Schicksalsspiel beim VfL Bochum Bei der nächsten Entschuldigung knallt's bei Fortuna
27.09.2025, 11:44 Uhr
Bei Fortuna Düsseldorf ist die Stimmung mies.
(Foto: picture alliance/dpa)
Vor 16 Monaten steht Fortuna Düsseldorf mit mehr als einem Bein in der Fußball-Bundesliga, heute steht der einstige Europapokal-Finalist mit beiden Beinen in der Krise. Am Abend geht es in einer schicksalhaften Konstellation wohl um den Job des Trainers.
Als Takashi Uchino am 27. Mai 2023 kurz vor Mitternacht den Ball vom Elfmeterpunkt in den Düsseldorfer Nachthimmel jagte, schickte er seinen Klub in ein Meer aus Tränen. In der Relegation um die Fußball-Bundesliga hatte Fortuna Düsseldorf den VfL Bochum im Hinspiel in Bochum zermürbt, zerlegt, vernichtend geschlagen: 3:0 gewann der Zweitligist beim demoralisierten VfL.
Die Beteuerungen, das Heimspiel ernst zu nehmen und nicht als Triumphmarsch ins Oberhaus zu zelebrieren, war Fassade, das Konzept kollabierte, am Ende heulten die Düsseldorfer und ihr konsternierter Trainer Daniel Thioune und die Bochumer, die das Duell tatsächlich gedreht hatten, wussten nicht, wohin mit ihrem Glück.
Heute, exakt 16 Monate später, treffen sie sich zum ersten Mal seit der schicksalshaften Nacht von 2023 wieder. (20.30 Uhr/ NITRO, RTL+ und im Liveticker auf ntv.de) Und wieder ist es ein Endspiel. Die Stimmung ist an beiden Standorten mies, weil sie ambitioniert in die Saison gestartet waren und doch desolat dastehen. Der VfL Bochum liegt sogar auf einem direkten Abstiegsplatz.
Und Fortuna Düsseldorf? In drei Heimspielen haben sie noch kein Tor geschossen und dreimal verloren. "Ich muss mich beim Publikum entschuldigen, das 270 Minuten hier einiges ertragen musste", barmte Thioune jüngst. "Eine Heimmannschaft, die in dieser Zeit kein Tor schießt - so etwas darf nicht passieren. Mit den einzelnen Pfiffen, die wir zurecht abbekommen haben, sind wir noch gut bedient. Ich bin maximal enttäuscht."
Es ist ja nicht einmal der sportliche Misserfolg, der sie am Rhein zermürbt. Man hat hier immerhin in dunkelsten Zeiten überaus mittelmäßigen aber stets in Flammen stehenden Profis wie Frank Mayer oder Axel Bellinghausen auf den Dorfsportplätzen der viertklassigen Regionalliga West zugejubelt. Manchmal ironisch, immer aber engagiert. "Rote Laterne Fraktion" nannte sich ein Fanklub damals, Mitte der Nullerjahre. Auf Zynismus hat man in Düsseldorf noch keinen Bock, noch ist da Frust - und Kampfgeist: "Keine Entschuldigungen mehr, unser Trainer muss die Spieler endlich erfolgreich zu einer leidenschaftlichen und nicht lethargisch dahinsiechenden Mannschaft zusammenfügen", fordert Ronald Hübner. "Es muss einfach mal laut werden, wir geben jedesmal alles in der Arena und wollen das auch von der Mannschaft sehen."
Hübner ist Gitarrist der Düsseldorfer Musikhelden Broilers, vor allem aber seit Jahrzehnten Fortuna-Fan. Er kennt den Schmerz und die Hoffnung. Mit seiner Band spielt er im Sommer ein ausverkauftes Konzert im heimischen Stadion, dann wird Ekstase herrschen. Gefühle, die sie rund um die Fortuna schon lange vermissen.
Trainer "ist verantwortlich, dass sich das bessert"
Bei Absteiger Bochum ist alles noch etwas schlimmer, aber heute Abend geht es nur um den Job des Düsseldorfer Trainers. Weil die Bochumer Dieter Hecking schon rausgeworfen haben und weil sie in Düsseldorf Daniel Thioune schon heftig angezählt haben.
Nach dem jüngsten 0:3 zu Hause gegen den SV Darmstadt 98 gab sich Manager Klaus Allofs überhaupt keine Mühe, den Trainer aus der Schusslinie zu nehmen: "Er ist dafür verantwortlich, dass sich das bessert", sagte der ehemalige Nationalspieler, der mit der Fortuna einst im UEFA-Pokal-Finale gegen den FC Barcelona gestanden hatte.
