Partys, Pleiten, Lügen & Klose Das 73-Tage-Missverständnis des 1. FC Kaiserslautern
14.02.2024, 18:12 Uhr
Dimitrios Grammozis ist wieder Geschichte am Betzenberg.
(Foto: picture alliance/dpa/DeFodi Images)
Schon wieder großer Wirbel beim 1. FC Kaiserslautern. Ein letztes Mal mittendrin: Dimitrios Grammozis. Der kriselnde Fußball-Zweitligist schickt seinen Trainer weg. Eine wirklich gute Zeit hatten beide Parteien nur im Pokal, in der Liga droht der Absturz.
Die Rückkehr von Dimitrios Grammozis zum Betzenberg wurde zu einem großen Fest. Am 5. Dezember stürmte der 1. FC Kaiserslautern über den 1. FC Nürnberg hinweg und ins Viertelfinale des DFB-Pokals. Der Wechsel des Trainers von Dirk Schuster hin zu Grammozis hatte sich voll ausgezahlt. Geschäftsführer Thomas Hengen lobte in der ARD: "Das war ein Riesenfight. Es war ein kollektiver Super-Auftritt." Die Euphorie schwappte bis ins Team: "Ich glaube, wir haben heute wieder mehr gezeigt, was den FCK ausmacht", sagte Torschütze Ragnar Ache.
Nun ist er, nach nur 73 Tagen, Geschichte bei den Roten Teufeln. "Der FCK reagiert mit der Freistellung auf die jüngsten sportlichen Ergebnisse in der Liga, die nicht die erhoffte positive Wendung genommen haben", teilte der Klub mit. In der Winterpause hatten die Verantwortlichen noch einmal versucht, mit einem groß angelegten Personalumbau die Dinge in die richtige Richtung zu schubsen. Unter anderem kam Innenverteidiger Almamy Touré, der einst mit Eintracht Frankfurt die Europa League gewann. Ebenfalls kamen die zweitligaerfahrenen Dickson Abiama oder Frank Ronstadt. Insgesamt sieben Neuzugänge durfte Grammozis begrüßen. Und sich nun selbst schnell verabschieden.
Disput mit dem Chef
Kein Trainer der "Roten Teufel" musste nach so kurzer Zeit innerhalb einer Saison gehen. Aber was war passiert? "Die Stimmung droht nicht zu kippen. Die Stimmung ist gekippt", hatte Hengen am Samstag bei Sky gesagt. Die Lauterer hatten ihr Heimspiel gegen den SC Paderborn verloren und waren noch tiefer in den Abstiegsstrudel der 2. Bundesliga geraten. "Der Trainer ist die ärmste Sau, er hatte schon von Anfang an wenig Standing hier, warum auch immer. Aber du musst Ergebnisse liefern, das weiß ich, der Trainer, die Mannschaft." Hengen hatte den Boden für das Grammozis-Aus bereitet.
Schon zuvor hatten die Offiziellen keine glückliche Figur gemacht. "Wir hätten heute den Anschluss ans Mittelfeld schaffen können. Auswärts ist es zu wenig von uns. Wir sind in der Fremde mit das schwächste Team. Heute hat man auch gesehen, warum", schimpfte Hengen nach der 1:2-Niederlage bei Aufsteiger Elversberg.
Grammozis widersprach öffentlich: "Wir haben gegen keine schlechte Mannschaft gespielt. Das darf man nicht vergessen. Für mich ist immer die Art und Weise entscheidend. Ich kann meinem Team keinen Vorwurf machen", sagte Grammozis. "Natürlich sind wir enttäuscht wegen des Ergebnisses. Ich gehe aber mit einem besseren Gefühl raus, weil wir nicht brutal unterlegen waren. Wir wissen aber, dass wir uns verbessern müssen." Die Kritik des Chefs nahm der 45-Jährige gelassen zur Kenntnis. "Jeder sieht das Spiel, wie er es sieht. Das ist im Fußball normal. Wir als Trainer sehen das aber nochmal aus einer anderen Perspektive. Wir müssen dran bleiben."
