Fußball

Wo Watzke jetzt anrufen sollte "Beschissene" Niederlage versetzt BVB in "Kackstimmung"

Mats Hummels und Emre Can sind nicht gerade bester Dinge.

Mats Hummels und Emre Can sind nicht gerade bester Dinge.

(Foto: IMAGO/Sven Simon)

Borussia Dortmund fliegt im Achtelfinale des DFB-Pokals mal wieder alles um die Ohren. Gegen den VfB Stuttgart warten sie auf die Niederlage. Die nicht ausbleibt. Zwei Wochen vor Weihnachten herrscht rund um das Westfalenstadion Explosionsgefahr. Gibt es einen Ausweg?

Der Plan war eigentlich einfach: Ohne eigenen Ballbesitz wollte der BVB beim VfB Stuttgart ins Pokal-Viertelfinale einziehen. Ein paar Nadelstiche sollten reichen. Am Ende stand ein in der Höhe schmeichelhaftes 0:2 und Trainer Edin Terzić vor den Mikrofonen. Er sprach von einem völlig "beschissenen Abend" und lag zumindest damit richtig. Den Dortmundern war mal wieder alles um die Ohren geflogen. "Es hat vorne und hinten heute gefehlt, in den Zweikämpfen nicht stark genug gewesen, fußballerisch eine Katastrophe, muss man ehrlich mal sagen", wütet BVB-Kapitän Emre Can. Was er sagte, stimmte. Der BVB war in Stuttgart fußballerisch eine Katastrophe, lauerte eigentlich nur darauf, ein Gegentor zu kassieren.

Der zutiefst negative Ansatz von Borussia Dortmund hatte sich mal wieder nicht ausgezahlt, weil sie zwei Tore kassiert hatten und weil ihre Offensivbemühungen meist spätestens bei der dritten Passstation endeten. Es schien fast so, als wolle sich der BVB beim Überraschungsteam dieser Saison von der ersten Minute an ins Elfmeterschießen retten.

Das gelang natürlich nicht, weil Stuttgart zu stark presste, den BVB immer wieder unter Druck setzte und der ohnehin nichts auf die Reihe bekam. "Es geht darum, fußballerische Lösungen zu finden. Unser Anlaufen ist sehr schlecht. Stuttgart läuft an, ist immer da, die Abwehrspieler haben gar keine Zeit. Bei uns stimmt da irgendwas nicht", erklärte Can dann auch. "Wir müssen einfach mehr wollen, mehr Intensität im Spiel haben. Das muss von der Mannschaft und jedem Einzelnen kommen."

BVB komplett ohne Spielidee

Es kommt fußballerisch nichts. Das hat System. Und das verspricht nichts Gutes für die letzten vier Spiele des Jahres, in denen es nun womöglich um mehr geht als nur Punkte in der Liga und den Gruppensieg in der Champions League. Trainer Terzić rückt automatisch ins Blickfeld. Seine Taktik ist der Erfolg. Bleibt der Erfolg jedoch aus, ist sein Heldenfußball ohne Helden nicht dazu geeignet, irgendetwas zu rechtfertigen.

Der vollständige Kontrollverlust in den Spielen gegen Bayern München, Bayer Leverkusen und nun zweimal VfB Stuttgart beruht auf einer fälschlichen Annahme. Er beruht darauf, dass die Dortmunder Offensive mit außergewöhnlichen Individualisten jederzeit die am Borsigplatz dieser Tage oft bemühten "Nadelstiche" setzen kann. Das ist nicht der Fall. Weil die Offensive nach dem Abgang von Jude Bellingham nicht mehr mit außergewöhnlichen Individualisten besetzt ist. Nicht in jedem Spiel kann die Verteidigung um den dauergrätschenden Mats Hummels und Keeper Gregor Kobel den Laden komplett zusammenhalten. Gegen Stuttgart ging nach vorne bis auf einen Abseitstreffer und einen Lattenschuss mal wieder wenig.

Borussia Dortmund fehlt im Dezember 2023 eine Spielidee, die auf mehr beruht als auf der Taktik der ausbleibenden Nadelstiche. Das hat mit Terzić zu tun und das hat mit der neuen sportlichen Führung zu tun. Sportdirektor Sebastian Kehl hat nach seiner Amtsübernahme von Vereinsikone Michael Zorc im Jahr 2021 den Verein auf neue Füße gestellt. Doch die vor dieser Saison eilends verpflichtete neue Mittelschicht aus Niclas Füllkrug, Marcel Sabitzer, Ramy Bensebaini und dem dauerverletzten Felix Nmecha ist vom Abstieg bedroht. Sie hat sich nahtlos den Dortmunder Depressionen gebeugt. Der Mannschaft fehlt es an Leichtigkeit, Konstanz und Freude.

