Fußball

Fifa-Visionär in Missionarsstellung Blatter mimt den Gutmenschen

Nach der dubiosen Doppelvergabe der Fußball-WM 2018 und 2022 meldet sich Fifa-Boss Joseph Blatter zu Wort. Fehler kann der Schweizer nicht erkennen, erst recht kein Korruptionsproblem, einen Rücktritt schließt er aus. Kritisch sieht Blatter nur das ramponierte Ansehen seiner geliebten Fifa.

"Wenn der Fifa-Präsident dauernd infrage gestellt wird, ist das nicht erfreulich": Joseph Blatter.

"Wenn der Fifa-Präsident dauernd infrage gestellt wird, ist das nicht erfreulich": Joseph Blatter.

(Foto: dpa)

Der Fußballweltverband Fifa will seinen totalen Verlust an Glaubwürdigkeit mit der Methode Helmut Kohl bekämpfen. Das bestätigte Präsident Joseph Blatter, nachdem Generalsekretär Jerome Valcke zuvor schon grundlegende Reformen für nicht nötig erklärt hatte. Blatter wies nun ebenfalls jegliche Kritik an der fehlenden Aufarbeitung der massiven Korruptionsvorwürfe gegen mehrere Mitglieder des Exekutivkomitees als vollkommen unbegründet zurück. Den von seinen Kritikern geforderten Rücktritt schloss der 74-Jährige kategorisch aus. Aussitzen heißt die Devise.

"Es gibt keine systematische Korruption in der Fifa", sagte Blatter der Schweizer "Weltwoche" und kanzelte die Vorwürfe allen Beweisen zum Trotz als "Unsinn" und "uralte Kamellen" ab. Schon nach den ersten Veröffentlichungen der englischen "Sunday Times" hatten sich Blatter und sein knallharter Ethik-Chef Claudio Sulser darüber echauffiert, dass die Journalisten mehreren Fifa-Funktionären eine unfaire Falle gestellt hätten.

Nun sprach Blatter gar von einer gezielten Kampagne gegen seinen Verband, den er bisweilen als "seine Geliebte" bezeichnet. Der Schweizer beteuerte sogar, was dem preisgekrönten investigativen Sportjournalisten Declan Hill ("How to fix a soccer match") zufolge maximal noch ein "paar Buschmänner in der Kalahari-Wüste" (oder der Deutsche Fußball-Bund, Anm. d. Red.) zu glauben bereit sind: "Die Fifa unternimmt alles, um Fifa-Offizielle, die sich nicht an die Regeln halten, zu sanktionieren."

"Sie haben mich hofiert"

Zum Thema Rücktritt ließ Blatter gegenüber der Deutschen Presseagentur durchblicken, wie absolut unangreifbar er sich angesichts devoter Mitgliedsverbände wie des DFB fühlt: "Warum ein neuer Präsident? Nur weil das ein paar Journalisten schreiben, muss ein neuer Präsident her? Ich sage: 'never change a winning team'." Dass insbesondere Blatter selbst ein Gewinner ist, habe die jüngste WM-Vergabe bewiesen. "Die Staatschefs antichambrieren bei mir, sie haben mich hofiert", stellte der Fifa-Boss gewohnt unbescheiden fest.

Der Schweizer zeigte sich von der harschen Medienschelte am Zuschlag für Russland (2018) und Katar (2022) allerdings nicht völlig unbeeindruckt. "Ich schlafe immer noch gut. Aber es tropft nicht einfach ab. Wenn der Fifa-Präsident dauernd infrage gestellt wird, ist das nicht erfreulich", gab er zu.

Seine Mission als Fußball-Missionar sieht Visionär Blatter indes noch lange nicht beendet: "Es ist meine Philosophie, die Expansion des Fußballs voranzutreiben." Dabei gehe es ihm aber nicht um Geld und Macht, klärte Blatter all jene auf, die fälschlicherweise in ihm die entscheidende Triebkraft für die gnadenlose Kommerzialierung des Fußballs sehen. Vielmehr ist der Fußball-Weltverband, der als gemeinnütziger Verein dreistellige Millionengewinne im Jahr macht, Vorkämpfer für das Gute im beliebtesten Spiel der Welt: "Der Fußball ist ein Monstrum geworden, welches von der Fifa zu zähmen ist. Das tun wir, und das tun wir auch gut."

