Fußball

Ein Geschenk für den FC Bayern Union zerschellt am auferstandenen Giganten

Der Gesichtsausdruck des Spieltags.

Der Gesichtsausdruck des Spieltags.

(Foto: IMAGO/Revierfoto)

Die Fußballer von Union Berlin sind Verteidigungs- und Minimalistenlegenden. Eigentlich. Am Sonntagabend gegen Bayer Leverkusen ist alles anders - und die Tabellenführung futsch. Die Mannschaft aus den Liga-Niederungen feiert eine furiose Auferstehung. Und Union übt sich in Demut.

So, nun hat sich dann auch in der Fußball-Bundesliga die Lage wieder normalisiert. Der FC Bayern hat sein Ziel erreicht und noch vor der WM-Pause die Tabellenführung übernommen. Das haben die Münchner einerseits ihrem unterhaltsamen Zittersieg bei Hertha BSC (3:2) zu verdanken (der Kollege Stephan Uersfeld urteilt hier knallhart) und andererseits der furiosen Wiederauferstehung von Bayer Leverkusen. Dieses darbende Ensemble entfachte am Sonntagnachmittag auf dem Platz endlich jenes weltmeisterliche Feuer, das bisher nur an der Seitenlinie vor sich hin glimmte. Die Mannschaft von Xabi Alonso zerlegte Union Berlin mit 5:0 (0:0).

Nur einmal zuvor waren die Eisernen in der Bundesliga so demontiert worden. Am 1. Februar 2020 war Borussia Dortmund mit gleicher Ergebniswucht über die Berliner hingweggedonnert. Erling Haaland traf damals, ebenso Axel Witsel und Jadon Sancho. Fachleute wissen: Es war eine andere Zeit. Ob die nun auch für Bayer und Union anbricht? Niemand kann das sagen. Fachleute wissen (II): Ein Spiel allein löst längst keine Herbstdepression aus. Und so ziehen sich die Unioner vorerst demütig vom Spitzenplatz zurück. Die neue Situation in der Tabelle "gilt es jetzt zu akzeptieren", sagte Trainer Urs Fischer. Enttäuscht sei er darüber nicht, "dafür hat es die Mannschaft in diesem Jahr einfach zu gut gemacht."

Interessant: Auch in Leverkusen machte es Berlin gut. Vielleicht nicht ganz so gut wie zuletzt gewohnt, aber gut. Doch dann pfiff Schiedsrichter Robert Schröder zur Halbzeit. Es war ein Pfiff, der in die Geschichte eingeht. Denn was folgte, waren die bittersten 45 Minuten der Bundesliga-Historie von Union Berlin, die nun bereits dreieinhalb Jahre andauert. Nach der Pause kam "eine Wucht auf uns", staunte Kapitän Christopher Trimmel, der die Pleite, wie schon zwei Wochen zuvor beim VfL Bochum (1:2) gelassen verarbeitete und bei DAZN an all die guten Dinge erinnerte. "Wir spielen eine grandiose Saison, wir sind im Pokal weiter, wir sind in der Europa League weiter. Dass wir mal eine Packung kriegen, war uns klar."

"Das ist leider ein Total-Ausfall"

Alles andere als klar war indes, dass diese unterminierte Prophezeiung ausgerechnet gegen Bayer Leverkusen eintreten würde. Bislang ging bei denen in dieser Saison nichts zusammen. Gar nichts. Obwohl man sich vor dem Start selbstvergewissert hatte, einen herausragenden Kader beieinanderzuhaben. Sogar Titel-Debatten wurden zugelassen. Doch dann das: Pleiten, Peinlichkeiten und der Rauswurf von Coach Gerardo Seoane, unter dessen Regie in der vergangenen Spielzeit so schöner und erfolgreicher Fußball gespielt worden war. Aber nun halt das, diese Auferstehung, diese gnadenlose Effizienz gegen die verblüfften Verteidigungs- und Minimalismuslegenden aus Köpenick. "Wir sind schlecht reingekommen und kaum dreht man sich dreimal um, steht es 5:0. Das ist leider ein Total-Ausfall", bekannte Rani Khedira, der ja auf Hansi Flicks geheimer Wüsten-WM-Liste stehen soll.

Ausgerechnet der Ex-Unioner Robert Andrich hatte das Debakel unmittelbar nach der Pause (46.) nach einer Ecke per Kopf eingeleitet. Und ausgerechnet Totalausfall-Blitzanaylist Khedira pennte im eigenen Strafraum. Als die Gäste dann zügig versuchten, die Scherben dieses kleinen Unfalls aufzukehren und auf den Ausgleich zu drängen, da wurde sie bitterböse ausgekontert. Zweimal Moussa Diaby (56./58.) sowie Adam Hlozek (68.) und Mitchel Bakker (76.) machten vor 30.210 Zuschauern den geteilt höchsten Bundesliga-Erfolg gegen einen Tabellenersten in diesem Jahrtausend perfekt. Zuvor war das bloß dem FC Bayern gelungen. Am 6. April 2019 wurde der BVB zerlegt. Unter anderem trafen Robert Lewandowski, Mats Hummels und Javi Martinez. Fachleute wissen (III): Es war eine andere Zeit.

Um mal einzuordnen, was da am Autobahnkreuz passiert ist: Vor diesem 13. Spieltag hatte Union lediglich neun Tore kassiert. Nun kamen fünf hinzu. Das war dann tatsächlich auch das, was Trainer Fischer viel mehr nervte, als alles andere, was an diesem Sonntagnachmittag passiert war. "Nicht egal ist mir die Art und Weise, wie wir hier verlieren", schimpfte der Kultcoach. Eine Standard-Situation zum 0:1 und "ein Geschenk von uns" zum 0:2, als der von Leverkusen ausgeliehene Torhüter Lennart Grill (er spielte für den verletzten Frederik Rönnöw) den Ball weit vor seinem Tor verbaselte, leiteten den Berliner Bundesliga-Kollaps ein. "Und dann spielst du Leverkusen in die Karten, wenn du ihnen zu viel Raum gibst und kriegst noch mehr Tore", ärgerte sich Fischer. "Du darfst nicht so ins offene Messer laufen. Das war für mich Jugendfußball."

"Es war eine Ohrfeige, das musst du mitnehmen"

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Aber es geht weiter, weiter, immer weiter. Überraschend schnell sogar. Schon am Mittwoch bittet der Brot-und-Butter-Wettbewerb zum nächsten Duell. Der FC Augsburg reist zur Alten Försterei, ehe am Sonntagabend noch der Vor-WM-Kracher gegen den SC Freiburg ansteht. Mit hinein in dieses furioses Jahresfinale nimmt Fischer reichlich Dinge zur Diskussion. "Es war eine Ohrfeige, da musst du mitnehmen, dass du dich so nicht verhalten kannst. Es gibt das eine oder andere anzusprechen und dann gilt es, wieder aufzustehen."

Wie das geht, hat Leverkusen vorgemacht. Und wie man mit so einem Momentum umgeht, verkünden Coach Xabi Alonso und Dosenöffner Andrich. "Natürlich bin ich heute sehr zufrieden", sagte die spanische Legende, die im achten Spiel den erst zweiten Sieg feierte. Seine Fußballer, jetzt schon Tabellen-14., hätten nach der Halbzeit viel von den Dingen umgesetzt, die er von ihr erwarte: einfaches Spiel, schnelle Kombinationen und konsequent im Abschluss. "Wenn wir einfach spielen, sind wir brutal gut", sagte Torschütze Andrich.

(Dieser Artikel wurde am Montag, 07. November 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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