Sieben Punkte hat die Fortuna in sechs Spielen gesammelt (und damit immerhin noch satte vier mehr als der VfL), das reicht derzeit nur für Platz 13. Die Spitze ist schon meilenweit enteilt, die Träume von einem erneuten Angriff gen Oberhausen sind längst gestorben. Wobei, es waren keine Träume - es war ein klarer Auftrag: "Unser Ziel wird natürlich sein, aufzusteigen! Das ist klar", verkündete die Klublegende vor Saisonstart ungewohnt vollmundig. Auch wenn er danach noch einschränkte: "Letzte Saison waren lange acht bis zehn Klubs oben dabei. Ich fürchte, das wird auch diesmal so sein. Wir wollen oben dabei sein und uns berechtigte Hoffnungen machen. Und am Ende idealerweise Platz eins oder zwei belegen. Oder wenn es über Platz drei geht, wäre es auch nicht so schlecht." Ein Zitat seines Chefs, das Thioune nun schon nach wenigen Wochen am liebsten wieder einsammeln würde: . "Wir haben vielleicht den Fehler gemacht, auch zu früh, zu laut geschrien, was unser Saisonziel sein soll."
"Nicht so ein Gesicht zeigen"
Das Team, das Thioune nach den Abgängen der Leistungsträger Isak Johannesson (zum 1. FC Köln) und Jamil Siebert (zu US Lecce) von Allofs und Co. hingestellt bekommen hat, kann mit Allofs' angepeiltem Tempo (noch) nicht mithalten. "Wir haben viele neue Gesichter, wir müssen zusammenwachsen, aber irgendwann ist die Zeit halt auch mal rum in dieser Findungsphase", klagte der beim 0:3-Desaster gegen Darmstadt 98 noch stärkste Fortune Florian Kastenmeier: "Wir können nicht Woche für Woche so ein Gesicht zeigen." Das Problem: Kastenmeier ist der Torwart, er wird kaum das von Thioune eingeforderte "energetischere Auftreten" ins Team implementieren können.
Auch die Kollegen wissen, was die Stunde geschlagen hat: "Es liegt an jedem Einzelnen, noch mehr zu investieren und noch enger zusammenzurücken. Den Erfolg müssen wir uns Woche für Woche, Tag für Tag erarbeiten. Die Mannschaft ist gewillt", versprach Vizekapitän Tim Oberdorf. "Wenn wir unseren Plan gemeinsam durchziehen und konsequenter am Matchplan arbeiten, kommt auch die Intensität zurück. Wir haben jetzt ein paar Tage Zeit, genau diese Dinge auf dem Platz umzusetzen und am Wochenende in Bochum zu zeigen." Den freien Tag nach dem Darmstadt-Spiel hatte Thioune seinem Kader gestrichen.
"Unser Anspruch ist deutlich höher als unsere bisher gezeigte Leistung. Jetzt heißt es "All in". Das heißt jetzt erst recht und gemeinsam, also eher "All together"", beschwor Thioune am Tag vor dem Spiel.
"Mache das nicht mit einem Endspiel"
"Ich mache das jetzt nicht mit einem Endspiel", wollte Allofs das Duell mit dem VfL Bochum nun nicht zum Schicksalsspiel für Thioune erklären. Nicht schon wieder. Aber: "Es wäre nicht glaubwürdig, wenn ich sagen würde, der Trainer ist außerhalb jedweder Diskussion." Thioune selbst weiß auch Bescheid: "Wir können das Spiel gewinnen. Alles andere liegt nicht in meinem Einflussbereich", erklärte der Trainer mit Blick auf seine Zukunft. "Was danach kommt, ist nicht mein Raum."
Hübner, der im Stadion nicht nur auf der Bühne, sondern auch auf der Tribüne mal wieder große Momente erleben will, ist unmissverständlich: "Für das Spiel in Bochum wünsche ich mir eine Mannschaftsleistung wie im Relegationshinspiel, vorne die Chancen nutzen und hinten dicht halten, absoluten Willen zeigen und die Fortuna-DNA in sich tragen, denn wer das Fortuna-Trikot trägt muss sich bewusst sein, was es heißt, dieses Trikot zu tragen." Die blutleeren Auftritte, mit denen sich der selbsternannte Aufstiegsaspirant in die Bredouille gebracht hat, müssen ein Ende haben. Sonst sind nicht nur die Punkte weg, sondern auch die Fans. Der Glaube an die eigenen Träume hat Düsseldorf ohnehin schon verlassen.
"Das ist die anspruchsvollste Situation, die ich in Düsseldorf bisher erlebt habe", sagte Thioune, dem die Mannschaft das Vertrauen - so beteuern es diverse Führungsspieler - noch nicht entzogen hat. "Jetzt muss ich nur noch die Fans überzeugen, dass ich der richtige Trainer sein kann und bin." Muss sich der Ex-Profi nach dem VfL-Spiel wieder bei den Anhängern für eine leidenschaftslose, am Ende auch erfolglose Vorstellung entschuldigen, wird es möglicherweise keine weiteren Gelegenheiten geben, die Stimmung zu drehen. Der VfL ist sein Schicksal.
Quelle: ntv.de, ter