Fußball

Investorenstreit eskaliert Zweitligist wirft DFL massiven und bewussten Regelbruch vor

Wie hat Martin Kind abgestimmt?

Wie hat Martin Kind abgestimmt?

(Foto: IMAGO/Maximilian Koch)

Seit Jahren streiten sich bei Hannover 96 Mutterverein und Profifußball-Abteilung. In der Frage um den Investoreneinstieg erreicht der Konflikt seinen Höhepunkt. Der Verein wirft der Deutschen Fußball-Liga, Martin Kind ermöglicht zu haben, geltende Regeln zu missachten.

Der Streit um den milliardenschweren Investoreneinstieg im deutschen Profifußball erreicht die nächste Eskalationsstufe. Zweitligist Hannover 96 erhebt in einer ausführlichen, auf der Vereinswebseite veröffentlichten Stellungnahme massive Vorwürfe gegen die Deutsche Fußball-Liga (DFL). Die DFL, der Zusammenschluss der 36 Klubs aus 1. und 2. Bundesliga, hatte im Dezember in geheimer Abstimmung mit einer Stimme Mehrheit entschieden, sich einem Investorendeal zu öffnen. Der Mutterverein ist jedoch der Ansicht, dass die DFL die Abstimmung bewusst "geheim und somit intransparent" durchgeführt habe, um ein Ergebnis "im gewünschten Interesse" zu erhalten.

Auslöser des Streits ist, dass der Geschäftsführer der Profifußball-AG von Hannover 96, Martin Kind, die Weisung des Muttervereins möglicherweise nicht umgesetzt hat. Dieser ist der den DFL-Regularien zufolge weisungsbefugt und hatte Kind aufgetragen, mit "Nein" abzustimmen - Kind jedoch soll sich darüber hinweggesetzt und so die entscheidende Ja-Stimme beigetragen haben. Der Hörgeräte-Millionär verweist auf die geheime Abstimmung und weigert sich seit Wochen konsequent, sein Stimmverhalten offenzulegen. Medienberichte und Stellungnahmen anderer Klubs deuten darauf, dass Kind die Weisung missachtet haben könnte.

Die von Vorstand und Aufsichtsrat des e.V. unterzeichnete Stellungnahme kommt deshalb zu dem Schluss: "Der Beschluss der DFL ist nicht wirksam, was mittlerweile auch zahlreiche Sportrechtsexperten bestätigen, weil die DFL-Verantwortlichen die eigene Satzung betreffend der 50+1-Regel missachten und das uneingeschränkte Weisungsrecht des Muttervereins nicht sichergestellt, sondern sogar proaktiv selber eingeschränkt haben." Der e.V. habe die DFL "explizit gebeten", sicherzustellen, "dass das Stimmverhalten von Martin Kind nachvollziehbar ist".

Hannover fordert Neustart der DFL

Die 50+1-Regel begrenzt den Einfluss externer Geldgeber bei Klubs der ersten und zweiten Liga. Sie soll sicherstellen, dass Muttervereine wie der Hannover 96 e.V. selbst dann die letzte Entscheidungsgewalt behalten, wenn der Profibereich in eine Kapitalgesellschaft wie die Hannover 96 GmbH & Co. KGaA ausgegliedert wurde. In Hannover sind Vereins- und Kapitalseite darüber schon seit Jahren zerstritten.

Im Vorfeld der Abstimmung habe der Verein Hannover 96 die DFL bereits "über die Weisung an Martin Kind selbst, bei der Abstimmung mit Nein zu stimmen, als auch über die ablehnende Reaktion hierzu von Martin Kinds Anwälten, in Kenntnis gesetzt". Die DFL habe demnach davon ausgehen müssen, "dass sich Martin Kind, nach jahrelangen Verstößen gegen die Weisungen des Vereinsvorstands, erneut über diese hinwegsetzen würde." Die DFL hatte im August 2022 demnach wegen ebensolcher Vorfälle bereits Sanktionen gegen Martin Kind angekündigt.

Der Hannover 96 e.V. sieht deshalb nicht nur "Ja" der DFL für den Investoreneinstieg als unwirksam an, sondern fordert weitere Konsequenzen aus den Vorkommnissen. "Die Verantwortlichen in der DFL handeln seit zweieinhalb Jahren wissentlich entgegen ihrer eigenen Satzung", heißt es: "Die Folge daraus kann nur ein sowohl personeller als auch struktureller Neuanfang sein." Ansonsten sei die 50+1-Regel endgültig in ihrer Existenz bedroht, der zufolge die Muttervereine die Stimmenmehrheit in den oftmals ausgegliederten Profifußball-Abteilungen behalten müssen.

DFB muss "klare Führungsrolle einnehmen"

Dafür wendet sich der Verein an den Deutschen Fußball-Bund, denn: "Das Versprechen des DFB bei der Gründung der DFL, er selber werde sicherstellen, dass die Muttervereine immer das Sagen haben werden, wird aktuell ebenfalls nicht eingehalten." Deshalb müsse der DFB nun umgehend "eine klare Führungsrolle einnehmen".

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Die Auseinandersetzungen um den Investoren-Deal der DFL hatten in den vergangenen Wochen für massive Proteste in den Stadien gesorgt. Immer wieder unterbrachen Fans mit ihren Aktionen Spiele der beiden Bundesligen. Anhänger verschiedener Klubs warfen etwa minutenlang Tennisbälle oder Süßigkeiten auf das Spielfeld. Bei einem Auswärtsspiel gegen den Hamburger SV hielten 96-Fans ein Banner hoch, auf dem das Konterfei Kinds mit einem Fadenkreuz versehen war. Der Milliardär erstattete daraufhin Anzeige.

Für weitere Debatten sorgte zudem, dass die DFL am Dienstagabend verkündete, dass einer der beiden möglichen Investoren, Blackstone, aus dem Verfahren ausgestiegen ist. Laut DFL habe das Private-Equity-Unternehmen "verschiedene Gründe" genannt. Berichten zufolge sollen auch die zahlreichen und anhaltenden Fan-Proteste eine Rolle gespielt haben. Damit ist die Beteiligungsgesellschaft CVC als letzter Anwärter verblieben. Für die Beteiligung an den TV-Erlösen hofft die DFL auf die Zahlung von einer Milliarde Euro durch einen Finanzinvestor.

Quelle: ntv.de, tsi/ses

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