"Es ist brandgefährlich jetzt"
Tatsächlich darf die Zeit des 45-Jährigen an alter Wirkungsstätte, 117-mal trug er als Spieler das Trikot des FCK, als Missverständnis durchgehen. Die Zuneigung der Fans konnte er in den acht Spielen unter seiner Regie nicht gewinnen, trotz der beiden Pokal-Feste gegen Nürnberg und eine Runde später gegen Hertha BSC (vor gerade einmal zwei Wochen) sowie dem rauschhaften Liga-Sieg gegen den FC Schalke 04 (4:1). Aber das reichte eben nicht, zwei Niederlagen in Folge waren nun zu viel. Der drohende GAU, der erneute Abstieg in die 3. Liga, löste am Betzenberg Panik aus, die Sehnsucht nach einem Retter war groß. Sein Name: Friedhelm Funkel.
"Ich lebe nach wie vor 100 Prozent Fußball. Und als ich zuletzt wieder mal am Spielfeldrand stand, habe ich gemerkt, dass das Kribbeln noch da ist", hatte der Trainer-Pensionär der Deutschen Presse-Agentur zu seinem runden Geburtstag im Dezember gesagt. "Ich schließe nicht aus, noch mal etwas als Trainer zu machen." Mit weit über 1000 Bundesliga- und Zweitligaspielen als Trainer und Spieler und elf Trainerstationen (in Köln zweimal) kennt Funkel das Geschäft so gut wie kaum ein anderer.
Aber es dürften nicht nur die Pleiten gegen Paderborn und Aufsteiger Elversberg gewesen sein, weshalb die Teufel ihren Trainer zur Hölle schickten. Kapitän Jean Zimmer hatte bereits am Wochenende gewarnt: "Es ist brandgefährlich jetzt. Wenn wir jetzt anfangen, uns gegenseitig zu zerfleischen, wird es noch schwerer." Dieser Prozess stand jedoch nicht am Anfang, sondern war schon weit fortgeschritten. Vor dem wenig nachhaltigen Befreiungsschlag gegen die Schalker, bei denen Grammozis zuvor nicht glücklich geworden war und ebenfalls die Wut der Fans auf sich gezogen hatte, war der Klub Ende Januar bereits in heller Aufregung.
Angebliche "Rufmord"-Kampagne gegen Grammozis
Im Internet hatte sich die Meldung rasant verbreitet, dass es eine Spielerrevolte gegen den Trainer gegeben habe. Es folgten Meldungen über eine Krisensitzung und eine Entlassung des Coachs. Um die eskalierte Lage zu beruhigen, sah sich Geschäftsführer Hengen gezwungen, die Spekulationen mit einem ausführlichen Statement zu dementieren. Und auch Grammozis setzte sich mit emotionalen Worten zur Wehr. "Lügen zu verbreiten, das ist Rufmord, das kann ich mir nicht gefallen lassen." Deshalb überlege er, "juristische Schritte einzuleiten".
Als Brandbeschleuniger der Debatte erwies sich auch Weltmeister Miroslav Klose. In einem Interview mit der Mediengruppe "Münchner Merkur/tz" gab er an, dass er nach der Trennung von Schuster Anfang Dezember gerne Trainer bei seinem Heimatverein geworden wäre. Doch der FCK um Geschäftsführer Hengen entschieden sich damals gegen ihn. "Leider hat es nicht mit einer Rückkehr funktioniert. Dimitrios Grammozis hat das Rennen gemacht", sagte der 45-Jährige: "Ich wünsche ihm nur das Allerbeste." Im Umfeld sorgte das für große Unruhe. Klose, der Publikumsliebling, das hätten viele gerne gesehen. Es wäre emotional eine große Geschichte gewesen.
Den ungebremsten Absturz, der unter Schuster begann und von Grammozis nicht aufgehalten werden konnte, soll nun Friedhelm Funkel stoppen. Der 70-Jährige, der sich eigentlich bereits in die Trainerrente verabschiedet hatte, hatte bei seiner bisher letzten Rettungsmission den 1. FC Köln 2021 vor dem Abstieg aus der Bundesliga bewahrt. "In den letzten Spielen geht es um nichts anderes als den Klassenerhalt. Wir haben Verantwortung. Die habe ich, die hat die Mannschaft, die hat mein Trainerteam", sagte Funkel nach seinem ersten Training. "Als die Anfrage kam, musste ich nicht lange überlegen. Kaiserslautern ist ein besonderer Verein."
Quelle: ntv.de, tno