Fußball

Sechs Dinge, die wir am achten Spieltag gelernt haben Bayern zu sehr Barça, Favre schämt sich

Frust runterspülen auf Bayrisch: Pep Guardiola beim Oktoberfest.

Frust runterspülen auf Bayrisch: Pep Guardiola beim Oktoberfest.

(Foto: imago sportfotodienst)

Schönes Spiel führt nicht immer zum Erfolg, zeigt der achte Spieltag der Fußball-Bundesliga: Bayern führt Bayer vor - und holt nur ein Remis. Gladbach ist der Sieg gegen den BVB peinlich. Braunschweig helfen Psycho-Spielchen.

1. Zahlen lügen nicht

Wieder kein Treffer. Thomas Müller ärgert sich.

Wieder kein Treffer. Thomas Müller ärgert sich.

(Foto: imago sportfotodienst)

Zumindest, wenn man die richtigen Zahlen betrachtet. Egal, in welcher Kategorie, die Statistiken des Topspiels belegen ausnahmslos die krasse Überlegenheit der Bayern im Spiel gegen Leverkusen. 78 zu 22 Prozent Ballbesitz, 14:2 Ecken, 27:5 Torschüsse, 629:118 erfolgreiche Pässe. Bayer hatte also keine Chance? Falsch. Es lohnt ein Blick auf die: Anzeigetafel. 1:1 stand dort. Unverdient hin oder her: Bayer Leverkusen hatte sogar eine Chance, dieses Spiel zu gewinnen. Ein Stellungsfehler, ein Patzer von Bayerns Torwart Manuel Neuer, ein fragwürdiger Elfmeterpfiff (zum Beispiel, als Franck Ribéry Jens Hegeler anrempelte)  - schon wäre Bayer Tabellenführer geworden und die Bayern hätten ihren Kater schon vor dem Oktoberfestbesuch erlebt.

Blicken wir doch mal auf weitere aufschlussreiche Zahlen. Das Torverhältnis der Bayern liegt bei 15:3. Im Vorjahr waren es zur gleichen Zeit noch 26:2 Tore. Wenn Uli Hoeneß also nach dem Spiel gegen Manchester behauptete, im Vorjahr habe man eine "super Mannschaft" gehabt, aber jetzt sei es eine "super, super Mannschaft", dann mag das stimmen. Es heißt aber nicht, dass dieses Team Trophäen holt. Ständige Bewegung, schnelle Pässe, atemberaubende Technik - der FC Bayern ähnelt dem FC Barcelona, ja. Wenn dabei aber weiterhin so wenig Tore herauskommen, kommen bald die ersten Vergleiche zum FC Barcelona von 2011 und 2012 auf. Der kreiselte von sich selbst ermüdet ziellos hin und her. Davon ist Bayern weit entfernt - noch. Nur wäre es vielleicht keine schlechte Idee, mal zur Abwechslung einen Stürmer in den Sturm zu stellen. Oder wozu wollten die Bayern Robert Lewandowski nochmal verpflichten?

2. Sturmläufe verhindern Wunder nicht

Fast schien es so, als sei Lucien Favre das Ganze peinlich. Da hatte seine Borussia aus Mönchengladbach die Namenscousine aus Dortmund geschlagen und im vierten Heimspiel dieser Saison den vierten Sieg gefeiert. Doch der Trainer sagte: "Die erste Hälfte war katastrophal." Und er räumte ein, dass "über 90 Minuten gesehen unser 2:0 klar unverdient war. Dass wir gewonnen haben, ist fast ein Wunder". Diese Einschätzung hatte Favre nicht exklusiv, schließlich hatte der BVB 27 Mal aufs Tor des Gegners geschossen, die Gladbacher ihrerseits nur sechs Mal.

Noch frappierender aber war, dass die Borussia aus dem Ruhrgebiet die vom Niederrhein aussehen ließ wie einen hoffnungslos unterlegenen Zweitligaverein. Und trotzdem verlor. Oder wie es Kevin Großkreutz formulierte: "Es war unsere eigene Doofheit." Es ist die Pointe dieses achten Spieltags, dass mit den Dortmundern und den Münchnern die beiden besten Mannschaften der Liga ihre Gegner zwar dominierten, aber eben nicht bezwangen. Was lernen wir daraus? Nichts, außer: So ist Fußball. In jeder anderen Mannschaftsportart, sei es Basketball, sei es Handball, Eishockey oder Hallenhalma, hätte der BVB diese Partie gewonnen. Den Obolus fürs Phrasenschwein zahlen wir gerne.

3. Tränen schaden nicht

Entschuldigen Sie die Ausdrucksweise, aber wir sind ja auch Fußball-Fans, und als solche sagen wir: Muss das geil gewesen sein für die Braunschweiger Anhänger in Wolfsburg. Die "Wölfe" hatten das Spiel zum Derby des Jahres hochgejazzt und Transparente aufgehängt, auf denen Dinge standen wie "In Europa kennt euch keine Sau" oder "Wir begrüßen die Fußballvorstadt der Region zum Schnupperkurs Bundesliga". Und dann klappt endlich das, was sieben Spiele lang einfach nicht klappen wollte. Die Wolfsburger Abermillionen-Offensive vergeigt ihre Chancen, ein Pass rutscht durch und ermöglicht das 0:1, und dann sitzt der Konter kurz vor Schluss zum 0:2.

