Eine unfassbare Pokalstory Bochums Torwart dreht völlig frei
28.10.2021, 07:03 Uhr
Zeit zum Eskalieren.
(Foto: imago images/Nordphoto)
Der VfL Bochum und der FC Augsburg liefern sich in Runde zwei eine spektakuläre Pokalschlacht. Die Gäste scheinen früh geschlagen, kommen aber vehement zurück. Die Entscheidung fällt im Elfmeterschießen. Da wird Bochums Keeper zum Helden, auf völlig bizarre Weise.
Manuel Riemann sollte eigentlich zwei Dinge unbedingt erledigen. Aber Manuel Riemann erledigte nur eine Sache. Nachtragen wird ihm das entlang der A40 aber niemand. Der Torwart des VfL Bochum entschied am Mittwochabend einen nervenzerfetzenden Pokalabend gegen den FC Augsburg an der Castroper Straße. Der 33-Jährige wurde im Elfmeterschießen zum Helden. Das war eben die eine Sache, die er erledigt hatte. Nun, solche Geschichten kennt man. Aber die Geschichte von Manuel Riemann ist eine andere, als man erwarten würde.
Dass er der Held wurde, das war so vorgesehen. Von seinem Trainer. Thomas Reis hatte Riemann zwei Minuten vor Ablauf der Verlängerung ins Spiel gebracht. Es stand 2:2, beide Mannschaften waren mit den Kräften am Ende. Es würde zum Duell am Punkt kommen. Und mit Riemann saß noch der perfekte Joker auf der Bank des VfL. Das kommt nicht oft vor. Denn der Torwart ist die klare Nummer eins. In der vergangenen Saison war er eine der Aufstiegsikonen. Aber Bochum hat zwei gute Keeper. Bochum hat auch noch Michael Esser. Der bekam nun Spielpraxis und hatte damit seinen Anteil an der Heldengeschichte seines Konkurrenten.
Ein kurzer, aber irrer Arbeitstag
Die begann in der 118. Minute. Aber warum eigentlich? Nun, die Sache ist so: Riemann ist von den aktiven Profitorhütern in Deutschland der mit der besten Quote, wenn es um das Entschärfen von Strafstößen geht. Von 73 Elfmetern konnte er 25 parieren. Das ist ziemlich bemerkenswert. Gegen die sich nach einem 0:2-Rückstand zurückkämpfenden Augsburger sollte diese Bilanz ein wenig aufgehübscht werden. So der Plan von Reis. So die Hoffnung der Fans, die schon bei den ersten Aufwärmübungen des Keepers sangen und frohlockten. Denn "anne Castroper" lieben sie ihren Torwart. Auch wenn er ein bisschen verrückt ist. Aber seine Mentalität, seine Besessenheit, seine Ehrlichkeit auch nach schwachen Spielen, die passt in den Pott.
Aber die Wahrheit im Duell Mann gegen Mann war eine andere als erhofft. Riemann hielt nicht einen Elfmeter. Er war nicht einmal auch nur nah dran. Anders als sein Gegenüber Rafael Gikiewicz. Beim ersten Schuss von Elvis Rexhbecaj war er in der richtigen Ecke, verpasste hauchzart. Und beim dritten Versuch von Danny Blum war der Augsburger stark am Ball, hatte aber Pech, dass der doch im Tor landete. Anders bei Riemann. Ein ums andere Mal wurde er verladen. Womöglich wäre er seiner zugeschriebenen Rolle als Mann des Abends beim finalen Schuss von Arne Maier gerecht geworden, doch der Ex-Berliner bekam Rücklage und pfefferte den Ball in den Himmel.
Der Sprint des Glücks
Weil für Riemann aber der Status des Helden vorgesehen war, schnappte er sich als letzter Schütze die Kugel, lief an und vollendete ganz lässig. Wie er es einst vor 14 Jahren gegen Bayern Münchens Torwart-Titan Oliver Kahn getan hatte. Zur nun totalen Ekstase. Riemann wusste gar nicht, wohin mit sich und seinen Gefühlen. Er rannte. Er rutschte. Er rannte weiter, er streckte jedem, den er auf seinem Sprint des Glücks traf, die Zunge raus und landete letztlich auf dem Zaun. Vor den Fans. Er brachte das Stadion erst zum Schweigen, um es dann eskalieren zu lassen. Was für eine Show! Bei der er auch seinen Kollegen Esser nicht vergaß. Für ihn stimmte er Sprechchöre an.
Esser hatte tatsächlich großen Anteil daran, dass es zu diesem märchenhaften Showdown kam. In der zweiten Halbzeit der Verlängerung entschärfte er einen Schuss von Michael Gregoritsch mit einer tollen Parade. Es wäre der Knockout für den VfL gewesen, der das Spiel erst beherrscht und dank Milos Pantovic souverän geführt hatte. Doch die Augsburger kamen per Blitzdoppelschlag zurück. Nur zwei Minuten nach dem 0:2 egalisierten Reece Oxford und Ruben Vargas die Partie für das Team des angezählten Trainers Markus Weinzierl in drei Minuten.
Doch die Schlusspointe hatte der VfL für sich. Und Reis erklärte, wie es dazu kommen konnte. "Am Ende sollten die schießen, die sich wohlfühlen. Milos Pantovic war angeschlagen und konnte nicht antreten. Das haben wir dem Schiedsrichter auch gemeldet", erklärte der Chef die außergewöhnliche Wahl des letzten Schützen und den überhaupt ebenso ungewöhnlichen Wechsel "Das hat nichts mit Respektlosigkeit gegenüber dem Gegner zu tun. Bruno (Esser, d. Red.) wusste nicht, dass Manu kommen sollte. In der Halbzeit der Verlängerung habe ich ihm dann gesagt, dass ich mit dem Gedanken spiele", erklärte Reis. Es war ein kluger Gedanke.
Quelle: ntv.de, tno