Klublegende stützt den Superstar Barça verliert Messi, Millionen - oder alles
26.08.2020, 19:36 Uhr
Die glücklichen Zeiten sind wohl vorbei: Lionel Messi will nicht mehr im Barça-Trikot auflaufen.
(Foto: imago images/PA Images)
Das Undenkbare wird wohl wahr: Lionel Messi wird den FC Barcelona verlassen, jedenfalls ist das sein fester Wille. Dazu beigetragen haben viele Faktoren, auch der Umgang mit seinem besten Freund. Der Klub muss nun entscheiden, wie schlimm die Trennung wird - und wie teuer.
Den 25. August 2020 werden sie beim FC Barcelona wohl nie vergessen, es ist einer der schwärzesten Tage der langen Klubgeschichte. Er lässt sogar den 14. August etwas weniger grau erscheinen. Das war der Tag, an dem das stolze Barça 2:8 gegen den FC Bayern München verlor und dabei ein erschreckendes Bild ablieferte. Aber der 25. August wird künftig von den Barça-Fans betrauert werden. Es ist der jüngste Tag. Der Tag, an dem Lionel Messi kündigte, maximal unwürdig per Einschreiben, nach 33 gemeinsamen Titeln und unglaublichen 633 Toren für den Verein. Der Tag, an dem die letzte Hoffnung auf einen geregelten Übergang in ein neues Klubzeitalter zerbrach.
Denn jetzt dürfte es hässlich werden, aus mehreren Gründen. Das spanische Fachblatt "Sport" befürchtet sogar den "totalen Krieg". Da ist die Klausel in Messis Vertrag, die dem argentinischen Superstar, seit mehr als zwei Jahrzehnten im Klub, die Möglichkeit gibt, jedes Jahr bis zu einem bestimmten Termin im Juni zu kündigen - um dann ablösefrei wechseln zu können. "Mit diesem Schreiben beantrage ich, Lionel Andres Messi Cuccitini, mit DNI [geschwärzte Stelle], dass der Arbeitsvertrag, den ich derzeit in Ihrem angesehenen Klub besitze, auf der Grundlage von Klausel Nr. 24, die es mir ermöglicht, diese Befugnis zu nutzen, gekündigt wird", heißt es in einem von argentinischen Medien verbreiteten Schreiben, das die Kündigung Messis sein soll.
Es droht das Treffen vor Gericht
Die Authentizität des Schreibens ist nicht eindeutig, die Existenz der Klausel aber ist unstrittig. "Wegen persönlicher Gründe [geschwärzte Stelle] musste ich diese schwierige Entscheidung treffen, von der ich hoffe, dass sie vom Management bestmöglich aufgenommen wird." Nun, das Management reagierte mit der Bitte, doch alles nochmal zu überdenken. Bleibt Messi bei seinem Entschluss - und offenbar ist der unumstößlich - werden sich beide Parteien wohl vor Gericht wieder treffen.
Denn dann geht es um rund 700 Millionen Euro - so hoch ist die festgeschriebene Ablöse für den sechsfachen Weltfußballer. Ex-Präsident Joan Gaspart würde dafür ins Gefecht gehen. "Ich würde ihn nächstes Jahr eher ablösefrei ziehen lassen, als in diesem Sommer für 699 Millionen Euro", sagte er. Ein Abgang zum Nulltarif zu einem der europäischen Konkurrenten wäre "noch demütigender" als die 2:8-Pleite im Champions-League-Viertelfinale gegen Bayern München. Messi kündigte zwar weit nach Juni, aber unmittelbar nach dem Saisonende, ganz im Geiste der Vereinbarung.
Barça bemühte sich als erste Reaktion die Wogen zu glätten. "Es ist kein Streit zwischen Messi und Barcelona", sagte der Technische Direktor Ramon Planes. Es gebe "keine Spaltung im Verein über Leo". Messi solle beim Neuaufbau eine Schlüsselrolle spielen. "Wir betrachten Messi als Barça-Spieler." Ein Abschied Messis auf vertraglicher Ebene komme nicht infrage, "weil wir wollen, dass er bleibt", sagte Planes. Messi aber werde, heißt es aus seinem Umfeld, weder am Wochenende zu den obligatorischen Corona-Tests erscheinen, noch zum Trainingsstart. Das müsste der Verein eigentlich bereits sanktionieren.
Es geht nicht nur um die Privilegien
Das große Beben zieht einen tiefen Graben durch den großen Klub. Der neue Trainer Ronald Koeman wird seine Mission mit der größtmöglichen Hypothek beginnen: Der Holländer, selbst eine Vereinslegende, dürfte den drohenden Abschied Messis maßgeblich mit in Gang gesetzt haben. Koeman, so hatte es zunächst geheißen, wolle eine neue Mannschaft um Messi aufbauen. Aber offenbar haben seine Pläne den Argentinier nicht überzeugt. Direkt nach seinem Amtsantritt soll der 57-Jährige im Gespräch mit dem Argentinier dessen Sonderstellung infrage gestellt haben. "Die Privilegien im Kader sind vorbei, alles muss für die Mannschaft getan werden", soll Koeman laut einem Bericht des Online-Portals "Diario Olé" der Mannschaft gesagt haben: "Ich werde unflexibel sein, man muss an das Team denken."
