannschaft am Dienstag im ersten Gruppenspiel der Champions League beim FC Brügge zu bestreiten habe. Und was am Auftritt seines Teams noch zu verbessern sei. Mit dem ersten Teil mochte sich der Schweizer erst gar nicht aufhalten, er ging übergangslos zu dem über, was ihn wirklich beschäftigt: Die Baustelle BVB ist ein Projekt, das die ganze Schaffenskraft eines umtriebigen Architekten beansprucht, der sich darüber im Klaren ist, wie viel Potenzial in seinem Projekt steckt. Aber auch, wie viel Arbeit.
Es gäbe "viele Sachen zu verbessern", betonte der 60-Jährige. Er müsse erst einmal "alle Spieler besser kennenlernen", und sie sich untereinander, bevor die eigentliche Arbeit Früchte tragen könne. Und dann ging der akribische Fußballlehrer ins Detail: "Wir müssen den Ball besser beherrschen unter extremem Druck. Zweikämpfe in der Luft und am Boden - da haben wir Probleme."
Das Potenzial ist riesig
Dabei ist es ja nicht so, als suche der Perfektionist aus dem Kanton Waadt nur nach dem Haar in der Suppe. Selbstverständlich freue er sich über den Sieg gegen den Pokalsieger aus Hessen, "aber ich bin ja nicht dumm wie alle". Und dann legte Favre los: "Wir müssen das Spiel unter Druck viel besser beherrschen. Dafür brauchen wir Zeit und Geduld." Davon, was sich als das Idealbild vor dem geistigen Auge des Konstrukteurs ausbreitet, ist der BVB noch etwa so weit entfernt wie Angela Merkel und Horst Seehofer von einer gedeihlichen Partnerschaft.
Favre geht es unter anderem um den unwiderstehlichen Rhythmus-Wechsel, wie ihn große Mannschaften virtuos beherrschen: "Das Tempo manchmal erhöhen, manchmal ruhiger machen." Das alles sind Visionen, die der Trainer aus Leidenschaft mit seiner Mannschaft erarbeiten möchte. Es benötigt nicht allzu viel Fantasie, sich auszumalen, was möglich ist, wenn der Kader von Borussia Dortmund die Klasse auf den Rasen zaubert, die sich ihr Vordenker vorstellt. Doch davon - das machten die 90 Minuten gegen Frankfurt deutlich - ist der Champions-League-Sieger von 1997 derzeit noch ein gutes Stück entfernt.
Sicher, Anzeichen von dem, was möglich ist, sind zu erahnen, aber wirkliche Klasse hat der BVB in dieser Saison noch nicht gezeigt. Drei Siege und ein Unentschieden in den bisherigen Pflichtspielen sind eine mehr als respektable Ausbeute, doch in keiner der vier Partien wusste die Borussia gänzlich zu überzeugen. Favre weiß das am besten, nach dem in der Schlussphase errungenen Erfolg gegen biedere Frankfurter sagte er, seine Mannschaft habe das Spiel "zum Teil kontrolliert, aber nicht top-kontrolliert". Das ist zu wenig für eine Fachkraft mit solch hohen Ansprüchen.
Für Favre wird der Kader zum Problem
Dabei sind die Probleme zum Teil hausgemacht: Der BVB hat einen zu großen Kader. 30 Profis, von denen lediglich elf in der Stammformation stehen, drei eingewechselt werden können und elf auf die Tribüne verbannt werden - das kann auf Dauer nicht gut sein für den Betriebsfrieden. Die "Süddeutsche Zeitung" titelte von einer "Großgarage voller Luxusschlitten". Gegen Frankfurt waren Nationalspieler Julian Weigl und der Japaner Shinji Kagawa ganz draußen. Mario Götze schaffte es zumindest auf die Bank, was ihn nicht unbedingt erheitert haben dürfte, denn die Spielzeit des gefallenen WM-Helden betrug erneut null Sekunden.
Favre fühlt sich nicht wohl mit dieser Personallage, die ihm früher oder später um die Ohren fliegen könnte. Mehrmals hat der Trainer betont, er halte den allzu großen Kader für schwierig. Zum Glück - so seine Bewertung - habe sein Team während der kommenden Monate in drei Wettbewerben jede Menge Pflichtaufgaben zu erfüllen, so dass die Rotationsmöglichkeiten mannigfaltig seien.
Auf seine zuletzt erworbene Spitzenkraft wird der Trainer dabei mit Sicherheit regelmäßig bauen: Den Stürmer Paco Alcácar haben die Dortmunder kurz bevor das aktuelle Transferfenster geschlossen wurde, vom FC Barcelona ausgeliehen und erhoffen sich von ihm den Killerinstinkt, der nötig ist, um Großes zu erreichen. Der erste Eindruck lässt Gutes erahnen: Der Spanier wurde gegen Frankfurt eingewechselt und erzielte das finale 3:1 im Stile eines echten Torjägers. Kein Zweifel, dieser Mann könnte den ohnehin schon üppig besetzten Dortmunder Kader veredeln, weil er das hat, was Fußballer gemeinhin als Torriecher bezeichnen. Lucien Favre formuliert es so: "Der spürt Fußball."
Quelle: ntv.de