Alleiniges Ziel der Zähmung sei, im Sinne der Völkerverständigung die Verbreitung des Fußballs über die traditionellen Länder hinaus voranzutreiben. In den kritischen Reaktionen auf die WM-Vergabe, insbesondere in Europa und dort vor allem in England ("schlechte Verlierer"), schimmert für Weltmann Blatter deshalb "tatsächlich ein wenig die Arroganz des Abendlandes christlicher Prägung" durch. Dabei sei es doch so: "Wenn man etwas über den Tellerrand hinausblickt und sich die Spannungen vor Augen führt, die zwischen der muslimischen und westlichen Welt bestehen, dann ist es doch eine ganz außerordentliche Entscheidung, eine Fußball-WM in den arabischen Raum zu vergeben."

China und Indien im Visier

Aber Blatter, der angeblich auch 2015 noch einmal als Präsident kandidieren will, blickt schon über 2022 hinaus: "Die nächsten Gebiete, die wir dann erobern müssen, wären China und Indien." Trotz dieser martialischen Rhetorik träumt der Schweizer für seine Wohltaten schon seit Jahren unverhohlen vom Friedensnobelpreis. Von dem ist der Fifa-Boss derzeit allerdings so weit entfernt wie der britische Journalist Andrew Jennings von einer Fifa-Akkreditierung, wenn auch in Blatters Augen im Gegensatz zu Jennings völlig unberechtigt.

"Aus quasi binnenländischer Sicht wirkt dieser Mann, wenn man einmal den Schweizer Besitzerstolz vergisst, vor allem: machtbesessen, heuchlerisch, eitel, ganz einfach peinlich", urteilte die "Neue Zürcher Zeitung" 2004 über den Fifa-Boss.

"Aus quasi binnenländischer Sicht wirkt dieser Mann, wenn man einmal den Schweizer Besitzerstolz vergisst, vor allem: machtbesessen, heuchlerisch, eitel, ganz einfach peinlich", urteilte die "Neue Zürcher Zeitung" 2004 über den Fifa-Boss.

(Foto: dapd)

Denn eine Käuflichkeit der internationalen Fußball-Regierung wies Blatter erneut entschieden zurück ("Es gibt keine faulen Eier"), obwohl die Käuflichkeit der Fifa längst belegt ist und ihr Blatter mit der WM-Doppelvergabe neuen Vorschub geleistet hat. Er räumte aber zumindest ein, dass sein Verband den Liebesentzug der Öffentlichkeit nicht ignorieren will. "Wir können so nicht weitermachen. Wir müssen unser Image  verbessern und auch einige Dinge innerhalb der Fifa klären", kündigte er vage an. Neben dem Feigenblatt Ethik-Kommission kann sich Blatter deshalb die Einrichtung einer Task Force vorstellen, die sich ganz im Sinne der Mission Nobelpreis der unangenehmen Diskrepanz zwischen Selbstbild und Außenwirkung widmen könnte.

Allzu viel sollte sich die interessierte Öffentlichkeit von Blatters Worten allerdings nicht versprechen, schließlich hatte der öffentlich gern wild fabulierende Fifa-Boss während der WM auch die grundlegende Reform des Schiedsrichterwesens noch für 2010 angekündigt. Passiert ist nichts. Warum das immer wieder so ist, hat der renommierte Fifa-Kritiker und Enthüllungsautor David A. Yallop schon 2004 im "Spiegel" trefflich beschrieben: "Das Problem bei Blatter ist, dass er jeden Tag 50 Ideen hat, von denen 51 nichts taugen."

Quelle: ntv.de, mit dpa

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