Die Panikattacke dauert an

Kehl verantwortet als Sportdirektor die langsame Abkehr vom Ausbildungsklub für die Superklubs Europas zu einem, der mit einem Korsett aus erfahrenen Spieler nationale Titel angreifen will. Bleiben diese aus, bekommt der BVB auch finanziell ein Problem. In der Vergangenheit beruhte das Fundament mit seinen hohen Gehältern auch auf dem Verkauf eines kommenden Superstars. Es bedarf schon einer großen Fantasie, im aktuellen Kader den neuen Jude Bellingham, Erling Haaland oder auch Jadon Sancho zu finden.

Bei Borussia Dortmund gibt es selten Zwischentöne. Entweder sind die Schwarzgelben oben auf oder sie stürzen ohne Halt ins Bodenlose. Es besteht kein Zweifel: In diesen letzten Tagen des Jahres 2023 befindet sich der BVB erneut im freien Fall. Dabei hätte 2023 das Jahr der Borussia sein können. Dass es dazu nicht kam, hängt natürlich auch mit dem 27. Mai zusammen. Dem Tag, an dem sie sich anstatt in eine niemals enden wollende Meisterfeier in eine Panikattacke stürzten. Die dauert bis heute an.

Richtungsstreit in der Führung?

In den vergangenen Tagen hatte BVB-Boss Hans-Joachim Watzke noch einmal davon erzählt, wie so ein Tag einen Verein nachhaltig verändern könne. Er hatte es tatsächlich. Er hat einen verwundeten Klub zurückgelassen, der panisch in eine Zukunft starrt, die wenig Heilung verspricht. Einen Klub, der ohnehin seit über einem Jahrzehnt in der immer gleichen Gegenwart feststeckt und dem diese Gegenwart nun auch aus den Händen gleitet. Die Angriffe kommen immer von außen. Mal sind es die Schiedsrichter, die dem BVB die Elfmeter nicht pfeifen. Mal sind es die Medien, die den Vizemeister in ein schlechtes Licht rücken. Und mal sind es die Umstände, die es dem BVB ohnehin unmöglich machen, die auch finanzielle Dominanz der Bayern zu brechen.

Und jetzt noch die Herbstkrise, die erneut am Erreichen des Mindestziels Geldquelle Champions League zweifeln lassen. Zu stark erscheinen in diesem Jahr die nationalen Konkurrenten in der Liga. Noch ist der Kampf um eine Platzierung in den Top 4 der Liga ein nicht aussichtsloser. Das aber kann sich bereits im Spiel am kommenden Samstag gegen den Tabellennachbarn RB Leipzig ändern und in den darauffolgenden Partien bei den aufstrebenden Augsburgern und dem FSV Mainz, den Auslösern der Panikattacke, ändern.

"Die Saison ist lang. Das merkst du immer wieder. Das Spiel am Samstag entscheidet jetzt nicht die ganze Saison", sagte Keeper Kobel nach dem Spiel. Er fügte hinzu: "Wir müssen extrem aufpassen, dass wir da den Anschluss nicht verlieren. Das startet mit dem nächsten Spiel." Die Stimmung sei ohnehin gerade "schon kacke."

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Borussia Dortmund hat sich in den vergangenen Monaten mal wieder selbst verloren. Natürlich auch in der Führungsetage, in der mehr übereinander als miteinander geredet wird. In diesen Wochen erreichte diese Kommunikationskrise mit dem Rauswurf des Koordinators Sport Slaven Stanic ihren vorläufigen Höhepunkt. Der Intimus von Sportdirektor Kehl hatte in einer Loge zu laut und zu hart über Trainer Edin Terzić gelästert. Sein Abschied wirkte wie der verzweifelte Versuch einer Kurskorrektur für den in hohen Wellen hin- und herscheppernden Klub und ließ die Frage nach dem Verhältnis zwischen Terzić und Kehl unbeantwortet.

Auch der über so viele Jahre mächtige Mann, Geschäftsführer Watzke, kann da kaum etwas ausrichten. Er wirkte zuletzt arg mitgenommen und zwischen all seinen Ämtern als DFB-Retter, DFL-Investorensucher und Funktionär bei der UEFA aufgerieben. In Dortmund soll er sich jetzt auch noch zu einem Maulwurfsjäger aufgeschwungen haben. Irgendwer redet mit den Medien. Der Zoff der Bosse ist längst öffentlich. Der BVB ist in der Weihnachtszeit mal wieder ein Fall für die Telefonseelsorge. Der Klub sollte sich die Nummer auf Kurzwahl legen. Die Anrufe werden anonym und vertraulich behandelt.

Quelle: ntv.de

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