Messi, der in der Öffentlichkeit zurückhaltend auftritt, ist in der Kabine der Anführer der Mannschaft, er steht aufgrund seiner sportlichen Extraklasse auch in der Hierarchie an der Spitze. Dass Messi sich vor Wochen in einem öffentlichen Schreiben auch indirekt gegen den umstrittenen Klub-Präsidenten Josep Maria Bartomeu stellte, ist ein weiteres Indiz dafür. Dass es jetzt wirklich ernst werden könnte mit einer bitteren Trennung zwischen dem Klub und seinem Star, liegt wohl auch am Umgang mit Stürmer Luis Suarez. Die Familien Messi und Suarez waren zuletzt gemeinsam im Urlaub, der Uruguayer ist Messis bester Freund - und hat keine Zukunft im Verein.
Laut dem Radiosender "Rac1" habe Suarez am Tag vor Messis Kündigung ein Anruf Koemans ereilt: Der Spieler, mit 198 Treffern drittbester Stürmer der Vereinsgeschichte, solle sich einen neuen Verein suchen. Vorher hatte sich der Angreifer, 2014 für rund 80 Millionen Euro vom FC Liverpool gekommen, noch offensiv angedient: "Ich möchte so lange bleiben, wie sie auf mich zählen. Ich habe die Unterstützung der Fans seit meiner Ankunft gespürt, und das motiviert mich sehr. Ich hätte kein Problem, nächste Saison Ersatzspieler zu sein." Gleichzeitig zeigte er sich jedoch enttäuscht, dass er von seiner anstehenden Ausbootung nur aus den Medien erfahre, sein Klub dagegen den Kontakt meide. Gleichwohl der Umbruch nach einem schlimmen Jahr unvermeidlich ist, präsentiert sich der Klub unsouverän. Chaos statt Aufbruchstimmung.
"Alle meine Unterstützung, Kumpel"
Messi bricht in Barcelona sein gewohntes Umfeld weg, seine Wohlfühlzone, die er braucht, um im Wochentakt große Leistungen zu bringen. Xavi, Andres Iniesta, Carles Puyol, gemeinsam mit Messi prägten sie eine Ära und wurden zu Klubidolen. Puyol, den Noch-Präsident Bartomeu im vergangenen September vergeblich versuchte, als Sportchef zu installieren, schlug sich schon auf Messis Seite: "Respekt und Bewunderung, Leo. All meine Unterstützung, Kumpel", twitterte der Kapitän der großen Barça-Generation. Suarez kommentierte den Tweet zustimmend mit einem erhobenen Daumen.
Die Fronten sind längst formiert, für die Fans ist der Schuldige längst ausgemacht: Präsident Bartomeu. "Barça wird vom Krieg Messi gegen Bartomeu bereits kaputt gemacht", schreibt "Sport". Ein Krieg, den der unpopuläre Präsident nicht gewinnen kann. Messis Verhältnis zu Bartomeu gilt seit Monaten als gestört. In der Corona-Krise hatte es wegen Gehaltskürzungen Zoff zwischen den Stars und dem Klubchef gegeben. Messi hatte das Vorgehen des Vereins öffentlich kritisiert, fühlte sich und seine Mitspieler als Sündenböcke.
"Schwierig, sich ein traurigeres Ende vorzustellen"
Nach dem Bekanntwerden des Transferwunschs von Lionel Messi müsse man die Führung des FC Barcelona um Präsident Josep Maria Bartomeu so schnell wie möglich stürzen, fordert ein Geschäftsmann mit eigenen Ambitionen aufs Präsidentenamt. "Ich habe gerade einen schriftlichen Antrag auf ein Misstrauensvotum gegen Josep Maria Bartomeu und sein gesamtes Management-Team gestellt", schrieb Jordi Farre am Mittwochvormittag bei Twitter. Der 44-Jährige will sich um die Nachfolge von Bartomeu bewerben, dessen Amtszeit im März 2021 turnusmäßig endet. "Sie dürfen keine Minute länger an der Spitze des Klubs stehen", die Ankündigung von Messi, den Klub verlassen zu wollen, sei "ein weiterer Beweis für die Unordnung" innerhalb von Barça, schrieb Farre.
Kataloniens Regionalpräsident Quim Torra verabschiedete Messi schon am Dienstagabend, vielleicht etwas voreilig: "Katalonien wird immer dein Zuhause sein. Vielen Dank für diese Zeit des Glücks. Wir waren verwöhnt, einige Jahre unseres Lebens mit dem besten Spieler der Welt teilen zu können. Und mit einem noblen Sportsmann. Wir werden dich nie vergessen."
Die italienische "Gazzetta dello Sport" brachte das ganze Schlamassel auf den Punkt: "Es ist schwierig, sich ein traurigeres, selbstzerstörerischeres, sogar surrealeres Ende vorzustellen: Dass Leo Messi Barcelona darüber informiert, dass er jetzt und kostenlos weg will." Eine Ära endet - mit einem 2:8 auf der größten Bühne. So richtig will man es sich eigentlich gar nicht vorstellen.
Quelle: ntv.de