
Robin Gosens erlebte ein Debüt mit gemischten Gefühlen.
(Foto: imago images/Pressefoto Baumann)
Direkt nach dem Ausgleich muss das DFB-Team es hinnehmen: Das Spiel in der Nations League gegen Spanien endet nur unentschieden. Dabei sorgt der späte Treffer für Aufregung - war das nicht Abseits? Das glaubt auch DFB-Debütant Robin Gosens. Und erliegt damit einem populären Irrtum.
Vier Minuten Verlängerung waren im Stadion von Stuttgart angezeigt. Das half jedoch nichts, ein so wahres wie abgehalftertes Zitat von Uwe Seeler besagt: "Erst wenn der Schiedsrichter abpfeift, ist das Spiel zu Ende oder gewonnen." Und so lief bereits die 96. Minute, als das DFB-Team den Sieg in der Nations League gegen Spanien noch vergab. José Luis Gayà konnte den Ball aus kurzer Distanz ins Tor schieben. 1:1 - gefühlt verloren.
Aber wie konnte das sein? Der Spanier stand doch im Abseits? Torhüter Kevin Trapp hob sofort den "Neuerschen Reklamierarm", genauso machte es die komplette deutsche Abwehr um Matthias Ginter, Niklas Süle und Antonio Rüdiger. Gaya derweil lief jubelnd über den Platz, feierte die butterweiche Hereingabe von Ferran Torres, die von Rodrigo auf ihn verlängert worden war. Und der Schiedsrichter? Daniele Orsato zögerte nicht - und gab das Tor. Direkt danach pfiff er die Partie ab.
Ein Abseits, das keins ist
Warum aber gab es derart unterschiedliche Sichtweisen auf das Tor? Nun, dafür musste der Blick deutlich vom Tor wegschweifen, nach rechts zur Torauslinie. Dort kniete Robin Gosens hinter der Linie, nachdem er zuvor versucht hatte die Flanke von Torres noch abzugrätschen - ohne Erfolg. Er war erst im Aus zum Liegen gekommen und saß schließlich seiner Unwissenheit auf. Der Debütant im Nationaltrikot dachte, dass er als Spieler außerhalb des Feldes die Abseitsstellung gar nicht aufheben könnte.
"Ich dachte, wenn ich hinter der Grundlinie bin, bin ich nicht mehr Teil des Spiels", sagte Gosens nach dem Abpfiff. Allerdings können Angreifer des gegnerischen Teams so nicht ins Abseits gestellt werden. Als deutlich kundiger erwies sich Schiedsrichter Orsato, der den Treffer regelkonform anerkannte.
Debütant Gosens ärgerte sich verständlicherweise über den Ausgleich: "Es geht mir halt ordentlich auf den Zünder, dass wir in der letzten Sekunde dieses Eier-Gegentor bekommen, ehrlich gesagt." Ein "Eier-Gegentor", an dem er auch noch Mitschuld trug. Eines aber, das seine zuvor gute Leistung beim ersten Einsatz im DFB-Trikot nicht schmälerte.
Gosens trotzdem überzeugend
Der 26-Jährige, der sich seine Nominierung durch Top-Leistungen bei seinem Klub Atalanta Bergamo verdient hatte, startete engagiert. Auffällig waren viele Flanken - die sich auszahlten. In der 51. Minute legte er einen klugen Rückpass von links in die Mitte zu Timo Werner auf. Der Stürmer dribbelte im Strafraum alle Gegner aus und versenkte den Ball zum 1:0. Damit ging Gosens gleich bei der DFB-Premiere in die Torstatistik ein, als Vorlagengeber.
Und seine Regel-Unkenntnis ist keine, über die er sich allzu lange grämen muss. Schließlich ist er nicht der erste Fußballprofi, der diese Regel nicht kennt. 2008 etwa gab es beim EM-Spiel der Niederlande gegen Italien heftige Diskussionen. Der damals eingesetzte schwedische Schiedsrichter Peter Fröjdfeldt hatte das 1:0 von Ruud van Nistelrooy gegen Italien anerkannt. Die Szene ähnelte der im jetzigen Nations-League-Spiel: van Nistelrooy stand vermeintlich im Abseits, doch Italiens Christian Panucci lag hinter der Auslinie und hob das Abseits damit auf. Die Beschwerden der Italiener verhallten, sie verloren das Spiel noch mit 0:3.
Immerhin: Eine Niederlage hatte Gosens bei seinem Debüt nicht verursacht. Gefühlte Pleiten gibt es bekanntlich nicht. Deutschland und Spanien haben jetzt in der Gruppe jeweils einen Punkt auf dem Konto. Weil die Ukraine das parallel stattfindende Spiel gegen die Schweiz mit 2:1 gewann, ist das Team von Trainer Andrij Schewtschenko vorerst Tabellenführer. Das kann sich bereits am Sonntag ändern, dann spielt das DFB-Team gegen die Schweiz (20.45 Uhr/ZDF sowie im ntv.de-Liveticker), während die Ukraine in Spanien gefordert wird.
Quelle: ntv.de