Wolfsburgs Trainer Dieter Hecking wusste schon, wen er auf Braunschweiger Seite loben musste. "Das war eine optimale Motivation für unseren Gegner", lobte Hecking mit finsterer Miene seinen Kollegen Torsten Lieberknecht. Der hatte noch vor einer Woche nach dem 0:4 gegen Stuttgart mit Tränen in den Augen Dinge gesagt wie: "Ich bin keiner, der weglaufen möchte, aber trotzdem komme ich ins Grübeln" Dann verschanzte sich Lieberknecht, und draußen bildeten Klub und Anhänger eine Mauer für ihren Aufstiegshelden. 500 kamen zum Training, sie sangen und bildeten ein Spalier für Trainer und Team. Zur Belohnung durften sie alle einen "sehr emotionalen" (Mittelfeldmann Mirko Bolland) Sieg feiern. "Diese Woche hat sich das Grübeln gelohnt", sagte Lieberknecht spitzbübisch. Allerdings sollte er aus den Fehler eines anderen Niedersachsen lernen - Gerhard Schröder hat auch öfter mit seinem Rückzug kokettiert und dann lief es doch schief.

4. Elfmeter schützt vor Roter Karte nicht

Hummels attackiert Nordveit mit einer "judoreifen Fußsichel" (Süddeutsche Zeitung).

Hummels attackiert Nordveit mit einer "judoreifen Fußsichel" (Süddeutsche Zeitung).

(Foto: imago sportfotodienst)

Verkehrte Welt auf Schalke. Von Beginn an diktiert der Außenseiter aus Augsburg das Spiel, geht nach zehn Minuten völlig verdient in Führung. Fünf Minuten später ist das Spiel plötzlich so gut wie gelaufen. Ragnar Klavan bringt den Schalker Adam Szalai im Strafraum zu Fall, er ist letzter Mann - Elfmeter und Rote Karte. Ortswechsel, Mönchengladbach, rund 80 Minuten später: Die Borussia aus Dortmund hat ihre guten Chancen nicht genutzt, es läuft alles auf ein 0:0 hinaus, als aus dem Nichts ein tödlicher Pass in den Dortmunder Strafraum kommt. Mats Hummels senst Havard Nordtveit um - Elfmeter und Rote Karte.

Es ist guter Brauch, dass sich Kommentatoren, Trainer und Fans anschließend über die "Doppelbestrafung" beklagen. DFB-Präsident Wolfgang Niersbach interpretiert die korrekte Regelauslegung sogar als "Dreifach-Bestrafung" aus Elfmeter, Roter Karte und der anschließenden Sperre. Das sei "eine der größten Ungerechtigkeiten des Regelwerks", der DFB werde "nicht aufgeben", bis sie beseitigt sei. Mal davon abgesehen, dass Niersbach offenbar von Sepp Blatter gelernt hat, wie man in Zeiten des Beschusses von sich ablenkt: Im Falle einer Notbremse ist das Gerede von der Mehrfachstrafe schlicht Quatsch. Der Elfmeter ist der Ersatz für die entgangene Torchance, die Rote Karte die Strafe für die Notbremse. So einfach ist das.

5. Schwalben lohnen nicht

Die Schiedsrichter haben es, siehe oben, in Sachen Elfmeter schwer genug. Zu allem Überfluss gibt es immer noch Spieler, die auf die Erdanziehungskraft übersensibel reagieren. Peter Sippel hatte es in Stuttgart gleich mit zwei Schwalben zu tun. Erst wollte Stuttgarts Vedad Ibisevic einen Strafstoß schinden, dann fiel Bremens Mehmet Ekici über ein imaginäres Bein. Beide kassierten ihre dritte Gelbe Karte der Saison. In Freiburg ließ sich Sippels Kollege Deniz Aytekin zum Glück nicht an der Nase herumführen. In Jonathan Schmids, ähm, Fall war die Schwalbe nicht nur eine absolute Frechheit, sondern auch absolute Dummheit, er hätte auch einfach auf den Beinen bleiben und eine gefährliche Chance einleiten können. Eine kleine Bitte an DFB-Präsident Wolfgang Niersbach: Für Schwalben hätten wir gerne diese ominöse Mehrfachbestrafung.

6. Alter schützt vor Torwart nicht

Alle reden von den jungen Torhüter-Talenten, an denen in Deutschland ein solcher Überfluss herrscht, dass es kaum noch richtige Stürmer gibt, weil die alle schon in der Jugend an den Monstern im Tor verzweifelt sind. Acht Schüsse des BVB wehrte der 21-jährige Marc-André ter Stegen für Mönchengladbach ab, neun Schüsse des FC Bayern hielt sein gleichaltriger Kollege Bernd Leno in Leverkusen. Die Leistung von ter Stegen war so gut, dass ein Journalist Jürgen Klopp fragte, ob der BVB den Torwart nicht als Nachfolger für den 33-jährigen Roman Weidenfeller verpflichten wolle. Doch Klopp will den Jugendwahn nicht mitmachen: "Wir sind weit davon entfernt, dass Roman Weidenfeller in Rente geht. Und wenn das so weit ist, ist Marc-André ter Stegen auch schon zu alt für uns." Oldie but Goalie war am Wochenende vor allem ein Mainzer: Heinz Müller eilte in der allerletzten Minute für eine Ecke nach vorn, stieg hoch wie einst Michael Jordan, leitete mit seinem Kopfball das 2:2 ein und rannte anschließend wie von Sinnen über den Rasen. "Ich wäre am liebsten aus dem Stadion gelaufen", sagte Müller danach. Der Mann ist 35.

Quelle: ntv.de

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