"Kicken kann ich ja auch" Demirbay - respektlos und Spaß dabei
27.06.2017, 16:47 Uhr
Kerem Demirbay überzeugt beim DFB-Team - und weiß um seine sportlichen Qualitäten.
(Foto: REUTERS)
Kerem Demirbay schafft es von der Turnhalle in Gelsenkirchen bis in die DFB-Elf, trägt Mesut Özils Nummer zehn und steht nun mit dem Team im Confed-Cup-Halbfinale. Er ist einer, der schon ganz früh wusste, worauf es ankommt.
Was hat Kerem Demirbay wohl gesagt, nachdem er Anfang dieses Monats beim 1:1 im Test in Dänemark zum ersten Mal für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gespielt hatte? Genau: "Ich bin sehr glücklich und einfach froh, hier zu sein." Auch wenn es nur zwölf Minuten waren. Und was hat Demirbay gesagt, nachdem er im zweiten Länderspiel beim Confed Cup in Sotschi beim 3:1 gegen Kamerun am Sonntag sein erstes Tor geschossen hatte? "Für mich ist das alles ein Traum, der in Erfüllung gegangen ist."
Das klingt jetzt nicht sonderlich originell und ist es auch nicht. Andererseits: Was soll er sonst sagen? "Ist mir egal?" Eben. Zumal es da auf Youtube dieses schöne Video aus seiner Kindheit gibt. Demirbay, 1993 in Herten geboren, wohnt damals mit seiner Familie im Gelsenkirchener Stadtteil Buer ganz nahe am Parkstadion. Seit vier Jahren spielt er in der Jugend des FC Schalke 04. Sein größter Traum: "Fußballprofi werden." Dafür müsse er, sagt der zehn Jahre alte Kerem, aber viel trainieren - vier Mal in der Woche. In dem Film ist zu sehen, dass Demirbay schon als Kind ziemlich gut mit dem Ball umgehen kann, am liebsten hält er ihn mit dem Fuß hoch und lässt ihn tanzen.
Und er nimmt die Sache ernst. Nach einem verlorenen Trainingskick in der Halle schmeißt er sein Leibchen auf den Boden. Sein Vorbild ist der Schalker Hamit Altintop. Warum? Darauf antwortet Kerem wie einer, der sich auskennt: "Der ist körperlich stark, hat einen Schuss drauf, Balltechnik - was ein Profi braucht." Und nun? Hat er es längst geschafft. In der vergangenen Saison der Bundesliga hat er als offensiver Mittelfeldspieler sechs Tore für 1899 Hoffenheim geschossen, meist mit seinem starken linken Fuß, und zehn Vorlagen gegeben. Wenn der Klub die Playoffs übersteht, spielt er demnächst in der Champions League. Es war seiner erste Saison als Profi, in der alles so lief, wie er sich das schon als Kind vorgestellt hat: "Das vergangene Jahr lief wie im Traum. An meinen Qualitäten gezweifelt habe ich nie - aber dass es so laufen würde, damit konnte ich auch nicht rechnen."
Der HSV hat ihn verschmäht

Tor geschossen, überzeugt: Demirbay machte gegen Kamerum ein starkes Spiel.
(Foto: imago/Photosport)
Im Sommer 2013 war er von der Reserve der Dortmunder Borussia zum Sportverein nach Hamburg gewechselt. Dort aber kam er nie richtig zum Zug, der HSV verlieh ihn in die zweite Liga, erst nach Kaiserslautern, dann nach Düsseldorf. "Ich wurde nicht so behandelt, wie ich es mir gewünscht hätte", sagte er dem "Kicker". "Wie würde es Ihnen ergehen, wenn man Ihnen sagt, es reicht nicht, wie Sie Ihren Job machen? Sie hinterfragen sich, wahrscheinlich auch länger als nur einen Moment." Dann war Schluss mit Ausleihe, vor einem Jahr sicherten sich die Hoffenheimer für 1,7 Millionen Euro seine Dienste. Unter Trainer Julian Nagelsmann fand er zu sich und seinem Spiel, im April hat Demirbay seinen Vertrag bis 2021 verlängert.
An diesem späten Dienstagmorgen nun trabt er in neongelben Schuhen mit seinem Kollegen der DFB-Elf über den Rasen auf dem Trainingsplatz vor dem Olympiastadion Fisht. Die Sonne scheint und sorgt für satte 26 Grad, hier in Sotschi steht am Donnerstag (ab 20 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) das Halbfinale des Confed Cups gegen Mexiko an. Ob Demirbay, der in Abwesenheit Mesut Özils die Nummer 10 auf dem Trikot tragen darf, wieder in der Startelf steht, weiß nur Bundestrainer Joachim Löw. Und der sagt erst einmal nichts. Verdient hätte es sich der Hoffenheimer, der gegen Kamerun im zentralen Mittelfeld neben Julian Draxler auflief, mit dem er sechs Jahre in der Schalker Jugend zusammenspielte. Die beiden waren es am Sonntag auch, die nach der Pause für das erlösende 1:0 sorgen.
"Dat reicht"
Erst spielte Demirbay den Ball zu Draxler, der Kapitän für einen Sommer leitete mit der Hacke weiter, Demirbay lief noch einige Schritte aufs Tor und traf dann wunderbar aus 18 Metern in den Winkel - mit seinem eigentlich schwächeren linken Fuß. "Das Verständnis scheint immer noch da zu sein", sagte Draxler hinterher. Demirbays Problem könnte sein, dass selbst in diesem deutschen Perspektivteam in Russland die Konkurrenz groß ist. Der Leverkusener Julian Brandt zum Beispiel gilt als eines der größten Talente des Landes. Gegen Kamerun wechselte Löw ihn eine knappe Viertelstunde vor dem Ende der Partie für Demirbay ein. Beim 1:1 gegen Chile und beim 3:2 gegen Australien spielte der Schalker Leon Goretzka an Draxlers Seite. Und dann ist es ja so, dass Özil demnächst wieder dabei ist. Ebenso wie die abwesenden Platzhirsche Thomas Müller und Toni Kroos, der fast vergessene Mario Götze oder Dauerpatient Marco Reus.
Aber daran mag Demirbay, der am 3. Juli, also am Tag nach dem Finale des Confed Cups in St. Petersburg, seinen 24. Geburtstag feiert, jetzt noch nicht denken. "Ich weiß, was es heißt, wenn man sich durchbeißen muss", hatte er am Sonntag gesagt. "Umso mehr bedeutet es für mich, dass ich jetzt in der deutschen Nationalmannschaft spiele. Das macht mich unglaublich glücklich und stolz." Zudem mangelt es ihm im bisweilen zu demütigen Kader nicht an Selbstbewusstsein, auch wenn er das in einem im besten Sinne respektlosen Nachsatz zu verstecken sucht: "Es ist überragend, mit all diesen Jungs kicken zu dürfen. Aber kicken kann ich ja auch."
Und wie als Zehnjähriger schon wird er auch jetzt wissen, dass er nicht mehr tun kann, als hart zu trainieren und gut zu spielen. Die Welt des Fußballs hatte er damals im Film schon erklärt: "Wenn man schlecht spielt, dann wechselt man den aus." Und wenn's trotz allem nichts wird? "Einfach weiterspielen, wie man Spaß hat. Dat reicht."
Quelle: ntv.de