Mit Visionen und Millionen Blatter wirbt um Fifa-Stimmen
20.04.2011, 17:14 UhrAusgesessen, nicht aufgeklärt hat Fifa-Präsident Joseph Blatter die skandalösen Fußball-WM-Vergaben für 2018 und 2022. Seine Wiederwahl ist in Gefahr, ein Brief an die Mitgliedsverbände soll das ändern. Konkrete Versprechen macht Blatter nicht, doch er hat Visionen und lockt mit viel Geld.
Viereinhalb Monate nach den mutmaßlich verschobenen WM-Vergaben 2018 und 2022 geht Fifa-Präsident Joseph Blatter wieder in die Offensive: In einem vierseitigen Brief an die 208 Mitgliedsländer des Fußball-Weltverbandes wirbt der Fifa-Präsident um seine Wiederwahl. "Begleiten Sie mich auf den nächsten vier Jahren zu einem wunderbaren Vermächtnis", bittet der Schweizer. In dem Schreiben listete er die finanziellen Erfolge unter seiner Regie detailliert auf und kündigte an, er werde weiter gegen die "größten Feinde des Fußballs" ankämpfen: Korruption, Spielabsprachen und Doping. Konkrete Maßnahmen nannte Blatter allerdings nicht.
Der 75-Jährige aus dem Wallis strebt beim Fifa-Kongress am 1. Juni in Zürich seine vierte Amtszeit an, hat aber in Asiens Fußballchef Mohamed bin Hammam aus Katar einen ernstzunehmenden Herausforderer. "In der Fifa braucht es keine Revolution, sondern konstante Entwicklungen und Verbesserungen für den Fußball und unsere Organisation", sagte Blatter und verwies ungeniert auf das große Ganze - wie Natur- und Nuklearkatastrophen oder Finanzprobleme in einzelnen Ländern. Die Fifa müsse als Organisator von Weltmeisterschaften "für alles gewappnet sein".
Der Stimmenbeschaffer vermisst Transparenz
Bin Hammam hatte kürzlich kritisiert: "Was wir vermissen in der Fifa ist Transparenz." Der Weltverband hat unter Blatter mehrere, allesamt nicht aufgeklärte Korruptionsskandale hinter sich und war im vergangenen Jahr wegen der WM-Vergaben 2018 an Russland und 2022 an den Wüstenstaat Katar - Hammams Heimatland - massiv in die Kritik geraten. Schon Blatters erstmalige Wahl 1998 wurde von Korruptionsvorwürfen überschattet - pikanterweise soll Bin Hammam damals noch für Blatter Stimmen eingekauft haben.
In seinem Brief nannte Blatter Korruption zwar einen der größten Feinde der Fifa, blieb sich aber hinsichtlich konkreter Maßnahmen treu: Mit ausgearbeiteten Reformen hielt sich Blatter vornehm zurück, stattdessen schrieb er salbungsvoll: "Die zuständigen Organe werden ihre Aufsichtsfunktion unvermindert wahrnehmen und das Ansehen der Fifa damit wahren und deren Ruf auf allen Ebenen verbessern."
Über die Ethikkommission werde man zudem "die Corporate Governance stärken und unsere Rechtmäßigkeit sicherstellen", versprach der Fifa-Boss. "Fußball ist eine Lebensschule. Aus diesem Grund werde ich auf und neben dem Platz Disziplin, Respekt und Fairness garantieren."
Eine Milliarde Dollar Entwicklungshilfe
Nach Ansicht Bin Hammams hat Blatter "nicht mal eine Vision" für die Fifa. Allerdings sagt der umtriebige, bestens vernetzte und mit reichlich Geld ausgestattete Katari auch nicht konkret, wie er Transparenz schaffen will. Der kritisierte Amtsinhaber kontert mit der Ankündigung, nun eine Milliarde US-Dollar (rund 690 Millionen Euro) für die Förderung des Fußballs in den nächsten vier Jahren bereitzustellen. Er werde die Entwicklungsprogramme des Weltverbandes weiter vorantreiben. Das ist ein gern genutztes Mittel, um insbesondere Kleinverbände von sich zu überzeugen. Auch in dem von der "Sunday Times" im Oktober 2010 veröffentlichten Video hatten zwei Fifa-Funktionäre ihre Stimmen bei den WM-Vergaben nicht für Schmiergeld, sondern für Entwicklungshilfe zu verkaufen versucht.

Finanziell hat Blatter die Fifa saniert. Doch das Image des Fußball-Weltverbandes hat er ruiniert.
(Foto: picture alliance / dpa)
Blatter kündigte ferner an, den Fußball noch attraktiver zu machen und die Universalität zu stärken. Während sich bin Hammam für ein Exekutivbüro mit dem Fifa-Chef und den Präsidenten der sechs Kontinentalverbände stark macht, will Blatter "die Demokratie und Autonomie unserer 208 Mitgliedsverbände stärken".
Finanzen saniert, Image ruiniert
Ausführlich wies der kämpferische Fifa-Regent auf den enormen finanziellen Aufschwung hin, den die unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit operierende Organisation seit seinem Amtsantritt genommen hat. In den vergangenen zwölf Jahren habe man 1,6 Milliarden US-Dollar für Entwicklungsinvestitionen ausgegeben, allein beim "Goal"-Programm seien in 504 Projekte in 194 Ländern 262 Millionen Dollar geflossen.
1998 habe die Fifa keinerlei Reserven gehabt, heute seien es 1,2 Milliarden Dollar. Der Ertrag der Fernseh- und Vermarktungsrechte sei um das 16-fache auf 4,189 Milliarden Dollar für den Zeitraum von 2007 bis 2010 angestiegen. "Wir können auf unsere Organisation stolz sein. Sie ist stärker denn je", bilanzierte Blatter und kündigte an: "Ich habe die Motivation, Erfahrung, Vision und Energie, die es zum Abschluss meiner Mission braucht."
Das allerdings ist mehr als zweifelhaft: Blatter hat die Fifa zweifelsohne finanziell saniert, doch unter seiner Regie hat der Weltverband sein Image auch ruiniert. Allerdings hat Blatter mit seiner Strategie des Aussitzens hierzulande bereits Erfolg gehabt. Kurz vor Weihnachten sprachen sich noch vier von fünf Deutschen für einen sofortigen oder mittelfristigen Rücktritt Blatters als Fifa-Präsident aus. Nun wollen 43,5 Prozent, dass Blatter im Amt bleibt, hat das Dortmunder Meinungsforschungsinstituts promit repräsentativ erfragt. Blatters Konkurrent Mohamed Bin Hammam erhielt nur 18,2 Prozent der Stimmen.
Quelle: ntv.de, cwo/dpa/sid